Reality Check
Dienstag, 21. Juli 2009 um 10:41Mich trotzig aus dem Hauen und Stechen um den aktuellen Vodafone-Werbespot rauszuhalten, das habe ich also genau bis jetzt geschafft.
Nein, für wichtig halte ich den Spot nicht. Hätte ich ihn durch das Online-Huha nicht vorher schon gekannt, hätte es mich wahrscheinlich beim ersten Sehen im Fernsehen ganz schön gerissen: Das ist doch der Lobo! Das ist doch die Schnutinger! (Die ihrem Sohn vorsingt „You will be queen“? Lustig!) Dann hätte ich gedacht: Kapier’ ich nicht.
Imagewerbung, also Werbung, die weder Produkt noch Dienstleistung anpreist, trifft ja ungefähr so präzise Aussagen wie moderner Ausdruckstanz: Ich liebe es. Make the most of now. Es ist deine Zeit. Same difference. Ich sehe im aktuellen Spot vor allem eine Menge Menschen, meist junge, die bei Musik und vor allem unter vielen anderen Menschen einen Heidenspaß haben. Also so ähnlich wie die Werbungsmenschen beim Colatrinken oder Chipsessen. Weswegen, das bleibt offen.
Seither tobt in meinem Wahrnehmungsausschnitt des Internets ein Schlagabtausch von beispielloser Gehässigkeit und Niedertracht. (Na gut, mindestens ein Beispiel fällt mir ein. Ich will mich nicht genauer daran erinnern.). Dabei ist – neben Umgangsformen – eines untergegangen: Die Vodafone-Kampagne wird künftig als Erfolgsgeschichte gehandelt werden. Sie wird als Case Study in kommunikationswissenschaftlichen Aufsätzen analysiert, in Management-Seminaren als Best Practise präsentiert werden. Dieser unser Wahrnehmungsausschnitt des Internets ist da draußen völlig irrelevant.
Ich wage diese Prognose, weil ich regelmäßig da draußen auf Seminare geschickt werde. Soll ich Ihnen die Erfolgsgeschichten nennen, die so sicher wie das Amen in der Kirche seit ein paar Jahren jedesmal auftauchen, wenn es um die bestmögliche gewerbliche Nutzung des WWW geht?
– Jamba und die Gebrüder Samwer
– StudiVZ / SchülerVZ
– Horst Schlämmer für VW
Merken Sie was? Das sind genau die Projekte, die in meiner Wahrnehmungsblase als verachtenswert und die totalen Katastrophen gehandelt wurden. Die Entscheidungen treffende Welt da draußen sieht das offensichtlich anders.
18 Kommentare zu „Reality Check“
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21. Juli 2009 um 10:51
yep.
21. Juli 2009 um 11:26
Sicher ist das so. Aber solange ich mir eine bessere Welt vorstellen kann – ohne die von Ihnen erwähnten, öh, Helden – bleiben solche Diskussionen wichtig, mögen sie auch vordergründig auf einen kleinen Kreis beschränkt oder völlig fruchtlos sein. Hauptsache nicht furchtlos.
(Und natürlich muß ich immer shclucken, wenn unsere Azubis mit leuchtenden Augen von der Gehirnwä… äh Seminaren zurückkehren und verklärt von “Google-Optimierung” reden. Ich geh dann erstmal Kaffee kochen oder in den Park, die Enten betrachten.)
21. Juli 2009 um 11:39
Ich möchte mich kid37 anschließen und ergänzen: Um dieser “besseren Welt” jemals näher zu kommen ist diese Art gottergebene Resignation nicht unbedingt hilfreich. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die “Entscheidungen treffende Welt” dies eines Tages vielleicht doch begreift.
21. Juli 2009 um 11:43
Nein, Foxxi, ich resigniere keineswegs: Die Niedertracht des Hauens und Stechens trifft mich sehr. Ein echter Misserfolg wäre die Kampagne durch folgenloses Verpuffen gewesen.
