Journal Montag, 1. Dezember 2014 – Wundersalbenhektik und Stellvertreteradventskranz
Dienstag, 2. Dezember 2014 um 10:07Wenn ich für mich bin, werde ich selten hektisch. Ausnahme: Wenn ich ein Fieberbläschen entdecke. Wie gestern direkt nach dem Aufwachen.
Hektisch bis panisch kramte ich in allen in Frage kommenden Ecken nach der gegenwirkenden Wundersalbe. Nicht dass ein bisschen Herpes simplex so schrecklich wäre, inzwischen trifft es mich nur alle paar Jahre. Doch als junges Mädchen wurde ich häufig böse attackiert, mit 19 so schlimm, dass man bis heute eine Narbe an der Unterlippe sieht. Das steckt mir bis heute in den Knochen.
Danach war 11 Jahre Ruhe, jetzt eben alle zwei bis drei Jahre.
Crosstrainerstrampeln, im eisigen Niesel zur Arbeit.
Mittags in der nächsten Apotheke frische Wundersalbe gekauft (billigstes Produkt mit Penciclovir drin – erinnern Sie sich noch, wie unerschwinglich teuer das vor Ablauf des Patentschutzes war?).
Abends doch noch einen Adventskranz gebastelt, an Stelle von jemandem, die nachvollziehbarerweise dieses Jahr nicht recht in Weihnachtsromantikstimmung kommt: Ich hatte vorgeschlagen, Rituale und damit verbundene Gefühle für sie zu übernehmen.
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Der Tagesspiegel schreibt über die deutsche Übersetzung von Myra Marx Ferrees Varieties of feminism, genauer: Über ihr ausführliches Kapitel zu den Folgen der Wende für ostdeutsche Frauen.
“25 Jahre Deutsche Einheit
Die vergessenen Ost-Frauen”.
Dass (ostdeutsche) Frauen die Wendeverliererinnen waren, dürfte noch vage im kollektiven Gedächtnis sein, doch die Zahlen, die Marx Ferree dazu zusammenstellt, sind ein Vierteljahrhundert später noch einmal atemberaubend: Obwohl Frauen in der DDR bis 1989 40 Prozent des Familieneinkommens erarbeiteten – die meisten in Vollzeitbeschäftigung –, waren zwei Jahre nach der Einheit 40 Prozent aller neuen Stellenangebote in Ostdeutschland ausdrücklich für Männer ausgeschrieben, elf für Frauen und nicht einmal die Hälfte geschlechterneutral. Obwohl Ost-Frauen viel häufiger in klassischen Männerberufen vertreten waren, fiel auch dort ihr Anteil rasch auf das, was der Westen für normal hielt.
Weibliche Zimmerleute mussten auf dem Arbeitsamt hören, dass „Zimmermann“ im neuen Deutschland wörtlich genommen wurde. Und die Älteren traf es besonders hart: Schon im März 1991 war die Zahl der 50- bis 60-jährigen Frauen auf dem Arbeitsmarkt um die Hälfte geschrumpft, von der verbliebenen Hälfte waren 30 Prozent arbeitslos. Die „Welle von Arbeitslosigkeit“, die die Wirtschafts- und Währungsunion der beiden Deutschlands über den östlichen Teil schickte, und der Abbau von 40 Prozent aller bisherigen Arbeitsplätze sei zwar für Männer wie Frauen traumatisch gewesen. Für Frauen aber, schreibt Marx Ferree, war von allen strukturellen Nachteilen, unter denen sie litten, dieser eine der bedeutendste: „krasse Diskriminierung“.
Also: Lasst euch nicht einreden, man müsse sich als Frau halt einfach nur mehr anstrengen – Frauendiskriminierung ist ein strukturelles Problem, nicht das jeder einzelnen Frau.
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Jessica Lange singt “Life on Mars”.
http://youtu.be/F5D1-VlrWcA
via @_kid37
die Kaltmamsell16 Kommentare zu „Journal Montag, 1. Dezember 2014 – Wundersalbenhektik und Stellvertreteradventskranz“
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2. Dezember 2014 um 11:24
Wenn sie das naechste Mal in Brighton sind, gehen sie einfach zu Boots und kaufen sie die Herpestaschenlampe. Wenn man die zwei mal taeglich verwendet sobald es kribbelt kommt es auch gar nicht dazu, und man braucht nur Batterien! Nach der Entdeckung hab ich direkt allen Menschen in der Familie die auch darunter leiden eine zu Weihnachten gekauft.
http://www.boots.com/en/Boots-Avert-Electronic-Cold-Sore-Machine_1129542/
Ist jetzt nicht soo guenstig aber Hochtechnologie! Die Zukunft! Und es funktioniert sehr gut und unsichtbar und schnell!
[/Dauerwerbesendung]
2. Dezember 2014 um 11:36
Ui!!! Das klingt ja großartig, FeathersMcGraw! Die Wirkungsweise “uses an invisible, narrow waveband of light to enhance the local immune response to the cold sore virus” möchte ich zwar noch etwas genauer wissen, aber das wird sich doch wohl herausfinden lassen.
