Archiv für März 2004

Verschdupfd

Freitag, 12. März 2004

Vermutlich liegt es einfach nur daran, dass ich so gut wie nie krank bin. Wenn mich dann doch mal, wie jetzt, alle zwei Jahre eine Erkältung erwischt, nehme ich das übel. Mein Körper und ich haben ohnehin nicht das beste Verhältnis, aber drückende Stirnhöhlen, wunde Atemwege und verschwollene Augen sehe ich dann doch als persönliche Beleidigung an.

Von Hanns Dieter Hüsch, den ich hier ohnehin viel zu selten erwähne, habe ich die Familienweisheit: Was von allein kommt, geht auch wieder von allein. (Damit, meint Herr Hüsch, habe er sich schon viel Geld gespart.)

Bis dahin gibt’s Nasentropfen für besseres Schnaufen, Wick MediNait für besseres Schlafen und schlechte Laune, die nur durch eine fein abgewogene Mischung von Mitleid und In-Ruhe-Lassen gemildert wird.

Oder sollte ich die seltene Gelegenheit nutzen, zusätzlich das Köpfchen schieflegen und mir den massiven Schokohasen sowie das Schweizer USB-Taschenmesser wünschen?

Via Melody und ITW

Wieder mal die Fliege

Freitag, 12. März 2004

Aus offenen Rechnungen lässt sich keine ehrliche Bilanz ziehen.

bei Mimmy

Basta ya

Donnerstag, 11. März 2004

Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten. Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten. Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten. Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten….

Etwas eigenartig die lokale Berichterstattung. Dieses Special von El País wirkt, als sei die Redaktion stolz darauf, dass in ihrem Land endlich etwas passiert, was sich sofort in internationaler Berichterstattung niederschlägt.

Kann es sein,

Donnerstag, 11. März 2004

dass die aufdringlichen Herrschaften, die am Münchener Flughafen American-Express-Karten verchecken, sich allesamt aus abgesprungenen Zeugen Jehovas rekrutieren?

Unerwartet

Mittwoch, 10. März 2004

Es ist der letzte Vormittag der bayerischen Schultheatertage, irgendwann Mitte der 80er in Ingolstadt. Wir jungen bis sehr jungen Leute, die den Zuschauerraum des „Großen Hauses“ füllen, sind vom vielen Gucken, Spielen, Feiern erschöpft und sehen eher gelangweilt auf die Bühne, auf der noch eine letzte Truppe auftritt. Sie gehört zum örtlichen Apian-Gymnasium und ist nur wegen des Gastgeber-Bonusses dorthin gekommen; alle anderen Truppen mussten sich qualifizieren.

Mit mehr Inbrunst als Können schauspielern die Schüler im Scheinwerferlicht Ausschnitte eines dialoglastigen Stücks. In der Schluss-Szene stehen nur noch zwei Menschen am Rand der Bühnenmitte: Ein junger Mann mit halblangen, dunklen flaumigen Haaren, um die Lippen ein Musketier-Bärtchen. Ihm zugewandt ein junges Mädchen im Kleid und mit langen, hellen Locken. Am Ende ihres Dialogs umarmen sie sich. Ein Kuss.

Nach wenigen Sekunden will sie sich von ihm lösen. Doch er lässt nicht los, dehnt den Kuss aus. Ihr Körper stutzt. Er küsst sie weiter, legt seine Hand auf ihren Nacken. Der Raum wird still. Und da beginnt sie zu schmelzen. Muskel für Muskel gibt sie nach, fällt in den Kuss, sinkt dahin. Die Intimität der Szene überträgt sich auf die Zuschauer. Sie halten den Atem an, ihre Blicke gebannt. Der Kuss dauert an, die beiden Menschen verwachsen miteinander.

Endlich löst er sich, blickt in ihre Augen, tritt einen Schritt zurück. Sie bewegt sich nicht, starrt ihn an, sekundenlang. Bis er sich mit einer fließenden Bewegung den Zuschauern zuwendet, gleichzeitig ihre Hand nimmt und sich verbeugt. Zögerlich setzt Applaus ein, die anderen Darsteller kommen zur Verbeugung auf die Bühne. Das junge Mädchen reiht sich ein, immer noch benommen und mit erhitztem Gesicht. Mechanisch lächelt sie, verbeugt sich mit den anderen, verschwindet hinter der Bühne.

Und im Blick jeder Zuschauerin spiegelt sich die Sehnsucht, nur einmal im Leben so geküsst zu werden.

Inzwischen ist der junge Mann übrigens Komiker

Diätterror – die Serie (8): Catch 22

Sonntag, 7. März 2004

Folgen (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

Draußen scheint die gelbe Sau(TM), von meinem Bürofenster aus sehe ich ganz viel blauen Himmel, auf dem zwei Haufenwölkchen surfen. Mein Herz hüpft und schickt Visionen in mein Hirn: Ich im geblümten Tüftelimüfteli-Kleid, die nackten Füße in hochhackigen Sandälchen spazieren mich über eine Wiese, Wind zaust an meinen Haaren, die Sonne erkundet meine nackten Schultern.
BLÄÄP, BLÄÄP, BLÄÄP! Der automatische Illusionsalarm zerschießt das Bild: In einem schulterfreien Tüftelimüfteli-Kleid sähe ich bei Größe 46 aus wie eine flusige Qualle in Horrorfilm-Format, Schuhgröße 41 verbietet jeden Diminutiv an der Sandale.

Und jetzt kommt der Catch: Eine Frau wie ich DARF sich damit nicht quälen. Unsereiner MUSS auf Teufel komm raus darüber stehen.

