Archiv für November 2003

Typologie der Spiegel

Freitag, 7. November 2003

Jeder Spiegel, an dem ich vorbeikomme, ist im Prinzip ein Orakel. Ich frage ihn, und sei es aus den Augenwinkeln: „Sitzt die Frisur noch?“, „Kann ich so einen kurzen Rock mit meinen Fußballer-Knien überhaupt tragen?“, Ist der Riemen der Schultertasche proportional lang genug?“ Aber im Grunde und ehrlich gesagt laufen alle diese Fragen auf die eine, alles entscheidende hinaus: „Spieglein, Spieglein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Es ist unglaublich, wie verschieden die Antworten an ein und demselben Tag ausfallen können, in derselben Aufmachung, in exakt derselben Stimmung der Fragerin.

Es gibt nämlich nette Spiegel und böse Spiegel. Der nette Spiegel empfängt mich mit einem Joey-haften: „How are YOU doin’…?“ und flirtet unverhohlen. Der böse Spiegel wartet die entscheidende Frage gar nicht erst ab, sondern brüllt sofort: „DU NICHT!!!“

Nette Spiegel fördern das Selbstbewusstein am stärksten, wenn man ihnen unvermutet begegnet. Nur mal kurz hinschielen, um den Sitz des Jackets zu prüfen. Und feststellen, dass der urlaubsfrische Teint viel länger gehalten hat als erwartet und auch bei weniger gutem Willen eine gewissen Ähnlichkeit zu Grace Kelley zu erkennen ist. Gut!

Böse Spiegel treiben sich bevorzugt in Umkleidekabinen von schicken Boutiquen herum, in denen man sich als Trägerin einer Konfektionsgröße jenseits der 34 ohnehin deplatziert fühlt. Man kann sie schon beim Betreten des Ladens leise kichern hören. Und dann knallen sie einem beim Umziehen jeden Geweberiss an den Oberschenkel um die Augen, deren leicht übermüdete Schatten sie in den Look einer 55jährigen Schlampe verwandeln. Am wirkungsvollsten treten natürlich auch sie überraschend auf. Nach dem Pinkeln beim Händewaschen nur mal kurz des Sitz des Kajals checken – und erbleichen. Was schlecht ist, weil dieser Spiegel einem ohnehin schon die Leichenblässe entgegenleuchtet, in der er lediglich die Pickel am Kinn betont hat.

Sowas will man natürlich gerne kontrollieren können. Der nächstliegende Einflussfaktor ist die Beleuchtung des Spiegels. Da ich mal für eine Lichtmacherei gearbeitet habe, fragte ich dort die Experten: Welche Belechtung garantiert einen guten Spiegelcharakter? Verblüffenderweise waren die Lichtplaner hilflos. Der klassische Artisten-Spiegel sei ideal – einfache matte Glühbirnen oben und an den Seiten. Mehr kam nicht.

So bleibt mir weiterhin ein Rätsel, warum der Spiegel auf dem Gästeklo im Haus meiner Eltern mich geradezu zärtlich küsst, während mich gestern bei einem Geschäftstermin ein Klospiegel mit einer Aggression angefallen hat, die mich fast zur Kopftuchträgerin gemacht hätte.

Bei Hitlers unterm Sofa

Donnerstag, 6. November 2003

War zwar schon gestern in der Süddeutschen Zeitung. Aber morgens reicht es meist nur für die ersten drei Seiten, den Rest lese ich am Abend.

Da entdeckte ein Blogger in einer Home & Gardens von 1938 eine Home-Story über Hitler:
Ein britischer Journalist hatte Hitler 1938 auf seinem Haus Wachenfeld, dem späteren „Berghof“, in den Berchtesgadener Alpen besucht und dann unter dem stark nach Pseudonym klingenden Namen Ignatius Phayre in dem Hochglanzmagazin eine Eloge von grotesk devoter Unterwürfigkeit verfasst.
Daraus wurde ein ausgemachter Medienskandal, denn
Waldman, der die Internetausgabe des britischen Guardian betreut, entschloss sich, die Reportage auf seinem blog (einer Art virtuellem Tagebuch) zu publizieren.

So soll’s sein.

