10 Irrtümer über Feminismus – Teil 2
Freitag, 14. August 2009 um 8:39Feministinnen verleugnen ihre Weiblichkeit
Richtig ist: Feministinnen lassen sich nicht vorschreiben, wie Weiblichkeit aussieht – dick / dünn, Stöckel / Turnschuhe, lange Haare / kurze Hare, lange Fingernägel / kurze Fingernägel, laut / leise, sanft / aggressiv, passiv / aktiv… Sie leben ihre ureigene, individuelle Weiblichkeit. Das hat allerdings gerne mal zur Folge, dass sie nicht dem westlichen Frauenstereotyp entsprechen.
Feminismus ist gleich Alice Schwarzer
Alice Schwarzer ist sicher bis heute die bekannteste Vertreterin des Feminismus im deutschsprachigen Raum. Dass sie das seit 30 Jahren ist, dass seit 30 Jahren keine andere Frau so eng mit Feminismus verbunden wird, dass immer noch Frau Schwarzer für alles herhalten muss, macht mich zwar traurig und müde – man kann es aber wirklich nicht Alice Schwarzer anlasten.
Frau Schwarzer wird in Medien und Gesellschaft mehr Deutungshoheit zum Feminismus zugeschrieben als dem Papst zum Katholizismus. Bloß weil Papst Woytila das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten verurteilt hat, geht man ja nicht davon aus, dass katholische Kirchensteuerzahler vfortan nie mehr an evangelischen Abendmahlen teilnehmen. Wie kommt die Öffentlichkeit also auf die Idee, dass alle Feministinnen Pornografie ablehnen? Oder bis heute alle Ungerechtigkeiten zwischen Geschlechtern auf „das Patriarchat“ zurückführen?
Mittlerweile bin ich überzeugt: Sollte herauskommen, dass Frau Schwarzer keine Mettwurstbrötchen mag, wäre innerhalb weniger Monate gesetzt, dass Feministinnen Mettwurstbrötchen ablehnen. Auch in diesem Fall: Das ist nicht Alice Schwarzer anzulasten.
Feminismus bedeutet Verbote
Gegen Reifenwerbung mit nackten Frauen, gegen die Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen mit Familie, gegen häusliche Gewalt, gegen Homophobie, gegen Stereotypen – Feminismus scheint vor allem in seinen Kämpfen gegen alles mögliche wahrgenommen zu werden. Widerspruch ist halt deutlicher zu hören als Schulterklopfen oder Nicken. Dabei geht es in erster Linie darum, Frauen zu bestärken, dass sie in all ihrer Verschiedenheit so sein dürfen, wie sie sind. Dass sie sich nicht einreden lassen müssen, sie seien zu dick, zu hässlich, zu sexy, zu schlau, zu dumm, zu laut, zu leise.
Feminismus ist altmodisch
Umfragen belegen, dass die Mehrheit in unserer Gesellschaft diese Ziele begrüßt: Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, Bekämpfung häuslicher Gewalt, Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, mehr Frauen in Führungspositionen. Das sind feministische Kernziele – und die finden Sie altmodisch?
Feministinnen halten aus weiblicher Solidarität zusammen
Das Klischee der großen Schwesternschaft steht in unlösbarem Konflikt mit dem Stereotyp, dass Frauen alle anderen Frauen als Feindinnen sehen und bekämpfen. (So, wie das Klischee der typisch männlichen Kameradschaft und Seilschaft gegen das Klischee des typisch männlichen Konkurrenzdenkens steht – man kann sich ja nicht mal mehr auf die Durchgängigkeit von Stereotypen verlassen!)
Wie jede kritische, reflektierte und skeptische Haltung ist die Feminismus-Diskussion nie abgeschlossen. Daraus folgen auch eine Reihe Kontroversen. Nachdem ich lange beheult hatte, wie bunt und vielfältig der Feminismus im englischsprachigen Raum im Vergleich zum deutschsprachigen ist, wurden vor knapp zwei Jahren endlich auch hierzulande neue Feministinnen sichtbar, jung und eigenwillig (juhu, Mädchenmannschaft!), die die Diskussion anfachten. Und prompt von länger aktiven Feministinnen attackiert wurden. Ich habe mich sehr über dieses neue Leben in der Bude gefreut.
Mein tiefer Dank an Jessica Valenti und ihr Buch Full Frontal Feminism für die Argumentationshilfe.
die Kaltmamsell16 Kommentare zu „10 Irrtümer über Feminismus – Teil 2“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
14. August 2009 um 12:22
vortan? oder doch fortan?
