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Speisen Die Kaltmamsell
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10.3.2004 12:54 PM CET
Unerwartet
Es ist der letzte Vormittag der bayerischen Schultheatertage, irgendwann Mitte der 80er in Ingolstadt. Wir jungen bis sehr jungen Leute, die den Zuschauerraum des „Großen Hauses“ füllen, sind vom vielen Gucken, Spielen, Feiern erschöpft und sehen eher gelangweilt auf die Bühne, auf der noch eine letzte Truppe auftritt. Sie gehört zum örtlichen Apian-Gymnasium und ist nur wegen des Gastgeber-Bonusses dorthin gekommen; alle anderen Truppen mussten sich qualifizieren. Mit mehr Inbrunst als Können schauspielern die Schüler im Scheinwerferlicht Ausschnitte eines dialoglastigen Stücks. In der Schluss-Szene stehen nur noch zwei Menschen am Rand der Bühnenmitte: Ein junger Mann mit halblangen, dunklen flaumigen Haaren, um die Lippen ein Musketier-Bärtchen. Ihm zugewandt ein junges Mädchen im Kleid und mit langen, hellen Locken. Am Ende ihres Dialogs umarmen sie sich. Ein Kuss. Nach wenigen Sekunden will sie sich von ihm lösen. Doch er lässt nicht los, dehnt den Kuss aus. Ihr Körper stutzt. Er küsst sie weiter, legt seine Hand auf ihren Nacken. Der Raum wird still. Und da beginnt sie zu schmelzen. Muskel für Muskel gibt sie nach, fällt in den Kuss, sinkt dahin. Die Intimität der Szene überträgt sich auf die Zuschauer. Sie halten den Atem an, ihre Blicke gebannt. Der Kuss dauert an, die beiden Menschen verwachsen miteinander. Endlich löst er sich, blickt in ihre Augen, tritt einen Schritt zurück. Sie bewegt sich nicht, starrt ihn an, sekundenlang. Bis er sich mit einer fließenden Bewegung den Zuschauern zuwendet, gleichzeitig ihre Hand nimmt und sich verbeugt. Zögerlich setzt Applaus ein, die anderen Darsteller kommen zur Verbeugung auf die Bühne. Das junge Mädchen reiht sich ein, immer noch in Trance und mit erhitztem Gesicht. Mechanisch lächelt sie, verbeugt sich mit den anderen, verschwindet hinter der Bühne. Und im Blick jeder Zuschauerin spiegelt sich die Sehnsucht, nur einmal im Leben so geküsst zu werden. Inzwischen ist der junge Mann übrigens Komiker...
Kommentare: 2 Kommentare Fortsetzung. Und wenige Jahre später hatte er eine Wohnung im Glockenbachviertel. Schräg darunter hatte sich eine freikirchliche Sekte breit gemacht, und dort stieg die letzte Hochzeit, die ich in meinem Leben mit- und überlebt habe. An einem Tisch sassen die verstörten Bekannten der Braut und deren Anhang, die derartiges Sektengetue noch nie mitbekommen hatten, darunter übrigens auch ein anderer späterer Komiker, allerdings vom Scheiner. Der hatte seinerzeit ein gewisses, unerfülltes Faible für die Braut, ohne allerdings fett konkret zu werden. Das sektiererische Umfeld der Braut führte dann allerlei Sketche, Theaterstückchen und ähnlich glanzlose Kleinkunst auf. Die Mädchen rochen nach Schweiss und billiger Seife, unter den Männern trug einer eine blaue Latzhose. Man wüncschte dem Paar viele Kinder. Ich wünschte mir eine Schrotflinte. Ich sass darunter, im Frack, glotzte betrübt auf das 1 Salatblatt, das den 1. Gang bestritt und wartete auf den Hochzeitswalzer, um mit meiner Liebsten zu tanzen. Deren beste Freundin hatte sich schon beim ersten Anzeichen des Tischgebets zu ersterem Komiker verzogen, mit dem sie damals zusammen war. Wir hingegen sollten eigentlich auch noch zu dem Spektakel beitragen, aber als dann durchsickerte, dass es definitiv keinen Walzer geben würde, verschwanden wir. Schleunigst. Ohne ein WEort, wie die Schatten. Hinter uns fiel das Gitter zur Sektenburg leise ins Schloss. Gott, entfuhr es meiner Geliebten. Sollte ich je heiraten wollen, erschiss mich bitte. Dann rannten wir schnell in die Wohnung des Komikers, dessen Freundin unten noch ein Kleidungsstück vergessen hatte, und danach im Treppenhaus des Komikers geschah etwas, was nach dieser Hochzeit einfach hier und jetzt und auf der Stelle sein musste. Die Ehe ging übrigens nach ein paar Jahren in die Brüche.
Oh, vielen Dank für das Update! Meine eigene kleine nachträgliche Geschichte dazu hat allerdings nichts mit den schon zu Schulzeiten sagenumwobenden Liebhaber-Qualitäten des Komikers zu tun. Meine Mutter musste sich Ende der 80er einer Schilddrüsen-Operation im Klinikum unterziehen. Vor der Schleuse zum OP trat ein hübscher Zivi an ihre Liege und grüßte sie sehr erfreut mit Namen. Meine Mutter fragte verdutzt, woher sie sich wohl kennten. Der Komiker erklärte: "Sie sind doch die Mutter von der Kaltmamsell!" Ob der Komiker wohl immer noch solch ein phänomenales Personen- und Namensgedächtnis hat?
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