Wunder der Warenwelt

Donnerstag, 6. November 2003

Der unvernünftige Erwerb des Chanel-Lippenstiftes hatte Folgen. Zum einen freue ich mich immer noch an dem Teil (erwähnte ich, dass die Farbe “scarlet” heißt?), weiterhin völlig unvernünftig. Zum anderen bin ich auf einen Fortschritt in der Menschheitsgeschichte gestoßen, der mir bei vernünftigerer Kosmetik verborgen geblieben wäre. Denn:

Als ich seinerzeit mit dem Chanel-Lippenstift an die Kasse trat, stieg ich offenbar in der Kunden-Hierarchie der Parfümerie-Branche um Welten auf. Die Kassiererin erblickte das schwarze Schächtelchen, sah zu mir hoch, sprach “ein Momentchen” und schoss hinfort in den Verkaufsraum. Um kurz darauf mit zwei Hand voll feinsten Pröbchen zurückzukommen (war insgesamt vielleicht dann doch nicht so unvernünftig, der Kauf).

Dazu gehörten auch zwei Faltschachteln mit Parfümproben, die ich heute morgen öffnete. UND DA! Der Himmel ward erleuchtet, ein Engelssingen hob an, kulminierend in einem Sonnenstrahl, der die winzigen SPRAY-RÖHRCHEN traf!!!
Ein Problem der Menschheit ist hiermit behoben. Seit Mädchentagen freue ich mich an Parfüm-Pröbchen – bis kurz vor dem Moment, in dem ich sie ausprobieren möchte. Denn dann habe ich ein kleines Glasröhrchen in der Hand, dass mit einem Plastik-Stopfen verplöppelt ist. Und zwar solcherart, dass es nur die Alternativen gibt, mit angestrengt rotem Kopf und Fingernägeln herumzupulen, bis das Fläschen ruckartig aufgeht und dabei 20 Prozent seines Inhalts auf dem Badboden verkleckert. Oder nach kurzem Sicherstellen, dass auch niemand zuguckt, die Zähne zum Öffnen zu verwenden. Den Parfüm-Geschmack glaubt man auch nach zwei Mahlzeiten noch zu spüren.

Vorbei die Qual! Die nur geringfügig größeren Ampullen sind mit einer Spray-Mechanik versehen! Ganz einfach! Hiermit ein riesiger Dank an den entwickelnden Ingenieur, der sich fast, aber nur fast hinter den Erfinder des Tampons stellen darf.

Ich behaupte: Es geht aufwärts mit der Weltwirtschaft.

„Nur mit dem Herzen sieht man gut…

Mittwoch, 5. November 2003

… Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Der kleine Prinz. Verschleierter Blick. I-Punkte in Form von Kringeln. Kugelschreiber in Pastelfarben mit duftender Tinte. Aufkleber von Sarah Kay.

Mit Verlaub: Welch ausgemachter Blödsinn! Als hätte es die Aufklärung niemals gegeben! Mir fällt meine Banknachbarin in der 10. Klasse ein, die eben zum dritten Mal vom Mathelehrer vorgerechnet bekommen hatte, dass in einer Funktion eine Null durchaus einen Unterschied machen kann. Sie verschränkte die Arme: „Ich glaub’s aber trotzdem nicht!“

Oder nehmen wir mal das Herz eines handelsüblichen Saddam Husseins. Wer möchte sich bitteschön auf die Sichtweise dieses rabenschwarzen Herzens verlassen, hm?

Den nächsten über-13jährigen Menschen, der mir mit dieser Reinheit des Herzens kommt („Reinheit“ natürlich nach okzidentalen Maßstäben definiert), falle ich an. So richtig aus vollem Herzen.

Dr. Blog

Montag, 3. November 2003

“Ich sage immer: es gibt keine Gesunden – es gibt nur Leute, die ich nicht lange genug untersucht habe …”
Jetzt aber doch mal ganz explizit die Empfehlung, regelmäßig beim bloggenden Dr. Bülle vorbeizuschauen.

Things men should know about women (10 und Schluss)

Montag, 3. November 2003

1. Wishful thinking is bad for your relationship.
2. Women like men who have close friends.
3. Women dislike men who are liars.
by Esquire

Glücklich

Sonntag, 2. November 2003

Gluecklich (21k image)

Ist das einklagbar?