21. Juli 2009 um 12:42
welt da draussen: damit darf auch österreich gemeint sein, oder? ich habe mir den spot eben angesehen und abgesehen davon, dass ich kein einziges gesicht kenne, finde ich ihn völlig belanglos. schon lustig, wie unterschiedlich etwas rezipiert wird, wenn man jemanden (aus offenbar anderen zusammenhängen – blogsphäre?) kennt – oder eben nicht. vielleicht ging’s aber auch gar nicht darum?
21. Juli 2009 um 13:00
Küss’ die Hand, Frau Kaltmamsell! Schön, Sie wieder zu sehen. Fast noch schöner, Sie zu lesen. :-) Und: Recht hamm’ Sie!
w.
21. Juli 2009 um 13:27
Wenn man nicht zuvor schon weiß, wofür geworben wird, hat man keine Ahnung vom beworbenen Sujet, denn dieses wird definitiv nicht vermittelt. Ich hätte mich gefragt, warum der Sascha Lobo in dem Spot mitwirkt, aber auch nur, weil unlängst ein aktuelles Foto von ihm anlässlich eines Interviews im “Rondo”, der Freitagsbeilage des “Standard”, zu sehen war, und hätte danach vermutet, es könne sich um Werbung für einen Internetprovider handeln. Worum geht es wirklich ?
21. Juli 2009 um 13:41
Mir ist es schlichtweg egal ob eine Werbekampagne Erfolg hat oder nicht und dass mir Unternehmen wie Vodafone nicht sympathisch sind tut auch nichts zur Sache.
Mir geht es um den Inhalt der Kampagne und deren Vorgeschichte (Stichwort natürlich Zensursula) und das kreide ich an. Dass Lieschen Müller das nicht unbedingt verstehen muss ist mir auch bewußt, aber ich werde in meinen Bemühungen von Menschen vorgeführt, die ich eigentlich als Verbündete angesehen habe. Darin zeigt sich die Niedertracht und ich glaube eben eher an “wie’s in den Wald schallt …” als an das Prinzip der anderen Backe, will man wirklich mal etwas verändern …
21. Juli 2009 um 15:35
Okay, meine Kampagne zur Werbungsvermeidung hat scheinbar funktioniert. Welcher Werbespot? Welcher Schlagabtausch? Hm.
21. Juli 2009 um 17:34
Nachtrag: Ich habe dann, neugierig wie ich bin doch auf den Link geklickt und siehe da, ich kannte die Werbung doch schon. Wusste bloß nie wofür geworben wird.
21. Juli 2009 um 19:31
Und wer ist Sascha Lobo? Ist es schlimm, wenn man den nicht kennt? Noch nie von dem gehört hat? Erstens, weil ich sowieso keine Werbung schau und bei so einem nervigen Teeniequietschie-Zeugs sofort wegzappe; und zweitens weil mich diese ganze Kommunikationshysterie eh kalt läßt. (Kommunikation? Das soll Kommunikation sein, bzw der Kommunikation dienen?) Komm’ ich jetzt in den Gulag?
21. Juli 2009 um 19:48
Nein, Paul Revere, ich fürchte, Sie dürfen nicht stolz darauf sein, Sascha Lobo nicht zu kennen: Ich habe ihn auf Best-of-the-Blogs-Verleihungen kennengelernt und zuletzt auf der letztjährigen Twitter-Lesung in Berlin gesprochen. Hier also die Antwort auf Ihre Frage “Und wer ist Sascha Lobo?”: Ein Bekannter von mir.
Zu den verschiedenen Formen von Kommunikation und den verschiedenen Verwendungen des Begriffes gibt ganz sicher das so genannte Internet eine Menge her.
(“The British are coming?”)
21. Juli 2009 um 20:12
Meine akute Wahrnehmung, nachdem ich den Artikel bei Spon und die Kommentare in dem Vodafone-Blog gelesen habe, ist: Diese paar Blogger-Heinis nehmen sich aber verdammt, verdammt wichtig. Und natürlich geht das Abendland unter (das tuts ja jeden zweiten Tag, mindestens).
– Und ich teile Ihre Auffassung: Da draußen interessiert das…
…gar keinen.