Wir haben ein klasse Elternhaus, liberal und offen. Unser Geist ist brillant, unsere soziale Intelligenz macht uns sympathisch. Es gibt keine offensichtlichen Kindheitstraumen (Missbrauch, Gewalt, Todesfälle). Ich selbst kann nicht mal auf die heute so weit verbreitete Hochbegabung als Entschuldigung zurückgreifen. Unsereiner findet sich bevorzugt in gesellschaftlichen Positionen, in denen wir von vielen Frauen beneidet werden.

Unsere psychische Karriere sieht üblicherweise wie folgt aus:

In der Pubertät sind wir noch auf die Diät-Maschinerie reingefallen. Brigitte-Diät war die weit verbreitete Einstiegsdroge, da sie so schön ernährungswissenschaftlich unterfüttert war. Wir waren schon damals reflektiert und ließen uns keine kurzfristige und einseitige Ananas- oder Würstchen-Diät (gab’s in den 80ern übrigens tatsächlich) einreden. Mittelfristig führte das dennoch zu nichts.
Also haben wir die grundlegende Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper erkannt und daran gearbeitet:
– Das weibliche Schönheitsideal ist lediglich eine subtile Unterdrückung aller Errungenschaften des Feminismus.
– Wahre Schönheit kommt von innen.
– Eine gute Figur oder auch nur Attraktivität kann nicht in Kilos gemessen werden.
– Selbst Models sehen nicht aus wie auf den nachbearbeiteten Fotos.
– Erfolg in der Liebe hängt nicht nur vom Aussehen ab.
– Wir lassen uns vom Diätterror nicht unterdrücken!

Oft ging das ein paar Jahre lang gut. „Warum darf es große wie kleine Menschen geben, aber nicht dünne wie dicke?“, riefen wir. Wir bildeten uns, kamen voran, sammelten Erfolge. Hin und wieder sahen wir uns unvermutet und ohne Vorbereitung im Spiegel und gingen dann an diesem Tag lieber erst gar nicht vor die Tür. Nicht etwa, weil wir unseren Anblick nicht ertragen hätten – WIR waren doch nicht so oberflächlich! Sondern weil, weil, weil… – wir ohnehin lieber an diesem einen schwer verdaulichen Buch rumlasen. Hin und wieder wurden wir beim Anblick einer schönen, schlanken Frau oder eines unglaublich begehrenswerten Mannes schlagartig todtraurig. Nicht etwa weil uns die Erkenntnis durchfahren hatte, dass uns der Zugang zu dieser Welt für immer versperrt war – diese Leute verachteten wir ja! Sondern weil, weil, weil… – wir vermutlich dieser Tage unsere Periode bekommen würden. Vielleicht fanden wir ja irgendwann die Energie, die eine oder andere Kleidergröße weniger zu werden und diese Figur mit ungeheurem Aufwand und Selbstbetrug zu halten. Aber selbst dann fühlten wir uns wie Betrügerinnen, in denen die eigentliche Dicke lediglich unterdrückt war.

Gerne gab es an jeder Stelle dieser Diät-Karriere Ausreißer ins Pathologische, also Anorexie oder Bulimie. Oder und.

Frauen, die schon immer intellektuell frühreif waren, haben sich in der Lebensmitte bereits mehrere hundert Mal durch diese Möbius-Schleife der Selbstreflexion gedacht.

Uns geht es deshalb tatsächlich erst mal um die Erlaubnis, uns so richtig scheiße zu fühlen. Das haben wir uns nämlich nicht zugestanden – aus all den genannten Gründen. Unsereiner DARF gar nicht unter solchen Oberflächlichkeiten leiden. Die einen wurden esskrank, die anderen depressiv, einige beides. Wobei das natürlich nie nur eine Ursache hatte.

Damit abfinden? Was heißt hier abfinden? Mit einer chronischen Krankheit muss man sich abfinden, mit dem Verlust eine Beines, des Augenlichts. Die eigene Körperform sollte nichts sein, mit dem wir uns „abfinden“ müssen.

Aber ja aber natürlich aber sowieso wissen wir um unser geniales Hirn, mind the size of the universe etc., etc. Aber wie gut diese Assets erst kämen, wenn wir sie in einem roten Schlauchkleid der Größe 36 präsentieren könnten…!

Lara Croft ist ja wohl das Ideal (man vergleiche dazu Betty Boop der 30er!): Messerscharfer Intellekt, Bibliotheksfüllende Bildung, artistische Körperbeherrschung – und ein Körper, der nur aus Zopf, Busen und Beinen zu bestehen scheint.
(Interessant daran übrigens, dass ihr meines Wissens alle weiblichen Klischee-Eigenschaften fehlen. Vermutlich kann Lara Croft sogar EINPARKEN!)

Lara Croft passt sogar auf einer tieferen Ebene: In dieser Schlacht ist jede eine Einzelkämpferin. Der Unterschied: Ich habe keine Ahnung, wo der Weg zum Happy End ist.

Grammatikalischer Disclaimer: Sollte niemand diese Gedanken nachvollziehen können, bitte „wir“ durch „ich“ ersetzen.

28 Tage

Sonntag, 7. März 2004

28 Days lief gestern im Fernsehen – ein Durchschnittsfilm, dem es ganz besonders schadet, ständig von Werbung zerschnipselt zu werden. Die große Leistung des Films: Steve Buscemi in einer Rolle, in der er nicht widerlich und eklig ist.
Zentrales und lahmes Thema des Films: sich helfen lassen. Lustig, mir ist wieder mal aufgefallen, dass der einzige, der sich immer getraut hat mir zu helfen – trotz meiner überzeugenden Ausstrahlung, dass ich wirklich alles, alles allein schaffe – mein kleiner Bruder war.