Journal 17. Februar 2010
Donnerstag, 18. Februar 2010 um 6:31Bei der Mädchenmannschaft auf eine hochinteressante Frage gestoßen:
Wie erkennen Feministinnen einander?
Denn, so beobachtet Autorin Susanne ganz richtig: Lila Latzhosen sind ausgestorben. (Ich gestehe allerdings, dass ich sie nie gesehen habe, auch nicht in den 80ern.)
Gehe ich also mal in mich und frage mich, aus welchen Äußerlichkeiten ich bereit bin, feministische Tendenzen abzuleiten. (“I’m like my mother, I stereotype—it’s faster ….” Up in the air) Susanne nennt knallroten Lippenstift – nein, die Wirkung hängt in meiner Wahrnehmung von zu vielen weiteren Faktoren ab. Doch selbstbewusstes, starkes Auftreten wäre für mich ein Indiz, zudem völlige Abwesenheit von Kleinmädchengehabe. Ich fürchte das bedeutet, ich würde einer kichernden rosa Rüschenwolke automatisch feministische Neigungen absprechen. Je größer die Entfernung vom weiblichen (oder männlichen) Rollenstereotyp, desto eher vermute ich eine Mitfeministin, einen Mitfeministen. Was selbstverständlich bereits böseste Stereotypisierung ist. Kann denn ein schüchternes, piepsiges Pflänzchen ohne Durchsetzungskraft nicht auch feministische Überzeugungen haben?
Wie ist das bei Ihnen?
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Habe mich drei Stunden lang zu Online-Kommunikation besprochen, Arbeitsschritte festgelegt.
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Blaupausen meines Monsterprojekts geprüft (auch wenn man ein zehn Mal lektoriertes Dokument ein elftes Mal ansieht, findet man immer noch Fehler – gruslig).
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Komplett sportfreier Abend, also stieg ich am Odeonsplatz aus und bummelte noch ein bisschen durch die Fußgängerzone. Kurz vor Zuhause geriet ich in eine Horde Jesus-liebt-dich-Terroristen auf Kaltakquise (Gesang, Fahnen, Beleuchtung, drei Menschen versuchten mir Kärtchen in die Hand zu drücken, „ein Segen Gottes, schriftlich“) – die treiben sich eigenartigerweise bevorzugt auf dem Sendlinger-Tor-Platz herum.
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Der Mitbewohner, der diese Woche nicht in die Arbeit muss, erfüllte mir einen weiteren Wunsch: Kalbskottelet Cucina casalinga.
Schmeckte ganz ausgezeichnet, und der Verdejo aus Rueda (Marqués de Riscal 2008) passte hervorragend.
Wetter: Ich musste den ganzen Tag die Jalousien unten lassen – ich nehme also an, dass es sonnig war. Der Schnee auf Straßen und Wegen wird langsam weniger.
die Kaltmamsell16 Kommentare zu „Journal 17. Februar 2010“
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18. Februar 2010 um 9:31
Ja, man neigt dazu, eine offensichtliche Tussi nicht nur in emanzipatorischer Hinsicht für rückschrittlich, sondern auch für ein bißchen doof zu halten. Da kann ich mich nicht ausnehmen.
Ich selbst passe eigentlich nicht in dieses Bild, aber spiele manchmal damit, weil es hilfreich sein kann, unterschätzt zu werden :-)
18. Februar 2010 um 14:58
Ich hatte mal ne lila Latzhose, jawoll! -: Link
Und ich hab auch bei dieser Frauenhausbesetzung mitgemacht, in Linz. (Link) Mit besagter Hose. In genau diesem zarten Alter.
Wenn ich das Foto von mir damals betrachte, kann ich mittlerweile ein klein wenig nachvollziehen, dass mich die echten Feministinnen damals nicht für voll nahmen. Ich war ja ein Kind! Dennoch hat es mich geärgert. Es war nämlich weniger das Alter, das bemängelt wurde, sondern das Aussehen (neben besagter Latzhose Schminke, Miniröcke, Haarschmuck) und meine Weigerung, mich von der Männerwelt loszusagen.
Ich blieb nach wie vor feministisch, trieb mich aber nicht mehr so häufig in Frauencafes und Feministinnentreffen rum. Ich studierte was technisches und hatte und habe eine Menge Freundinnen, die ich auch als feministisch bezeichne, auch wenn sie nicht so aussehen.
