Kulinarische Peinlichkeiten

Freitag, 18. Dezember 2009 um 9:19

Selbst-Bashing – das geht immer. Auch wenn’s bei mir einfach nicht so lustig klingen will wie bei Kabarattisten oder bei Claudio.
(Der Mitbewohner hat ja die Theorie, dass Selbst-Bashing auf der Basis aufrichtigen Selbsthasses nie lustig sein kann, weil es ernst gemeint ist und sich zu wichtig nimmt.)

Was an meinem Essverhalten passt also gar nicht zu meinen kulinarischen Idealen? (Bis ich die Größe erreiche, mich nicht mehr dafür zu rechtfertigen, brauche ich leider noch ein paar Leben.)

1. Immer: Süßstoff
Meine schlimmste Sünde und allein schon Beleg eines Hangs zur Zwanghaftigkeit. Wenn ich wollte, könnte ich mich darauf hinausreden, dass meine Mutter mich mit Süßstoff großgezogen hat (weil sie mich ab meinem vierten Lebensjahr für zu dick hielt und bis zu meinem Auszug von daheim auf Dauerdiät setzte). Nur habe ich doch auch sonst nicht alle Ernährungsgewohnheiten meines Elternhauses übernommen. Tatsache ist: Ich mag meine Tee- und Kaffeegetränke gerne süß. Beim Gedanken, all diese Süße in Form von großen Zuckermengen zu mir zu nehmen, bekomme ich Panikattacken und spüre bereits den kneifenden Hosenbund. Zumindest bin ich konsequent genug, mir edle Tees und edles Teegeschirr vorzuenthalten.

2. Immer: Salatcreme aus der Tube oder aus dem Glas
Ich liebe den Geschmack von Majonese und kleistere gerne gekochte Eier oder rohes Gemüse damit zu. Mein Gaumen ist fein genug, dass ich ihn sogar in der hochindustrialisierten Version der Salatcreme herausschmecke. Und mir deshalb nicht jedes Mal selbst eine machen muss.

3. Immer: Kantinenessen
Unsere Kantine kocht durchaus gut, es handelt sich also keineswegs um Junk Food. Doch ich bin mir sehr bewusst, dass das Fleisch und das Gemüse, die dort verarbeitet werden, niemals meinen Herkunftsansprüchen genügen würden. Ich esse trotzdem täglich dort.

4. Manchmal: Supermarktfleisch
Wenn ich kurzfristig eine Rindersuppe oder Schmorfleisch plane, bin ich oft zu faul, eigens den Biometzger aufzusuchen. Und greife nach der abgepackten Ware in der Kaufhaus-Feinkostabteilung, in der ich nach der Arbeit eh vorbeigeschaut habe.

5. Manchmal / immer: Fertigblätterteig
Manchmal, weil ich alle Jahr mal Blätterteig verarbeite. Immer, weil ich mich dann im
Kühl- oder Gefrierregal bediene – obwohl die Zutatenliste mehrere Zentimeter lang ist und an keiner Stelle „Butter“ aufführt.

6. Manchmal: Dosenthunfisch
Auch hier reine Faulheit. Wenn ich keinen ökologisch korrekt gefangenen daheim habe, nehme ich auch mal den nächstbesten.

7. Manchmal: Billig-Chinese ums Eck
Mein persönliches Pendant zu Fast-Food-Ketten.

8. Manchmal: Dosenobst
Dabei habe ich tatsächlich gar kein schlechtes Gewissen: Manche Gerichte gehören einfach mit Dosenobst zubereitet, zum Beispiel Trifle. Wegen der Tradition.

9. Manchmal: Billigschokoladeneier
Sie kennen diese kleinen, massiven Schokoladeneier in buntem, unbeschrifteten Stanniol, die netzweise verkauft werden?

