Viva Alice

Montag, 26. Januar 2004 um 14:34

Nachdem ich dieses Interview mit Alice Schwarzer gelesen habe, dabei gelacht und geseufzt (via etc.pp.), muss es doch raus:

Wir brauchen den Feminismus. Und wir brauchen Alice. Ich unterdrücke heftig das Bedürfnis genau aufzuführen, in welchen vielen Details meine Ansichten sich von den ihren unterscheiden, denn: Im gesamten deutschsprachigen Raum kenne ich niemanden, der ihre gesellschaftliche Rolle einnehmen könnte. Und DAS ist ein Elend.

Drei Frauenfilme sind es, die mich in letzter Zeit zurück zum Grübeln über das Thema gebracht haben:
Calendar Girls
Down With Love
Mona Lisa Smile.

Unabhängig von ihrer höchst unterschiedlichen Qualität haben mich diese Filme traurig gemacht: Frauen sind so gleich geblieben.
Vielleicht ist das Unwohlsein darüber der Grund für diese Häufung von Frauenfilmen?

Calendar Girls ist ein komplett verschenkter Film. Er ist in die große Falle getappt, vor der alle Filme der Marke „based on a true story“ stehen: Niemand hat sich Gedanken gemacht, was eigentlich erzählt werden soll. Wozu auch, schließlich ist es eine wahre Geschichte. Keiner der Charaktere wird als Mensch fassbar? Aber so war es doch wirklich! Nebensächliches wird für einen Lacher aufgebläht (z.B. Pubertätsschwierigkeiten eines Sohnes), Wichtiges übergangen (z.B. Umgang mit Schönheitsidealen)? Aber es ist doch eine echte Geschichte!
Dem Drehbuch hätte ein großer zeitlicher Abstand zum wahren Hintergrund sehr gut getan. Dann wäre vielleicht wirklich ein weiblicher The Full Monty draus geworden.

Down With Love führt vor, wie ein Doris-Day-Film heute ausgehen müsste (und erinnert mich sehr an das Restauration Drama The Way of the World von William Congreve).
Als Film hat mich die Geschichte sehr amüsiert (und der Soundtrack ist tatsächlich ein Juwel).
Unbenommen ist aber die Voraussetzung für den weiblichen Erfolg in dieser Welt: Blendendes superfeminines Aussehen und ein gerüttelt Maß an Tücke. Das ist seit dem Jahr 1700 nicht anders geworden.

Mona Lisa Smile ist ganz nett. (Sollte wohl ein Dead Poets Society in weiblich werden – no way.) Auch hier ist die Geschichte vorsichtshalber in einer prä-feministischen Zeit angesiedelt, 1953/54. Doch zeitlos sind auch hier die Frauenschicksale: brilliante Köpfe weiblicher Natur, die sich im Grunde nach nichts weiter als Mann, Heim, Kind, Waschmaschine sehnen.

Im Gegensatz zu Alice Schwarzer bin ich mir nicht sicher, dass „die Gesellschaft“ oder „das Patriarchat“ daran schuld ist. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich nicht einfach einen Hau habe, weil es mich so traurig macht, dass in Deutschland mehr Frauen als Männer Abitur machen und das mit den besseren Noten, dass sie aber diese bewiesenen Fähigkeiten später kaum nutzen.

Im Grunde hadere ich ja schon mit den einfachsten Prämissen, zum Beispiel dass jeder Topf ein Deckelchen sucht. Ist eine ehe-ähnliche Partnerschaft tatsächlich das Ziel jeder Frau? Oder wird uns das seit Jahrhunderten eingeredet? Da es in meinem Leben einen nicht austauschbaren Partner gibt, der meine Lebensqualität entscheidend verbessert, traue ich mich allerdings nicht mehr allzu laut zu krähen.

Und jemandem, der nicht mal den Wunsch nach einem langen Leben nachvollziehen kann, ist möglicherweise eh nicht zu trauen.

die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Viva Alice“

  1. Stefan meint:

    Mich interessiert mal, woher das Bild ist. Es ist einfach eine köstliche Illustration des Beitrags. — Alice Schwarzer kann man in diesem Interview wirklich einmal mit Vergnügen lesen, was (IMHO) nicht immer der Fall ist.

