Archiv für April 2004

Die große Überfahrt

Samstag, 10. April 2004

Das Schiff

Zum ersten Mal war ich 1993 in New York. Bis dahin hatte ich mich für die Stadt so wenig interessiert, dass mich der Stadtplan mit der Tatsache überraschen konnte, dass Manhattan eine Insel ist. Doch ich verliebte mich über beide Ohren in New York. Abgesehen davon, dass ich die meisten Ecken bereits aus Filmen kannte und mich fühlte wie auf einem Set – die Stadt atmet Geschichte, Einwanderergeschichte. Auf einer Rundfahrt zu Ellis Island und Liberty Island wurde mir klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt, stilvoll in New York anzukommen: auf einem Schiff.

Ich hätte gar nichts dagegen gehabt, die Nostalgie auf die Spitze zu treiben und mit einem Frachtschiff zu fahren. Doch diese Schiffe haben sehr vage Abfahrtszeiten: Auf etwas Genaueres als einen Zeitraum von einer Woche legt sich kein Reeder oder Betreiber fest. Das wiederum lässt sich nicht mit der Urlaubsplanung einer Arbeitnehmerin vereinbaren.

Das einzige Passagierschiff, das die Strecke Europa – New York im Linienbetrieb fuhr, war die Queen Elizabeth 2. Doch diese Luxus-Legende schien mir kleiner Arbeitertochter auf einem so entfernten Planeten zu liegen, dass es gerade mal für Träume reichte. Regelmäßig ließ ich mir von der Reederei Cunard (Angeberinnen betonen den Namen auf der zweiten Silbe) Prospekte schicken, in denen ich seufzend blätterte. Es brauchte dann schon einen Mann von der geistigen Größe meines Mitbewohners, um den Traum Realität werden zu lassen. Denn der sagte eines Tages: „Dann lass uns das doch machen.“
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In Style

Freitag, 9. April 2004

ManhattanvonMeer (49k image)

Ostern vor einem Jahr erfüllte ich mir einen Traum: nach New York mit dem Schiff – meiner Meinung nach die einzige stilvolle Art und Weise, von Europa nach New York zu reisen. Es war sehr, sehr schön. Über die freien Ostertage erzähle ich ein bisschen davon.

The Passion of the Bunny

Freitag, 9. April 2004

(…)
Patty Bickerton, the youth minister at Glassport Assembly of God, said the performance wasn’t meant to be offensive. Bickerton portrayed the Easter rabbit and said she tried to act with a tone of irreverence.
(…)
“It was very disturbing,” Norelli-Burke said. “I could not believe what I saw. It wasn’t anything I was expecting.”

Yahoo berichtet über dieses weitere österliche Gemetzel.

Torrijas – spanische Fastenspeise

Donnerstag, 8. April 2004

Der Migrations-Hintergrund meiner Familie veranlasste meine Mutter dazu, sich großzügig bei den Traditionen Polens, Spaniens, Italiens und Deutschlands zu bedienen und daraus höchst individuell unsere Familienrituale zusammenzustellen (eigenartigerweise kann sie trotzdem nichts mit der Postmoderne anfangen). An dieser Melange bediene ich mich wiederum nach Lust und Laune.

Morgen werde ich zum Beispiel wieder Torrijas backen, eine spanische Fastenspeise (und ich weiß, dass auch mein Bruder das tun wird). Mein spanischer Vater kannte diesen Brauch nicht aus dem eigenen Zuhause, aber meine (polnisch-stämmige) Mutter lud in meiner Kinderzeit eine andalusische Emigrantin zu uns ein und ließ sich das Torrijas-Backen beibringen. Im Grunde handelt es sich um Arme Ritter in Weißwein, doch es gibt eine Geschichte zu diesem Brauch (die ich übrigens bei einer kurzen Internet-Recherche nirgendwo gefunden habe, mag also durchaus meine Mutter selbst gebastelt haben): Die gebratenen und in Wein eingelegten Brotscheiben erinnern an den Tod Christi am Kreuz. Und zwar an den mit Essig getränkten Schwamm, den der Legende nach ein Römer Jesus gegen seinen Durst gereicht hat.