Viele Grüße, Finchen
21. Juli 2009 um 21:57
Ganz richtig bemerkt. Nur jene, die sich darüber aufregen, merken kaum, dass sie in der Minderheit sind. Sie könnten es feststellen, wenn sie mal die Augen vom Bildschirm nehmen würden. Nebenbei: Kann man in ältere Internetseiten auch Fisch einwickeln?
22. Juli 2009 um 1:18
Au Mann… entschuldigen Sie die schludrige Wortwahl, aber so langsam geht mir dann doch die Hutschnur hoch. Und zwar wegen der durch nichts begründeten Vermutungen von allerlei Werbekonsumenten und sonstigen Meinungsträgern, eine Kampagne würde erfolgreich genannt werden können, weil sie es schafft, im Gespräch zu sein. Für Aufmerksamkeit zu sorgen. Pardon, aber… NEIN, das allein macht eine Kampagne, noch viel weniger eine Marke, NICHT zum Erfolg. Warum? Nun, nehmen wir an, ich buche für eine Marke wie Mercedes Benz einen kompletten Werbeblock, in dem ich nichts anderes zeige, als eine Menge Menschen, die fröhlich auf die Straße, besser noch, auf einen Tisch in einem noblen Restaurant kacken. Wahnsinn. Wieviel wird darüber geredet werden?!
… ok, und wer glaubt jetzt ernsthaft, dies wäre zum Vorteil der solcherart EXTREM aufmerksamkeitsstark werbenden Marke?
Geht es um Produkte, die einen Impulskauf auslösen sollen und sich im hart umkämpften Aufmerksamkeitsmarkt der austauschbaren, low-interest-Produkte einen Vorteil verschaffen wollen: dann, in der Tat, ist auch schlechte Publicity gute Publicity. Weil sich der “ist doch egal”-Konsument im Zweifelsfall wenigstens an die eigene Marke erinnern wird, ganz egal, WIE sie ihm präsent gemacht worden ist. Aber… geht es um etwas Sensibles wie Vertragsbindung, Telefon-/Datentarife usw. usf. … dann zieht das Argument der unglaublich präsenten Marke erwiesenermaßen unglaublich schlecht. Hier geht es dann nämlich auch, tatsächlich einmal, um Emotionen, um Werte, die man einer Marke zuschreibt. Wer in einem solchen Feld negativ auffällt – der wird unter negativ gespeichert, nicht unter auffallen.
… wenn die Kampagne dem normalen Kunden dort draußen ÜBERHAUPT auffällt. Ist meiner Meinung nach schwer zweifelhaft, denn er wird kaum eins der Testimonials kennen und über den Blogosphären-Streit ohnehin nur desinteressiert mit den Schultern zucken.
Mal davon abgesehen: es ist nicht lange her, da war Vodafone (oder eine der Vorgängermarken) die unangefochtene Nummer Eins im deutschen Mobilfunk-Markt. Eine Aktualisierung der Marke in Konsumentenköpfen durch lautstarkes Herumgröhlen war nicht unbedingt das nötigste. Und schon gar nicht das klügste.
…und es ist auch kein Zufall, dass S&F aktuell eher mal radikal schlecht dasteht, was die Zufriedenheit auf Auftraggeberseite angeht ;) Meine Meinung deshalb: nix Erfolg… sondern deutliches FAIL.
22. Juli 2009 um 7:02
Nichts Neues, M., und trotzdem wette ich (und ich wette selten), dass die Aktion als Erfolg in die Geschichte eingehen wird – und es zählt, was in die Geschichte eingeht, nicht, was wirklich war. Sie werden Klickzahlen und Kontakte aufzähen, Aufmerksamkeitsanteile, User, Traffic, Berichterstattung in allen Medien mit Gegenwert in Anzeigenpreis – und es wie einen Meilenstein aussehen lassen. Spätestens in der Winter-Konferenzsaison werden die ersten Jubel-Präsentationen auftauchen.
22. Juli 2009 um 7:26
Nun Frau Kaltmamsell, dann wissen Sie ja was dann zu tun ist …den Leute erzählen was wirklich dahintersteckt ;-)
22. Juli 2009 um 11:45
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Genau!
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