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24.7.2004 8:13 PM CET
Gelernt 2: Der Wiener ist unwiderstehlich

Naglergasse

Auf leutselige oder gar joviale Menschen reagiere ich reflexartig mit Distanzierung (Herrgott, dann bin ich eben deutsch). Wie ich jetzt weiß, gibt es Ausnahmen: Wiener. Die ignorieren meinen Schritt nach hinten einfach und tun so, als hätte ich sie offen angelächelt. Und so kann ich gar nicht anders, als es auch zu tun - sie offen anzulächeln.

Im Café Central (Herrgott, dann bin ich eben Touristin) geht der Herr Klavierspieler, dem eben noch Ernst Fuchs überschwänglich die Hand geschüttelt hat, auf UNS zu, um uns ein wenig über das Gebäude und Peter Altenberg zu erzählen. Fragt nach unserem Woher und Wohin, gibt uns das Gefühl, interessant und willkommen zu sein.

Auf dem Zentralfriedhof (ja eh) sehen wir eine Dame mit einem kleinen Käfig, die aus einer Ruine ganz offensichtlich ein Tier lockt, mit geduldigen und zärtlichen Rufen. Kurz darauf fährt sie in ihrem goldenen Golf an uns vorbei, hält an und steigt aus. Als ich schon befürchte, wir dummen Touris hätten irgendwas angerichtet, erzählt sie aufgebracht, was sie da eigentlich gemacht hat: Vor dem Urlaub setzten zahllose Wiener ihre Katzen einfach auf dem Zentralfriedhof aus. Und SIE müsse sie dann mühevoll wieder einfangen. Wir äußern unser Mitgefühl, schütteln mit ihr den Kopf über diese Unmenschen. Sie zeigt uns noch das eben eingefangene Kätzchen, setzt sich wieder ins Auto und fährt weiter. Ganz offensichtlich musste sie ihre Empörung einfach mit irgend jemandem teilen.

Das ist etwas ganz anderes als die vorsichtige und oberflächliche Konversation mit Fremden, wegen der ich ja die Engländer so schätze, und die meinem Distanz liebenden Naturell eher entgegen kommt. Aber zum Schmelzen brachte mich dann doch diese aktivere und liebevolle Wiener Art.


Kommentare: 2 Kommentare

Ich hatte unlängst eine ganz ähnlich erfreuliche Erfahrung mit abweichendem Kommunikationsverhalten, und das mitten in Nordeutschland auf dem (mäßig) platten Land im Flecken Plüschow, unweit von Wismar. Da geht man, den Bahnschalter suchend, an einem alten Dorfsbahnhofsgebäude vorbei, weit und breit nur ein Haus, winkt auf dem Rückweg, denn es ist verschlossen, dem Mann von nebenan zu, der in seinem Garten senst. Ja, senst. Warum man da bei ihm so halb über das Gelände gepirscht ist, was auch seine beiden Hunde nur so mittel fanden. Der kommt rüber, bleibt stehen, sagt "Jo, früher hatte ich ja selber den roten Hut auf", steckt sich eine an und erzählt von seinem Leben als Bahnwärter inmitten der Mecklemburger Felder. Eigentlich wohnte seine Frau in dem Haus neben dem Bahnhof, auch sie Bahnwärterin, er lernte sie 1967 kennen, verliebte sich und zog dazu. Und war dann auch Bahnwärter ("war ja auch schön für die Kinder..."). Bis dann vor vier Jahren die dumme DB den Bahnhof dicht machte. Sehr zurückhaltend, aber offen und freundlich und überzeugt, dass man sich für sie interessiert kam ich an nur einem Wochenende mit einigen Leuten rund um das Dorf ins Gespräch. Besonders nett und zuhause fühlt man sich dann, wenn man irgendwo langfährt und ein kurzes Winken austauscht. Wirkt sich der kuschelige Ortsname irgendwie auf Naturell der Einwohner aus? Geheimnisvoll.

Ich habe eine Wiener Erinnerung, die mich seit 25 Jahren begleitet: eine richtig nette, aber wirklich strahlend nette Kellnerin. Die war so freundlich, dass ich ihr Laecheln immer noch vor mir sehe. wir haben nur einen Kaffee bei ihr getrunken, aber sie war schlicht unvergesslich sympathisch.