Haare schneiden
Samstag, 17. Januar 2004 um 11:37Nein, meine sind noch nicht dabei.
Friseurbesuche sind ganz offensichtlich ein Topos in Blogs. Fein, here it goes.
Mein Friseur ist nämlich der beste der Welt. Und möglicherweise der schönste. Dennoch ist die Welt nicht perfekt: Er heißt Dennis.
Dennis kannte ich schon, als er noch soooo lange Zöpfe hatte. Ich lernte ihn vor etwa acht Jahren kennen, als ich ihn zu dem Menschen erkor, der mir meine damals taillenlangen Haare abschneiden sollte. Das Schönste an lange Haaren ist nämlich, dass man sie abschneiden lassen und so mit einfachsten Mitteln sein Aussehen radikal verändern kann. Damals war er noch keine 20 und erzählte begeistert von seinem Hobby, wochenends mit Freunden alle Vergnügungs- und Freizeitparks der Republik zu besuchen.
Schön ist er abseits aller Konventionen. Dennis ist sehr schlank und hoch gewachsen, und er sieht mit seinen langen dunklen Haaren, seinem schmalen Gesicht, hohen Wangenknochen, seiner etwas dunkleren Haut und seiner großen Nase aus wie ein Film-Indianer der 50er Jahre. Einen sehr anziehenden Gegensatz dazu bilden die hellgrünen, tatsächlich strahlenden Augen. Dazu kommen ein sehr sympathisches und herzhaftes Lachen sowie lässig-geschmeidige Bewegungen – man muss schon, wie ich, ein abgebrühtes Weib weit jenseits der 30 sein, um sich bei seinem Anblick darauf konzentrieren zu können, dass er der gedungene Fachmann fürs eigene Haupthaar ist. Aber auch ich genieße den angenehmen Anblick im Spiegel.
Der wirklich großen Karriere im Friseur-Biz steht wohl nur entgegen, dass Dennis eine echte Hete ist – und das macht sich halt ausgerechnet in diesem Job gar nicht gut.
Zurück zu Haaren! Dennis ist ein Kunsthandwerker. Er kommt aus der englischen Schule: Schnitt ist alles, Styling lediglich optional, und der Schnitt muss zu Haar und Typ passen. Ein Fön dient ihm zum Trocknen der Haare, nie zur Gestaltung. Für die Pokaljäger, Dauerweller und Rundbürstler seiner Zunft hat er nur Verachtung übrig. Und auf der Suche nach neuen Techniken und Ideen ist er regelmäßig in halb Europa unterwegs (auf dem Rückweg von einem Seminar in London wurde er seiner eigenen Erzählung nach mal beinahe nicht in den Flieger gelassen, weil er sein Werkzeug in Form von Scheren und Messern aller Art natürlich niemals als Gepäck aufgeben würde). All das macht ihn so gut, dass ich auch während der Zeiten, als ich in anderen Städten arbeitete, eigens zum Haareschneiden zu Dennis fuhr. Ja mei, andere fahren zum Klamottenkaufen nach Mailand.
Meine Haare wurden gestern sehr kurz. Auf seine Standardfrage: „Und, was mach’ma heute?“ antworte ich ja normalerweise immer: „Was fällt dir denn ein?“ Doch das hatte letzten Oktober zu einem sehr langweilen Schnitt geführt. Deshalb beantwortete ich Dennis’ Frage ausnahmsweise etwas konkreter: „Etwas weniger Langweiliges als letztes Mal.“ Worauf er sich verteidigte: „Na ja, da hab ich halt was Klassisches gemacht.“ Wir lernen: Langweilig heißt bei Friseuren „klassisch“.
(Apropos Sprache: Als meine Mutter mal wirklich unglücklich über das Werk ihres Stamm-Friseurs war, schleppte ich sie zu Dennis. Der besah sich nachdenklich ihren Kopf und resümmierte dann: „Hm, ich glaube ich weiß, worauf er hinaus wollte.“)
Ich bin sehr zufrieden, denn langweilig ist mein Haarschnitt jetzt sicher nicht. Er sieht ein wenig aus, als wäre ich in einen hysterischen Rasenmäher gekommen. Aber da ich sehr viele weiße Haare in meinen sonst dunkelbraunen habe, wirkt das klasse.
Auf der Gesprächskarte stand während der einstündigen Behandlung (er modelliert halt wirklich jede Strähne): Neueste Kinofilme sowie DVDs, Cocktailbars und Cocktail-Rezepte. Dieses aber erst in der zweiten halben Stunde – als perfekter Friseur erkennt Dennis auch, wenn die Kundin ihre Ruhe haben möchte.
die Kaltmamsell9 Kommentare zu „Haare schneiden“
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18. Januar 2004 um 10:46
Das ist ja alles schön und gut, ich kenne Speisekarte, Weinkarte, Landkarte, Ar…karte, Mitgliedskarte, Eintrittskarte. Was um Himmels Willen ist eine Gesprächskarte und was will der Autor uns damit sagen?
18. Januar 2004 um 10:49
Weil Du’s bist, kriegst Du einen Tipp: Monty Python
18. Januar 2004 um 23:48
Das bringt mich jetzt echt weiter, merci bokua, als kleines Dankeschön werde ich Dir meine Peluqueria zeigen und Dir Coloma vorstellen.
19. Januar 2004 um 8:34
Geh hin an Deine Monty Python Anthologie und schlag nach unter "Philosophy" oder "Philosophers Song".
19. Januar 2004 um 10:12
Beruhigend zu lesen, dass auch andere Menschen längere Strecken für einen guten Frisör in Kauf nehmen (in meinem Fall Tü – Muc =>aber es lohnt sich halt…)
18. März 2005 um 12:53
Unsereine muss zum Frisieren immer DUS-PMI-DUS hinter sich bringen.
Andererseits findet man kaum noch einen Frisiersalon in D-Land wo es nur das Kerngeschäft und den Tratsch gibt. Also, es gibt keinen Kaffee da und aus lauter Not bringe ich immer meine ausgelesenen Zeitschriften mit. Die sind nach zwei drei Monaten immer noch da, kein Wunder, das halbe Dorf trifft sich da zum ratschen. Wenn Markt ist, habe ich da auch schon mal im Hinterzimmer Klamotten anprobiert.
Bis jetzt habe ich noch nicht rausgekriegt, ob die Nachfrage nach meiner tollen Frisur tatsächlich ehrlich gemeint ist oder Ironie. Aber einen schönen Menschen kann keine Frisur entstellen. Und Sie, Frau Kaltmamsell hätte ich zu gerne in weiss-blau gesehen.
8. März 2016 um 14:48
Es gibt solche und solche…
16. Januar 2017 um 19:10
Danke für den Beitrag
16. Januar 2017 um 19:14
(Normalerweise machen sich Linkscheißer mehr Mühe, Anne, ich bin enttäuscht.)