Eigentlich sollen Torrijas traditionell die ganze Karwoche als Fastenspeise dienen. Bei uns wurde immer an Gründonnerstag oder Karfreitag gebacken. Die fertigen Torrijas standen in ihren weingefüllten Reinen in der Speisekammer, aus der sich die Familienmitglieder immer wieder ein Stück holten. Zudem hatte sich unser Brauch sehr bald rumgesprochen, und wir hatten auffallend viel Besuch von Freunden und Bekannten, die sich gerne Torrijas anbieten ließen.

In Spanien ist das Gericht mittlerweile zu einem Nachspeisen-Klassiker für das ganze Jahr geworden.

Wenn sie jemand selbst backen will, unter den Rezepten steht unser Familienrezept.

Wie sie wollten gegessen sein

Dienstag, 6. April 2004

Tischmanieren für das Essen in Gesellschaft und für den Fall, dass man mal bei Königs eingeladen ist, stehen unter anderem hier.

Dann aber gibt es noch die ganz privaten Essweisen, die sich höchstens in Gegenwart sehr vertrauter Menschen aus dem Dunkel der einsamen Mahlzeit wagen. Sie sind immer ein wenig mit Spiel verbunden, würdigen aber in idealer Weise nicht nur den Geschmack der Speise, sondern auch Aufbau und Textur.

Obst esse ich am liebsten mit Teller und Besteck. Das hat, glaube ich, schon in meiner Kindheit angefangen, als mir meine Eltern beibrachten, Honigmelonen mit Messer und Gabel zu essen. Das machte mir so viel Spaß, dass ich das auf anderes Obst übertrug. Meist nehme ich das Obst aber in die Hand und zerteile es lediglich mit einem Messer. Orangen schneide ich gerne ungeschält in Schnitzen und esse das Fruchtfleisch von der Schale ab. Das macht auch mit Ananas Spaß. Kiwi werden halbiert und dann gelöffelt, ebenso Papayas. Manchmal löffle ich auch Honigmelonen. Ausnahmen sind Früchte, die ohnehin schon in mundgerechten Portionen wachsen, zum Beispiel Erdbeeren und Trauben. Oder Bananen, die als perfekter Snack samt Verpackung geliefert werden.

Viel Spiel und Spaß bieten Pralinen. Gestern hatte ich mal wieder Mozartkugeln im Haus, die an Ess-Abenteuer kaum zu überbieten sind. Zunächst knabbere ich die Außenhaut aus Schokolade weg – gesamt, denn selbst mir wäre es zuviel der Mühe, die äußere dunkle und dann die hellere Vollmilchschokolade nacheinander zu essen. Den schokoladigen Boden der Kugel lasse ich allerdings dran, weil er durch die Prägung nicht in größeren Stückchen abknabberbar ist und die Brösel eine Sauerei geben. Nun beiße ich senkrecht die Hälfte der Mozartkugel ab und genieße die Mischung von Pistazien- und Mandelmarzipan mit Nougat. Die zweite Hälfte esse ich je nach Laune in einem weiteren Happs oder in den Einzelbestandteilen von oben nach unten.
Schokoküsse wollen ähnlich gegessen werden: Mit den Zähnen vorsichtig die obere Schokoladenschicht abnehmen, dann ringsum wegknabbern. Der Trick ist, möglichst große Stücke der Schokoladenglasur abzunehmen. Das weiße Innere wird mit den Lippen zerteilt mehr gesogen als gebissen. Zum Schluss gibt es den Keksboden, an dem leckererweise noch ein Rand aus dunkler Schokolade hängt.

Noch mal zurück zu Pralinen: Trüffel müssen erst aufgebissen werden, gerade so weit, dass man mit der Zunge das trüfflige Innere auslecken kann. Dann den Rest der möglichst stabilen Außenhülle essen.

Schokoladentafeln behandle ich am liebsten wie Schinkenbrote. Ich beiße kräftig in die Tafel und kaue mit vollen Backen. Ausnahmen sind hier die Rittersport-Sorten Pfefferminz und Joghurt. Die werden in Stücke gebrochen und dann Stück für Stück, aber erst im Mund, in ihre Einzelschichten zerlegt

Nuss- oder Rosinenschnecken (Plundergebäck) werden bitteschön der Reihe nach gegessen, also abgewickelt. Das hat zur Folge, dass ich für den Verzehr dieses Gebäcks immer zwei Hände brauche. Lakritzschnecken erfordern denselben Ablauf, hier genügt mir aber eine Hand.

