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19.3.2004 8:51 AM CET
Pfadfinder kommen ganz schön rum

Er war vermutlich der erste Augustiner-Pfadfinder, der es zu Model-Ehren brachte - zumindest in seiner Heimatstadt. Wahrscheinlich bekam mein Gesicht den bislang dümmsten Ausdruck seiner 17-jährigen Existenz, als ich auf dem Schulweg an einem Friseursalon vorbeiradelte, in dessen Schaufenster DinA2 groß der Lockenkopf des Schuler Tom prangte.* Vor grünem Hintergrund. Der junge Mann sah darauf recht cool drein, seine dunklen Locken sollten wohl Klientel anlocken (ja, das waren die 80er).

Der Schuler Tom lächelte sonst ohnehin fast nur mit den Augen. Selbst wenn er auflachte, schloss er schnell die Lippen: Ihm waren wohl seine etwas schiefen Zähne peinlich. Aber schon klar, dass dieser Reflex ihn ganz besonders schnuckig machte, oder?

Durch Pfarrei übergreifende Pfadfinderfeste hatten wir uns kennengelernt. Er war unter den Augustiner-Pfadfindern der hübsche, zurückhaltende. Später begegneten wir uns wieder in der Redaktion des Lokalblattes, wo er ein Jahr vor mir sein Volontariat begonnen hatte. Er fiel durch außergewöhnlich gute Arbeit auf. Dazu gehörte ein Dossier über die Machenschaften des damaligen Verlegers zwischen 1933 und 1945. Es enthielt im damaligen Arbeitsstadium vor allem Material darüber, wie dieser Verleger bis dato jeden Rechercheversuch zum Thema unterbunden hatte. Das war natürlich eine höchst inoffizielle Kladde, die unter den Tischen von Volontärshand zu Volontärshand weitergereicht wurde. (Wartet da vielleicht noch ein Buch auf Veröffentlichung?)

Dann ging der Schuler Tom hinaus in die weite Welt. Über Jahre las ich alle paar Wochen in der Süddeutschen Zeitung Geschichten von ihm auf der Medienseite, ganz offensichtlich war er in Amerika. Irgendwann hörten diese Geschichten auf. Das nächste, was ich vom Schuler Tom mitbekam, waren Reisebücher und dass er bei einer Berliner Zeitung arbeitete. Dann wieder lange gar nichts.

Doch jetzt, jetzt hat der Schuler Tom wohl ein Buch über die Bertelsmann-Familie Mohn geschrieben. Und in der heutigen Ausgabe des SZ-Magazins steht eine Geschichte von ihm über die vergessene erste Frau Mohn. Auf der dritte Seite des Magazins ist zu sehen, dass er mittlerweile wohl keine Probleme mehr hat, beim Lächeln seine Zähne zu zeigen.

Kann es Zufall sein, dass die Seite drei der SZ am selben Tag eine Reportage über deutsche Pfadfinder bringt?


*Beweiskräftiges Indiz, dass ich jemand noch aus meiner Geburtsstadt kenne: Mir fällt sein Name in der Reihenfolge Nachname Vorname ein. Wird wie ein Wort ausgesprochen, Betonung auf dem Nachnamen; also der POLLingerHans, die WEIserVeronika.