2. Dezember 2014 um 11:48
Der Part über die “vergessenen Ost-Frauen” macht mich sprachlos! Nicht zu reden von wütend und irgendwie auch resigniert angesichts der Übermacht von gesellschaftlich tief verankerter Diskriminierung, püh! Statt sich IM System anzustrengen, was ist der (weibliche) Weg? Einen neuen erfinden? Nachdenkliche Grüße Petra
2. Dezember 2014 um 13:07
Mein Zahnarzt sah die Herpesbläschen und meinte lapidar:,, Zahnpasta.” -,,Ernsthaft?”- ,,Ja.”
Funkioniert in der Tat…öfter auftragen und nicht ganz publikumsfähig, aber hilft auch.
2. Dezember 2014 um 14:45
Das mit der Zahnpasta haben wir versucht, Pfiffika, bevor die Wundersalbe erschwinglich wurde. Hat bei Weitem nicht so gewirkt. Aber vielleicht wird der Wirkstoff heutzutage auch in Zahnpasta gemischt?
(Bei einem Zahnarzt würde ich nicht unbedingt Expertise in Virologie voraussetzen.)
2. Dezember 2014 um 17:15
Habe ALLES ausprobiert. Alles. Fragen Sie nicht. Und buche jetzt Brighton.
2. Dezember 2014 um 17:54
BRIGHTON! Für gleich oder später, Nicole?
2. Dezember 2014 um 18:54
Hier wird gerade verhandelt. Ich werbe für März. (Ironisch wäre, wenn ich über den Verhandlungsstress direkt wieder ne dicke Lippe riskiere.)
2. Dezember 2014 um 20:06
Ich wurde ein paar Jahre sehr geplagt von Herpesbläschen. Habe damals dieses hier probiert:
http://www.herpifix.de/
Es wirkt sehr oft – nicht immer – wenn man es früh genug benutzt. Habe es sogar noch einmal nachgekauft, nachdem das erste Gerät plötzlich nicht mehr funktionierte.
2. Dezember 2014 um 21:06
Verehrte Kaltmamsell,
ich bin total entsetzt, daß sie bei Herpes simplex auf Virostatika aus der Apotheke zurückgreifen. Das beste Mittel haben Sie in Ihrem Vorratsschrank: miel de abejas.
Meinen Partner hat es schon oft auf der Dienstreise getroffen und er nahm die kleinen Döschen vom Buffet mit. Ja selbst darin ist noch soviel Kraft drin, daß es sehr schnell geholfen hat.
Heute ohne Rezeptgebühr,
Hochachtungsvoll
die Sie sehr verehrende
Dokse
2. Dezember 2014 um 21:48
http://www.dailymail.co.uk/health/article-87811/Light-relief-cold-sores.html
Hmm, es stimmt ja, dass die genannte Wellenlänge gut in Gewebe eindringt, aber warum die das Immunsystem der Zellen anregen sollte, bleibt unklar.
3. Dezember 2014 um 0:25
Das warum ist tatsaechlich nicht so gut erklaert (das ist es aber bei ueberraschend vielen Medikamenten nicht) aber *dass* es wirkt ist schon etwas belegt:
http://www.midlandsmedicines.nhs.uk/filestore/Light%20therapy%20for%20cold%20sores.pdf
Ich hab es allerdings vor 2 Jahren auch einfach so gekauft weil mir die Creme und die Pflaster so auf den Wecker gegangen sind. Mich hat damals hauptsaechlich ueberzeugt: Boots (der hiesige DM) hatte davon eine Eigenmarke im Regal stehen, und das haben die sonst nur von ganz klassischen Medikamenten (Aspirin, Paracetamol und so) und da dachte ich mir dass das wohl schon so seine Richtigkeit hat. Gibt aber bestimmt auch noch andere Hersteller die solche Dinger bauen, das muss man bestimmt nicht eigens fuer hierherreisen.
3. Dezember 2014 um 6:50
Bewiesene Wirksamkeit ist ja schon mal deutlich mehr als bei Vielem, Feathers McGraw. Und danke für die Erinnerung, dass dem Wie sehr oft noch hinterher geforscht wird – man weiß ja nicht mal, wie Anästhesie funktioniert (hat eng damit zu tun, dass man nicht weiß, wie Schlaf funktioniert), aber dass ist ein unbestreitbarer Segen.
3. Dezember 2014 um 8:53
Die Ostfrauen. Ja. Und wer erinnert sich noch – beispielsweise – an die heftigen Pamphlete derer, die behaupteten, dass alle Ossis krippengeschädigt, weil so früh fremdbetreut und überhaupt? Jetzt sollen die Kinder ebenfalls möglichst früh in Krippen und zu Tagesmüttern, damit die Frauen arbeiten gehen können. Wer statt dessen lieber zu Hause bleiben möchte, wird schräg angeguckt. Oder so. Überhaupt wissen alle immer alles besser als der- oder diejenige, die es eigentlich betrifft…
3. Dezember 2014 um 9:51
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
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3. Dezember 2014 um 20:54
Danke für die Fernromantik:)
Ein kleines Weihnachtswunder ist auch die Tatsache, dass man den pH-Wert mit Hilfe von Strom senken kann. Und dass das einen Virus vertreibt. Jungejunge, der Nobelpreis naht!