August

Donnerstag, 26. Februar 2004 um 14:33

Nachtrag vom 11. Juni 2011: Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel vom Februar 2004 stammt. Das Restaurant hat sich seither stark verändert, es wurde unter anderem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Weder Speisen noch Ambiente sind heute mit meinem damaligen Erlebnis zu vergleichen.

Das größte Rätsel an diesem Restaurant ist, dass es überlebt. Das hochklassige August in Augsburg existiert bereits mehr als elf Jahre. Doch als Geheimtipp ist es weiterhin so geheim, dass ich die etwa zwölf Tische noch nie ausgebucht gesehen habe. Zudem bin ich hier nie Geschäftsessern begegnet. Dazu kommen eine ausgefeilte Küche, Zutaten alle aus einheimischem ökologischen Anbau und lediglich angemessene Preise – der Laden müsste schon längst pleite sein. Einziges Promotion-Material sind die Visitenkarten (nein, keine Website). Irgendwann habe ich beschlossen, dass die Besitzer (anscheinend der Koch und die Oberkellnerin) vermögend sind und das Restaurant zum Spaß betreiben.

Hingabe und Freude an der Sache stecken in jedem Detail. Das Lokal liegt im Augsburger Domviertel an der schmalen aber viel befahrenen Frauentorstraße. Die gläserne Front, das eingeschossige Gebäude und die Schlichtheit des Raumes schauen ganz danach aus, als sei das mal ein kleiner Supermarkt gewesen. An den hohen Wänden hängt Großformatiges in Öl, immer mal wieder etwas Anderes. In der Mitte des Raumes steht ein riesiger Holztisch, auf dem die Bedienungen das selbst gebackene Brot schneiden und am späteren Abend den Käse auslegen. Letztes Jahr war das Restaurant einige Wochen geschlossen, ein Schild kündigte an „Der August steigt aufs Dach!“. So wird seit vergangenem Juli bei schönem Wetter auf der neuen Dachterrasse serviert.

In zwei vergangenen Jahren gab es sommers die Aktion „Essen im Gewächshaus“: Für ein paar Wochen zog das August in ein Gewächshaus des befreundeten Biogärtners um, gelegen in einem Augsburger Vorort. Der Gärtner empfing die Gäste des Abends (mit Anmeldung und verhältnismäßig festem Beginn) und führte sie erst mal ein bisschen durchs Gelände: durch uralte Gewächshäuser, in denen wir Kürbisblüten und Babygurken naschen durften, Bächlein entlang zu den Versuchsfeldern, auf denen alte Gemüsesorten nachgezüchtet werden.
Gedeckt war damals – wie der Titel der Veranstaltung ja angekündigt hatte – in einem der Gewächshäuser: Zwischen rankenden Gurken- und Tomatenpflanzen waren Holzbretter gelegt, darauf standen die etwa zehn Tische mit Stühlen. Das feste Menü bestand hauptsächlich aus vielen Gemüsegängen, dazu wurden immer wieder Rosmarin- und Basilikumkrapfen serviert. Sehr lebhaft im Gedächtnis sind mir zwei Gerichte geblieben: Ein gegrillter Gemüsespieß auf einem Rosmarin-Zweig und ein Kuchen mit zwanzig Kräutern, die wir tatsächlich fast alle identifizieren konnten.
So ein Gewächshaus hat keine künstliche Beleuchtung, also zündeten die Kellnerinnen bei Einbruch der Dunkelheit zahllose Teelichter an, die von der Decke hingen und auf den Tischen standen. Gleichzeitig bot das Glasdach einen umwerfenden Blick auf den Himmel.

Gestern hatte die Karte zum Aschermittwoch das Motto „Erde und Himmel“. Meist gibt es im August ohnehin nur feste Menüs, zwei zur Auswahl und mit vier bis sechs Gängen, deren Preis zwischen 45 und 70 Euro liegt.

Gestern sah das so aus:

Als „Gruß aus der Küche“ gab es erst mal:
1. ein Stapelchen: Keks, Kürbisscheibe, Kressecreme, Algengelee mit Zitronengras aromatisiert (lustig zu kauen, wenig Geschmack)
2. ein Kartoffelwürfel mit Kuhle, darin Stockfischsuppe, mit Parmesankeks (lecker).

Dann ging das eigentliche Menü los:
1. Zart geräucherte Taubenbrust mit Petersilienwurzelpüree und Bordeaux-Soße (superklasse)
2. Topinambour-Tarte mit jungem Spinat und Pastinaken (darauf hatte ich mich besonders gefreut – ich habe gerade eine Topinambour-Phase: sehr lecker)
3. Jakobsmuscheln mit Öl von schwarzen Oliven und Schwarzwurzel (gut!)
4. Lotte mit Pudding vom Senfkohl und Himbeerjus (schöne Kombination)
5. Geschmortes Ochsenbackerl und gebratener Lendenwürfel (dunkles Fleisch und dann auch noch geschmort – sehr gut!)
5.a) Als Zwischenzwischengang eine Runde lustigen Käse
6. Olivenölbiskuit mit Schokoladen-Schwarze-Olivenpüree, Mangoscheiben und Mandarinen-Sellerie-Likör (kam mit der Anweisung des Kochs, die Mango mit dem schwarzen Püree zu kombinieren, den Biskuit mit dem im Gläschen servierten Likör – die Kombination schwarze Oliven und Schokolade war genial!)

