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9.12.2003 3:53 PM CET
Heilige Fluchten
Da! Da war sie. Am Telefon. Die befürchtete Frage der Frau Mamá: „Wisst Ihr schon, wo Ihr an Heilig Abend seid?“ Weil nämlich: Ich mag Weihnachten, so richtig. Vor allem die Adventzeit. Alles glitzert und ist geschmückt, abends hilft mir die weihnachtliche Beleuchtung, einen Sinn in den kurzen Tagen zu finden. Auch die Weihnachtsmusik, die mir als Innenstadt-Bewohnerin selbst beim Klopapier-Einkauf um die Ohren spült, erfreut mich. Die hastenden Einkäufer, die gestressten Verkäufer - gehört alles zur größten Show des Jahres. Selbst Weihnachtsgeschenke ausdenken und einkaufen stresst mich zwar ein bisschen, aber nicht bedeutend. Stress ist seit ein paar Jahren der Heilige Abend. Da ich sehr internationaler Herkunft bin, musste ich mich früher nie mit Verwandtschaft an Weihnachten rumschlagen: Außer meiner polnischen Großmutter mütterlicherseits, die in meiner bayerischen Geburtstadt wohnt, leben die lieben und ordnungsgemäß verstrittenen Verwandten alle viel zu weit weg für eine Zusammenkunft. Puh. Jetzt hat aber mein Bruder eine Familie inklusive Kindern, mein Mitbewohner hat neben Eltern zwei erwachsene Brüder. Alle wohnen in einem Umkreis von 100 Kilometern. Das bedeutet insgesamt eine nervenzermürbende Terminplanerei, die mich ungeheuer aneiert. Dazu kommt, dass meine Mama bei ihrem gestrigen Anruf ankündigte, dass ihre Schwester aus Italien mit meinen beiden Kusinen zu Weihnachten anreisen werde. Oh mein Gott: TANTE BARBARA!!! Groß, fett, unverschämt, blondiert, laut, vulgär, ungebildet, unrasiert, egozentrisch, wehleidig. Tante Barbara. Je älter sie wird (jetzt Mitte 50), desto mehr wirkt sie wie ein schlecht alternder Transvestit. Sie ist die einzige Frau, an der ich je echte Tuntengestik beobachtet habe. Inklusive gespitzter Lippen für die vermeintlich damenhafte Aussprache. Heilig Abend bei Elterns ist also out. Absolut gestrichen. Familie Mitbewohner habe ich mal zu Heilig Abend ausprobiert. Zwar hatte es geheißen, dass in dieser Familie Weihnachten nicht sehr gewürdigt werde, aber mir war zu dieser Gelegenheit ein traditioneller Familienstreit versprochen worden - nicht unbedingt laut und mit Türenschlagen, aber doch ein konstantes Sticheln, das möglicherweise sogar in Tränen enden würde. Und: Nix war. Da brauch ich nicht noch mal hin. Also doch wieder zu zweit? Bringen wir die Energie für einen ordentlichen Heilig Abend auf? Denn dann muss schon auch ein Christbaum her, es braucht feinstes Fresschen, Musik, festliche Gewänder. Sonst werde ich traurig. Ich überleg noch ein bisschen.
Kommentare: 7 Kommentare
Habt ihr keine wirklich guten Freunde mit Kindern? Das ist doch super an Heilig Abend.
Äh, ich bin mir sicher, Deine Kinder würde ich lieben. Aber ansonsten....äh...kann ich...äh... kindernichtausstehen. Der Fluchtreflex würde mich bis in die hintere Mongolei jagen, fürchte ich.
also ich finde von allen tante barbara am spannendesten. das ist doch wenigstens ein original. by the way, ich weihnachtsverächterin wurde mit einer ausladung nach berlin gestraft. so kanns gehen.
Weihnachten mit Kindern stelle ich mir schrecklich vor. Meine Tochter nervt mich seit Wochen mit Tannebau. Ich wollte einen aus Plastik anschaffen, aber selbst eine Dreijährige kann ich damit nicht mehr überlisten.
Weihnachtsstimmung in der Gegenwart von Kindern? Also bitte! Klassisches Oxymoron!
Liebe Meike, die Tante Barbara ist in meinem Freundeskreis bereits ein Runnig Gag - ich kann Geschichten für mindestens eine Stunde Alleinunterhaltung liefern. Nur finde ich, dass mir das Material reicht, das ich schon habe. Ich könnte diese Tante natürlich zur Miete anbieten. Müsste aber mehr als eine Stunde sein, da sie in neuer Umgebung gerne erst mal fremdelt. Und Claudia, Kinder nicht ausstehen können aber selbst eins machen und behalten - ist eher uncool. Gib sie doch jemandem ab, der Weihnachten mit Kindern klasse findet. Wolfgang hat ja nur drei Buben, vielleicht würde da eine kleine Blondie dazupassen?
O yeah. I see. tatsächlich. Da hilft nur Voodoo. Ärmste.
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