Zitat: Mittlerweile bin ich überzeugt: Sollte herauskommen, dass Frau Schwarzer keine Mettwurstbrötchen mag, wäre innerhalb weniger Monate gesetzt, dass Feministinnen Mettwurstbrötchen ablehnen
hat mich besonders amüsiert. Auch sonst: gern gelesen! Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
14. August 2009 um 12:48
Huch, tausche v gegen f – danke für den Hinweis, Brigitte Novacek.
14. August 2009 um 12:50
Hach, schöne Posts. Feminismus kommt mir ansonsten langsam vor wie das F-Wort. Darüber redet man doch nicht!
Und am stinkigsten werde ich bei dem nächsten Satz, der dann kommt : “Feminismus brauchen wir doch nicht mehr.” Klar. Und als nächstes glauben die Leute, Männer hätten einfach kein Bügel-Gen. Und wenn mein Mann sagt, dass er bei uns zuhause jeden Tag kocht, denken die Leute, das seien dann zwei Tage die Woche und ich würde die Küche aufräumen. Äh, ne, jeden Tag ist jeden Tag und er räumt auch noch die Küche auf, was eine echte Schweinerei meinerseits ist. Ich arbeite aber schon an der Gleichberechtigung im Haushalt, versprochen.
14. August 2009 um 13:43
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
*******************************************************
14. August 2009 um 19:33
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
*******************************************************
14. August 2009 um 21:53
******************KOMMENTAROMAT**********************
Genau!
*******************************************************
14. August 2009 um 22:30
Schöne Paarung in meinem Feedreader:
10 Irrtümer über Feminismus -Teil 2 Vorspeisenplatte
10 things we didn’t know last week – BBC NEWS
15. August 2009 um 2:48
Und noch ein Irrtum über den Feminismus: Frauen brauchen keinen Feminismus. So wie Männer sich selten hinter ihrem Geschlecht verstecken. Gleiche Rechte gibt es seit Jahrzehnten, wenn es denn nicht gelebt wird, und die Frau eben nicht wie ein Mann Karriere macht (was ihrer Gesundheit und ihrem Glück sicher nicht schadet), wenn die Frauen weniger verdienen weil sie weniger um das Geld kämpfen, weil die Arbeit mit Menschen ihnen wichtiger ist als die Arbeit mit Prozessen oder Technologien, wenn das Durchschnittsgehalt einer Berufsgruppe sinkt sobald der Frauenanteil steigt – dann hilft kein Feminismus. Dann kann man einfach mal anerkennen, daß Männer und Frauen unterschiedliche Strategien im Leben verfolgen. Seit Jahrzehnten wird versucht den neuen Menschen zu schaffen, mit dem Erfolg, daß Mädchen noch immer mit Puppen und Pferden spielen und Jungs Ritter, Piraten und Kämpfer sein wollen.
15. August 2009 um 17:41
@Susanne: Genau! Mit Feminismus wird häufig ein radikaler Ansatz verbunden, und dann heißt es Frauen tragen heute schon Hosen und gehen arbeiten und sind daher bereits gleichberechtigt. Sonst brauchen wir F nicht. Aber bitte schön: Wie viele Männer halten immer noch die Türen auf? Wie viel Prozent Frauen sind Führungskräfte? Wer spricht eigentlich von einer Doppelbelastung der Männer mit Arbeit und Haushalt? Nicht dass eine Arbeitsteilung nicht auch ihre Vorteile hätte und die offene Türen Energie sparen, aber Gleichberechtigung sieht nun mal anders aus.
15. August 2009 um 23:57
******************KOMMENTAROMAT**********************
Made my day
*******************************************************
17. August 2009 um 9:33
http://www.sueddeutsche.de/leben/697/484137/text/
17. August 2009 um 9:48
schubidu:
http://maedchenmannschaft.net/selbermach-sonntag-16-08-09/#comments
18. August 2009 um 15:12
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
*******************************************************
19. August 2009 um 0:04
Ich werde das alles in Globuli, äh Globo verlinken, sobald die Serie beendet ist. Oder ist sie als Fortsetzung auf Weiteres angelegt?
Etwas Marketing kann der Feminismus wahrlich vertragen!
Und ein paar kleinere Unglücke aus ihrem Kerngeschäft laste ich Alice Schwarzer schon an: Z.B. dass EMMA mit dem Einzug der Tierrechte in den redaktionellen Teil viel Platz von Frauen zu Tieren verschoben hat und auch, dass Schwarzer keine Nachfolge für EMMA gefunden/aufgebaut/behalten hat.
19. August 2009 um 6:49
Mit Teil 2, Tanja, sind die zehn beisammen, die mich seit Jahren verfolgen – ich würde mich über eine Verlinkung freuen!
3. September 2010 um 17:50
Männer sind nicht stubenrein