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18.12.2003 5:35 PM CET
Zum 75. Geburtstag von Joachim Kaiser - anders

Habe eben die Laudatio von Fritz Raddatz in der SZ gelesen. Wissen Sie, Herr Kaiser, wie ich Sie kennen gelernt habe? Als Beleidigung. "Was? Du willst dich für Literatur interessieren - und weißt nicht mal, wer Joachim Kaiser ist?!" Ich war 18, und der Beleidigende war meine große Liebe: sieben Jahre älter und Hospitant am örtlichen Theater. Eine weitere Ohrfeige von ihm, mit solch einer Verachtung erteilt, dass ihm schier die Schneidezähne bloßlagen unter der hochgezogenen Oberlippe.

Ich hoffe, Herr Kaiser, dass Sie sich der Privilegien Ihrer Herkunft bewusst sind, und ihnen ein klitzekleines Bisschen demütig dankbar. "Wenn da einer Kultur als tiefe Prägung erfahren hat", lobt Raddatz, "dann er." Glück gehabt, Herr Kaiser!

Schaun Sie, ich bin in einer Einwandererfamilie groß geworden, für die allein schon das Lesen von Büchern ein Verstoß gegen die absoluten Werte Fleiß und Leistung war. Meine Prägung musste ich mir selbst holen. Ich war es, die mit 14 dafür gesorgt hat, dass überhaupt eine Zeitung ins Haus kam. Ich war es selbst, die sich für ein humanistisches Gymnasium entschied, trotz der Warnung der Eltern, dass das "aber schwer" sein könnte. Natürlich war es die bräsige Lokalzeitung, nicht die SZ, über deren Feuilleton Sie damals regierten. Woher hätte ich denn, da draußen in der bayerischen Provinz, mit 18 wissen sollen, wer Sie sind? Ich hatte gerade mal angefangen, die Zeit zu kaufen. Und das nur, weil mir mein Griechisch-LK-Lehrer einen Cartoon daraus ausgeschnitten hatte. Auf meinem Feuilleton-Olymp thronten Raddatz und Benjamin Henrichs. Sie, Herr Kaiser, kannte ich tatsächlich nicht. Und kassierte eine der prägendsten Ohrfeigen meines Lebens.

Keine Angst, Ihre letzte Jahre in der SZ-Redaktion habe ich noch mitbekommen. Dem Olymp saß in meinem hungrigen Gehirn jahrelang ein Triumvirat vor: neben den beiden erwähnten Herren Raddatz und Henrichs saßen Sie. Daraus folgerte ich übrigens, dass ein "ich" in einer Rezension Zeichen für die Erlangung der Ressortleitung war.

Ich glaube aber, ich habe Sie nie richtig schätzen gelernt. In Ihren Theaterbesprechungen standen mir ein paar zu viele "Ich"s. Und wenn Sie es mit der Musik hatten, fühlte ich mich wie beim Lesen von Thomas Manns Doktor Faustus: Musik mit chirurgischer Präzision in Worte zu übersetzen, hat mein Lesen nicht überlebt. Tut mir leid.

Eine Ahnung davon, was Sie anderen Rezipienten möglicherweise haben geben können, bekam ich, als ich auf einer Autofahrt im Radio auf Sie stieß. Sie verglichen verschiedenen Aufnahmen, die Maria Callas von Norma gemacht hat, einschließlich Hörbeispielen. Ich habe Sie verstanden, war sehr beeindruckt und habe viel gelernt.

Mögen Sie mit mir tauschen? Meine Jugend von 36 Lebensjahren gegen Ihre Vergangenheit?


Kommentare: 1 Kommentar

Who the Fuck is Kaiser? Who cares?

Ay.

Und auf Hospitanten höre man schon gleich gar nicht.