    Stefan

  2. die Kaltmamsell meint:

    Huch, wo ich doch sonst mit den Quellen so gewissenhaft bin: Jetzt steht dran, woher das Bild ist…

  3. Lyssa meint:

    Nee, Du hast keinen Hau. Und wenn doch, dann aber keinen exklusiven. Ich hadere grad mit einigen Frauen in meinem Umfeld, die ihr Talent brach liegen lassen, um hinter den weniger talentierten Männern zurückzustehen und diesen den Rücken freizuhalten. Aber vielleicht bin ich auch wirklich ein schrecklich egozentrischer Mensch, der im Alter einsam sterben wird.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Ach Lyssa, auch wenn Du noch so egozentrisch bist: Blogger sterben niemals einsam (das dürfen Sie mitschreiben).
    Ich habe mich schon seit Jahren auf einen Lebensabend eingestellt, den ich in einem 15qm-Zimmer verbringe, tagsüber als Inventar der Stadtteil-Bibliotheken. Spätestens dann schreibe ich auch meine Diss fertig. Hört sich gut an, finde ich.

  5. Lyssa meint:

    Sehr schöne Vorstellung. Und alle paar Tage bringen Freundinnen ihre Enkelkinder vorbei, woraufhin die Stadtteil-Bibliothek sofort noch an Charme gewinnt.

  6. tom meint:

    ist das wieder das thema ehe? brauthormone? etc.? nun, vielleicht kann einer der kommentarleser mir helfen? ich habe den eindruck, menschen, die eigentlich verheiratet sein sollten, einfach weil es zeit dazu ist, aber es nicht sind (hier gilt ausnahmsweise auch mal eine feste(!) beziehung ohne trauschein), sind sofort erkenntlich, oder? ich meine, jemand, der lange alleine ist, ist "anders" als ein mensch in einer festen (!) beziehung bzw. ehe. Ich für meinen teil glaub, dass die ehe zwischen mann und frau ein wesentlicher teil unserer entwicklung sind. wer dem ausweicht, verschlisst sich dieser entwicklungsmöglichkeit, warum auch immer er/sie das tut. gibt es noch andere, die das ähnlich sehen?

    und die verschütteten talente der frauen im gegensatz zu den topimierten talenten der gegenseite? genau wie frauen lassen auch männer ihre talente verkümmern. würden sie ihre talente einsetzen, währe die welt lebenswerter. es gäbe mehr musik, schönere bilder, bewegende gedichte, liebevolleres handwerk, überzeugendere lehrer … mehr dinge halt, die "richtig" sind.

    du trauerst also nicht alleine um das brach liegende land.

  7. Tim meint:

    Wenn man sich das so anhört, klingt es, als wären die Frauen wieder dort angelangt, wo sie vor 40 Jahren aufgebrochen sind.

    Aber: Ich kenne auch Männer, die ihre Frauen durchs Leben schleusen, weil die sonst nicht klar kommen würden. Dazu bekommen sie als Ausgleich nicht einmal wie früher eine Kind-Küche-Kirche-Frau, die ihrem Mann Hausfraumässig den Rücken freihält. Kochen ist ja heutzutage eine aussterbende Kunst. Insofern gbt es auch die Gattenhormone. Liegt an der Natur des Menschen.

  8. die Kaltmamsell meint:

    "Die Scheidung hat viele soziale Vorteile: Denn mal ehrlich, ohne Scheidung hätten doch viele Frauen gar kein Einkommen!"
    (Harald Schmidt)

  9. mutant meint:

    kennen sie donna und jill?
    kein film, ein buch.
    grandios.
    hat mich dazu gebracht, erneut marilyn frenchs "frauen" zur hand zu nehmen.
    alles immer noch aktuell, oder wieder.
    was frau schwarzer angeht:
    wieso ist eigentlich die courage eingegangen und die emma hat ueberlebt?
    ist wahrscheinlich so wie mit betamax und vhs…

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