Hm, mir fällt auf, dass das alles süße Speisen waren. Umso besser, vielleicht muss man ja nur beim Nachtisch auf mich aufpassen. Im Fall einer Einladung bei Königs.

(Pablo Neruda hätte daraus ein Gedicht gemacht.)

Lustiges Musikquiz

Montag, 5. April 2004

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1983, eine “Asterix-Party”. Zu welchem – auch damals nicht mehr ganz aktuellem – Stück gehören die Körperhaltung und die Gestik auf dem Bild?

Bahnsprech

Montag, 5. April 2004

Ich versuch’s mal wieder einen Monat lang mit Pendeln. Zum einen hat der Mitbewohner zwei Wochen Ferien und damit Zeit, mir einen angenehmen Feierabend zu bereiten (Kochen, ins Kino oder Essen gehen, einfach anwesend sein). Zum anderen muss ich ja erst mal den Anlass schaffen, wenn ich herausfinden will, dass es mir doch nichts mehr ausmacht, morgens nach dem Aufstehen ohne Umwege ins Bad zu gehen, mich fertig zu machen und mit dem Zug in die Arbeit zu fahren.

Zugfahren selbst mag ich ja sehr (ja, ich bin das). Vielleicht ist es allerdings am Morgen nicht der beste Zeitvertreib, ein Buch weiterzulesen, das ich am Vorabend bereits vor dem Einschlafen gelesen habe: Noch etwas schlaftrunken fesselt mich die Lektüre in der Parallelwelt der Fiktion, und ich tue mich umso schwerer, meine Energie ins Hier und Jetzt des Arbeitsplatzes zu versetzen. Zeitung wäre die bessere Zuglektüre, nur dass die Stadtausgabe der SZ in München nicht vor 7 Uhr ausgeliefert wird.

Jedes Mal meine Aufmerksamkeit wert: die Zugdurchsagen (im Gegensatz zu Ansagen im Flugzeug, die mein Gehirn immer unverarbeitet durchwinkt). Die Bahn spricht nämlich eine Sprache, die sich sehr von der des Alltags unterscheidet. Im jüngsten SZ-Magazin erwähnt Axel Hacke: „Viele Jahre lang wurden wir mit Durchsagen in den Speisewagen gebeten, die mit der Nachricht endete, dass uns das ICE-Team ‚gerne erwarte’. Da saß man, hungrig und durstig, und überlegte, ob man es dem ICE-Team wirklich antun dürfe zu kommen, wenn es doch das Erwarten so liebe.“ In meiner Erinnerung war die Durchsage noch abstruser, denn es war ein „Mitropa-Team“, das uns „gerne erwartete“. Meine Fantasie produzierte wildeste Bilder.

Ich finde ja schon das Wort „Zugbegleiter“ merkwürdig: Sollte das Personal im Zug nicht eher die Passagiere begleiten? Unter einem „Zugführer“ stelle ich mir an sich den Fahrer in der Lokomotive vor. Doch die Herren und Damen, die sich per Lautsprecher als solche vorgestellt haben, sind ständig im Zug unterwegs und damit sicher (hoffentlich?) nicht der Chauffeur.
Oder „Triebwagen“. In Bahnsprech gibt es keine Lokomotiven. Auch keine Waggons – dafür „Zugteile“ und „Wagen“. Woran ich mich bis heute nicht gewöhnt habe, ist die Ankündigung des Zielbahnhofs. In Drehbüchern oder auch nur wenn Kinder Zug spielen, heißt das: „Endstation, alles aussteigen.” Die so genannte Wirklichkeit mutet uns zu: „Der Zug endet hier.“ Dass eine Fahrt endet, leuchtet mir ein. Auch ein Gegenstand darf von mir aus enden, nämlich wenn man seine Maße angibt. Mein Büroteppich beginnt an der Türe und endet am Fenster – fein. Auch ein Zug hat einen Anfang (Lokomotiv-Schnauze) und ein Ende (Schlusslichter). Doch wie kann er in Hamburg enden?