10. Immer: Glühwein am Christkindlmarkt
Er ist überteuert, er ist zu süß, er macht viel zu schnell betrunken – aber mindestens einmal pro Saison muss er sein.

die Kaltmamsell

20 Kommentare zu „Kulinarische Peinlichkeiten“

  1. Milla meint:

    Oh, verehrte Frau Kaltmamsell,

    da kann ich, obwohl Slowfood-Mitglied sofort in den Chor einfallen:
    1. Ich liebe Maggigeschmack. Meine klaren Suppen sind nach dem Nachwürzen manchmal dunkelbraun statt goldgelb.
    2. Ich liebe pulverisierte Hühnersuppe aus dem Glas. Fast täglich. Trotz dieser heftigen
    Salzgaben steigt mein Blutdruck nicht über 100/70. Kann an der Salz/Bluthochdruck-Theorie schon mal nicht viel dran sein.
    3. Ich liebe fettes Fleisch. Heutzutage wagt man nicht zuzugeben, dass man Fleisch mag und ißt , es gelten nur wenige und dann die mageren Sorten als politisch korrekt. Nie würde ich den Fettrand am Kotelett (überhaupt! Kotelett!) abtrennen und ich muss
    mich zusammereißen, vom fetten Suppenfleisch nicht direkt nach dem Kochen einen
    Batzen abzureissen. Sehr steinzeitmäßig, irgendwie. Und unweiblich.
    Beste Grüße, Milla

  2. togibu meint:

    @Milla:
    Warum muss man sich heutzutage rechtfertigen, wenn man fettes Fleisch mag? Bloss weil der Zeitgeist suggeriert, dass das was ganz ekliges ist? Ich finde, nicht. Tatsächlich schmeckt es doch viel besser, als das trockene, harte (nur halt korrekte) magere Fleisch.
    Das selbe gilt doch für Innereien. Die haben wenigstens Eigengeschmack (Im Gegensatz zum Magertrockenfleisch). Man muss ja nicht alles mögen, aber die generelle Ablehnung haben diese Teile nicht verdient.
    Das muss doch mal gesagt werden.

    @Kaltmamsell
    Nobody is perfect, und niemand ist absolut konsequent. Seien Sie nicht so streng mit sich.

  3. katha meint:

    also die billigschokoladeneier finde ich schon lustig. dass der rest nicht diesem kriterium entspricht, scheint mir daran zu liegen, dass es bloss moralisch “verwerfliche” nennungen sind – und nichts dabei ist, was wirklich und allgemein bekannt grauslich oder pervers schmeckt (mein von mir bei claudio genannter toast hawaii fällt da schon eher hinein). wobei: süssstoff, das ist ja ein echtes bekenntnis. sowas würde ich im leben nicht verwenden, scheue ich wie der teufel das weihwasser (endlich passt dieses schöne bild mal).

  4. loreley meint:

    Wenn man dem Ernährungswissenschaftler Pollmer glauben darf, wird Süssstoff in der Tiermast verwendet, um den Appetit der Tiere anzuregen.

    Dass mir fast alles Süsse inzwischen zu süss ist, habe ich einem Freund zu verdanken, der mich kritisierte, dass ich Tee mit Zucker verfälsche. Ich habe ihn dann weggelassen und tatsächlich schmeckte er viel besser. Nach und nach merkte ich, dass vor allem die billigeren Kuchen, Eiscremes, Konfitüren, etc., nur süss sind und sonst gar nichts. Zucker ist einfach ein billiger Rohstoff, ich glaube, der Anbau von Zuckerrüben wird sogar subventioniert, was schon ein Unding ist. Beim Essen und Trinken ist viel Gewohnheitssache. Auch die Portionen oder eben der Grad des Süssen.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Ich wünschte, mir ginge es auch so, loreley: Selbstverständlich habe ich Tee und Kaffee auch mit weniger oder gar keinem Zucker versucht – schmeckt mir nicht. Da bin ich wie die Ferkel (das ist nämlich der tatsächliche Grund der Verwendung von Süßstoff in der Tiermast: das Futter schmeckt den Viechern süß besser).

  6. Helga meint:

    Also mit der Hälfte dieser Punkte haben Sie mich ehrlich überrascht. Ich gestehe, ebenfalls Fertigblätter- und Strudelteige zu verwenden. Und ich habe eine geheime Leidenschaft für Dosenthunfisch, die manchmal auch gestillt werden muss. Um mein schlechtes Gewissen dabei zu beruhigen, mit der Biovariante. Und Ketchup.

    Das mit dem Süßstoff würde ich Ihnen gerne ausreden. Erstens verfälscht er den Geschmack. Und zum anderen wirkt er nicht nur bei Tieren appetitanregend, sondern nach diversen Studien auch beim Menschen. Also die paar Kalorien, die man sich im Tee spart, kommen zigfach auch andere Art rein.