Mein Feministenweltbild: Absolute Gleichberechtigung! Nicht mehr, nicht weniger.
Ob wir jetzt gleichartig sind oder ob es doch männliche und weibliche Eigenschaften gibt, ist mir ehrlich gesagt komplett egal. Da können sich Forscher, Kolumnisten und RomanschreiberInnen austoben. Solange daraus keine Rückschlüsse abgeleitet werden, die dann wieder zu einer Ungleichbehandlung und zu einer Chancenverschlechterung für wen auch immer führen.
Fazit: Nein, ich persönlich erkenne Feministinnen nicht am Aussehen. Ich versuch es aber auch nicht. Aber ich engagiere mich unter anderen in Projekten, die Frauen unterstützen sollen, auch technische Berufe und Studiengänge zu wählen.
Übrigens, kleine Geschichte am Rande: ich war in einem Mentorenprojekt an einer technischen Fakultät (Informatik, Maschinenbau, …). Überraschung: über 40% Frauen mit Migrationshintergrund (eine mit Kopftuch), nur ein kleiner Teil aus unserem vielgerühmten gleichberechtigten Deutschland.
18. Februar 2010 um 15:23
Respekt, l9, eine Frauenhausbesetzung ist ein Glanzpunkt im Lebenslauf – ich habe es gerade mal zum Zerpflücken frauenfeindlicher Bemerkungen im Schulunterricht gebracht (Biolehrer: “Das wird jetzt besonders die Mädchen interessieren, weil sie ja später mal eine Familie bekochen werden: Heute geht es um Lebensmittelgifte.”).
18. Februar 2010 um 15:59
Praktische Gleichberechtigung, das war meines.
Im Chemiestudium begegnete einem so einiges an Vorurteilen Frauen gegenüber.
Frauen würden ja sowieso bald schwanger. Dazu sind sie doch an der Uni, oder?
Nachdem er nur meine Klausuren mit Nachnamen, aber nie mein Gesicht gesehen hatte, hörte ich den respektvollsten Satz, dessen dieser Proff fähig war.
“Unter croco hatte ich mir immer einen jungen Herrn vorgestellt”
Verbal war ich immer vorne.
Doch Demos und so sind nicht meine Sache. Ich mag Menschen lieber auf Abstand.
Nein, ich erkenne Feministinnen nicht von außen.
Ich trug statt Latzhose eher Stöckelschuhe.
Heute glaube ich, dass mich das Uniformmäßige an den Hosen so abstieß, die hatten ja alle.
Ich beschäftige mich mit Gleichstellung im Beruf. Es ist mit wichtig, dass Frauen keine Nachteile haben durch ihre besonderen Lebensumstände. Ich setze mich aber auch für alleinerziehende Männer ein, eben Gleichstellung.
Wenig Erfolg habe ich bei der Ermutigung von Kolleginnen sich auf Beförderungsstellen zu bewerben, trotz großer Fähigkeiten.
Ich mache Mädchen Mut. Darin sehe ich meine Hauptaufgabe. Konventionelle Lebensentwürfe nicht als gegeben anzunehmen, andere Wege aufzuzeigen.
Und ich stimme Lisa zu: die Mädchen mit Migrationshintergrund wissen, was ich meine.
Meine rosafarbenen Tussi erreiche ich nicht.
18. Februar 2010 um 19:16
Sowas gibt’s? Ich bin beeindruckt.
Grundsätzlich schon, aber es verhält sich damit ein bisschen wie mit dem Hühnchen, ich sage jetzt bewusst: Hühnchen, das wölfische Überzeugungen hatte. Es ist süß, bringt aber nichts.
Danke der Nachfrage, Schwester. Ich finde, Feminismus ist Männersache.
18. Februar 2010 um 21:28
@l9!!: herzlichen Gruß von einer der späteren Nutznießerinnen der Linzer Frauenhausbesetzung!!!! (das Linzer Frauenzentrum ist mir wichtiger Treffpunkt!)
meine Latzhose war rot und unpolitisch, erst viel später beschäftigten mich gesellschaftspolitische Themen. Feministinnen erkennen? eine trug mal ein T-Shirt mit Aufdruck “cogito feminista sum” jahwoll!! : )
18. Februar 2010 um 23:09
Wenn man “Linzer Torte” sagt, ist das dann frauenfeindlich?