Dazu erst mal als Aperitif ein Glas Cremant, der eine schöne Sherry-Note hatte, dann eine Flasche weißen Bordeaux. Beim Wein verlasse ich mich am liebsten auf die Empfehlung der Oberkellnerin: Die zierliche und eher schüchterne Frau sorgt zusammen mit einer wechselnden weiteren Kellnerin an ihrer Seite für Service, wie ich ihn am liebsten habe: sehr aufmerksam und kompetent, aber fast unsichtbar.

die Kaltmamsell

10 Kommentare zu „August“

  1. meike meint:

    seitdem ich meine lieblings-vip-uschi-münchen besucht habe, kaufe ich wieder im bioladen und probiere gemüse aus, das ich kaum oder wenig kenne. meine bisher größte herausforderung: topinambur. ich weiß einfach nicht, was ich mit den dingern machen soll und kaue deswegen immermal zwischendurch unmotiviert auf einem herum, bevor sie schlecht werden… hilfe!

  2. die Kaltmamsell meint:

    Aaaalso: Topinambour mal grob wie Kartoffeln behandeln.
    – Schälen, in Salzwasser kochen. Mit ein paar gleichzeitig gekochten Kartoffeln zu Pürree oder zu einer Suppe zermantschen.
    – Oder schälen, fein hobeln, in eine Auflaufform legen, salzen und ein wenig Butter drüber – ab in den Backofen.
    – Wie Salzkartoffeln als Beilage verwenden.
    Noch nicht probiert habe ich, sie zu raspeln und mit ein wenig geriebener Zwiebel zu Fladen zu backen.

  3. Wolfgang meint:

    Mein letztes Topinambour-Erlebnis hat zur Explosion des Schnellkochtopfes geführt. Bis ich einen Dampfgarer habe, lasse ich nun erstmal die Finger davon :-)
    Ansonsten ist es voll fies, um diese Zeit so was zu lesen. Was glaubst du, was ich jetzt für einen Appetit habe? Ich glaub, ich geh jetzt nach Hause…

    Dennoch: Es klingt genial. Wenn du in Hamburg bist, musst du mal das Avocado in der Kanalstraße probieren (falls das noch so gut ist).

  4. meike meint:

    aujaaa, gehen wir da zu dritt hin?

    vielleicht waren meine topidings einfach zu klein. sie sahen eher wie ingwer aus und scheu wie ich war, habe ich einfach zu wenig gekauft…

  5. Distel meint:

    Wenn es mich nach Augsburg verschlägt, weiss ich, was fester Programmpunkt wird.
    Danke für den schönen Tipp.

  6. Gerhard meint:

    Darf ich Dich gelegentlich mal dahin einladen?

  7. die Kaltmamsell meint:

    Meike, zu dritt ins Avocado ist schon mal gebongt. Übrigens ist mir eine Lösung für Dein Topinambour-Problem eingefallen: Lass andere für Dich arbeiten. Einfach nach Uschi-Prinzip in Gespräche mit Männern einflechten, dass Du so gerne Gerichte mit Topinambour äßest (warum sollen die Männer den ganzen Bohrmaschinen-Spaß abbekommen, sich dann aber in der Küche nicht mühen müssen?).
    Gerhard: Ja!

  8. meike meint:

    recht hast du! ich finde, das ist ein problem für wolfgang.

    duuuuuuuu wolfgang, ich mag total gerne mal topinambur probieren aber traue mich nicht so richtig…….????????

  9. Wolfgang meint:

    duuuu, Meike, bei uns zu Hause muss nicht gebohrt werden, weil wir zurzeit in einem Holzhaus wohnen. Wenn dann bohrt aber meine Frau.
    Und: Sobald wir umgezogen sind (und dann auch eine große wunderbare Küche haben mit besagtem Dampfgarer), werden wirs schon schaffen.
    Und: Ich war schon als kleiner Junge nicht für die glubschaugigen Uschis empfänglich, sondern immer voll der intellektualistische Außenseiter…
    Wer sagte neulich nicht so treffend: Wenn du nicht so einen großen Stein in meinem Brett hättest… *g*

  10. Fatima meint:

    Hey!Hier bekommt man ja super Infos- vor allem wohne ich seit kurzem nur ein paar Meter von dem Restaurant August weg und werde es mir daher demnächst mal anschauen- dann gibts auch mal ein Statement meinerseits! Auf bald!

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