  7. Sanníe meint:

    Aber Süßstoff hat doch so inen ekligen Nachgeschmack, das geht nicht.
    Sagt jemand, der H-Milch Frischmilch vorzieht.

  8. die Kaltmamsell meint:

    Die deutsche Gesellschaft für Ernährung, Helga, meint: “Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise für einen dick machenden Effekt von Süßstoffen.” Wie eben auch die Mär vom Mastmittel nicht stimmt.
    Aber ich habe ja zugegeben, dass ich in dieser Beziehung unter einer gewissen Zwanghaftigkeit leide, die nicht rational erklärbar ist.

  9. katha meint:

    das ist unlogisch: wozu sollen appetitanregende süssstoffe im schweinemastfutter (dieser teil der mär ist keine) denn sonst gut sein als zur (rascheren) gewichtszunahme der tiere? natürlich machen sie nicht per se dick, sondern als folge.

  10. Stefan meint:

    @Katha: einfach zur Aromatisierung des Futters?

  11. katha meint:

    und warum soll es ihnen besser schmecken, den schweinderln? eben.

  12. Claudio meint:

    Ich reiss jetzt nicht das Kapitel “Zucker, egal in welcher Form, ist Gift für dich” auf, obwohl mein Osteopath jedes Mal seinen Finger in diese Wunde steckt – nur kurz zwar, aber dafür heftig. Lieber möchte ich dir den Rat nahe legen: Honig. Ich musste nur ganz wenige Sorten durchprobieren, bis ich fündig wurde. Das Erstaunliche, es reicht schon ganz wenig. Generell aber mag ich mittlerweile die meisten Tees ungesüsst. Bei Espresso ist das jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. Hier heisst meine Devise: 1 von 2 Espressi bleit ungesüsst, punkt. Der andere (starke, kurze) bekommt weissen Zucker, 2 Löffel.

  13. Stefan meint:

    Ja, Katha, aber die Schweine werden nicht durch den Süßstoff dick, sondern durch das besser schmeckende Essen. Das wäre mit Zucker sicher auch zu erreichen. Der Süßstoff kann auch gar nicht in allzu großer Menge gegeben werden, denn er wirkt (oft) abführend.

  14. Stefan meint:

    @Claudio: Man kann Espresso mit Zucker trinken?

  15. Claudio meint:

    Ich spreche von kaudickem, extrem konzentriertem, keine zwei Finger hoch in dickwandige heisse Tässchen gefülltem italienischem Espresso. Ja, natürlich, Stefan. Wirkt wie ein Geschmacksturbo.

  16. Stefan meint:

    Claudio: Andere Arten des Espresso kenne ich gar nicht. Für mich bitte doppelt, ohne Zucker, nur mit einem kleinen, leichten, süßen Gebäck.

  17. croco meint:

    Der Kaffee muss schwarz wie die Nacht,
    heiß wie die Hölle und
    süß wie die Sünde sein.

    Tät ich mich ärgern, wenn ich achzig würde und nicht genügend süßen Kaffee getrunken hätte.
    Und die Peinlichkeiten sind nur welche, weil gerade was anderes Mode ist.

  18. Franz D. meint:

    Ohne Genuss, ist das Leben schon Schluss
    Ohne Freunde keine Feinde
    und ohne Sünde keine Erlösung.
    Sie sind ein liebenswerter Mensch, stehen Sie zu Ihren “Fehlern” es sind keine, es sind
    nette Eigenschaften.
    Frohe Weihnachten!

  19. mariong meint:

    ja witzig, überall wo Sie “immer” hingeschrieben haben könnte bei mir “nie nie wieder” stehen.
    ansonsten: nobody is perfect.
    Unser halber Adventsteller ist voll mit Plätzchen nach Ihren Rezepten und sogar die Zitronenherzen konnten von einer 4-jährigen Küchenfee gebacken werden. Danke hierfür und für Ihr Blog, komme schon immer gerne zu Ihnen und es muss ja mal gesagt werden :-)
    Schöne Feiertage undsoweiter.

  20. die Kaltmamsell meint:

    Das freut mich aber, mariong, und ehrt mich!

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