18. Februar 2010 um 23:25
Andre Thiele: Wenn man “Linzer Torte” sagt, ist das dann frauenfeindlich?
Es ist ein bisschen kindisch und weniger dada als man vielleicht denkt
Ich hatte auch mal eine LL und fühlte mich darin sehr sexy. Es war ca. 1976 und mir war nicht klar dass ich mich gerade als Feministin ausgewiesen hatte.
“Feminist” ist ein Oxymoron.
19. Februar 2010 um 7:05
Feminist ist ein Mann der sich für die Gleichstellung von Frauen einsetzt – was ist daran oxymorotisch? Allerding können bekennende Feministen einige Lieder davon singen, dass ihre Existenz bestritten oder bekämpft wird, zum Beispiel Thomas von der Mädchenmannschaft.
19. Februar 2010 um 11:18
Nein, ich glaube wirklich, dass ein piepsiges, geducktes Pflänzchen keine feministischen Grundüberzeugungen haben kann. Denn Nachdenken darüber und finden derselben bewirkt doch eine Veränderung (spätestens) im eigenen Verhalten zwangsläufig, oder?
19. Februar 2010 um 11:24
Der Feminismus ist doch zwei Feminismen.
Einmal der Feminismus als die Forderung nach der konsequenten rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Dieser erste Teil ist durchgesetzt, er ist das Normale geworden, das Normsetzende; hier gibt es sicherlich noch viel Bedarf an zäher Tagesarbeit, sehr viel sogar, aber wer sich dieser Forderung ernstlich in den Weg stellt, ist ein Idiot und zählt nicht. Die Vorzeichen in diesem Bereich haben sich umgekehrt.
Dann der Feminismus als der Chauvinismus der Frau. Dieser Feminismus betont die Besonderheit des weiblichen Geschlechts, ihre Überlegenheit hier, die Unterlegenheit der Männer dort, das wunderbare daran, Frau zu sein, etc. pp. Anfangs war das das Motivationsprogramm für den erstgenannten Feminismus, eine Quelle von Mut, gegen Mißstände anzugehen, Ursprungsort vieler lustiger Sprüche mit Fischen und Fahrrädern und soweiter. Dann aber hat sich das verselbständigt und wurde obskur.
Selbst wenn man dem zweiten, dem Panfeminismus etwas mehr Gehalt zubilligen will, als ich das tue: er ist zweifellos eine Theorie, die von Frauen verlangt, sich gegen Männer durchzusetzen, die annimmt, dass am Mann etwas ist, was ihn von Natur aus anders macht und gegen das frau sich durchsetzen muss. Und was will diese Theorie dann mit Männern anfangen, die sie unterstützen?
Männer, die den Panfeminismus unterstützen, und damit den Titel Feminist verdienen, sind ein bisschen wie Angehörige der Aktion “Juden in der Waffen-SS” oder “Arier bei den Black Panthers”. Ich will sagen: kann sein, dass es das gibt, aber es ist ziemlich drollig.
19. Februar 2010 um 11:57
Gleichstellung von Mann und Frau ist die Grundlage, die sich Frauen erkämpft haben und noch erkämpfen, geschenkt wurde sie den Frauen nirgends. Feminismus ist historisch die Emanzipierungsbemühung der Frauen: befreien kann man sich nur selbst. Männer können meinem Verständnis nach Sympathisanten und Unterstützer sein, aber doch nicht Feministen. Aber ich habe auch keine Lust, mich in sinnlosen Wortklaubereien zu verlieren.
19. Februar 2010 um 12:55
Die Grundlage von was?
19. Februar 2010 um 14:38
Meine Definition von / Haltung zu Feminismus habe ich hier
https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2009/08/10-irrtumer-uber-feminismus-teil-1.htm
und hier
https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2009/08/10-irrtumer-uber-feminismus-teil-2.htm
dargelegt.
Und ich bin keineswegs der Meinung, dass gegen Unrecht nur die vom Unrecht Betroffenen kämpfen können – das ist doch nicht Wortklauberei.
19. Februar 2010 um 15:06
Was Sie, verehrte Kaltmamsell, da geleistet haben, ist keine Definition, sondern eine Kasuistik. Wenn man keine Definition hat, ist eine Kasuistik die zweitbeste Lösung. Und Ihre Kasuistik ist wirklich brauchbar.
19. Februar 2010 um 16:41
die Grundlage, das Fundament, the foundation, der Ausgangspunkt halt.