Hausbesuche [1]
Montag, 19. Juli 2004 um 22:55“Der französische Neurologe Francois Lhermitte geht in dieser Hinsicht besonders sensibel vor. Statt seine Patienten nur in der Klinik zu beobachten, sucht er sie zu Hause auf, geht mit ihnen in Restaurants oder Theater, macht mit ihnen Ausflüge im Auto und nimmt so weit wie möglich an ihrem Leben teil. (Ähnlich verhält oder verhielt es sich mit den Hausärzten. Als sich mein Vater auch als Neunzigjähriger noch nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen, sagten wir ihm: „Gib wenigstens die Hausbesuche auf“, aber er antwortete:„Nein, ich behalte die Hausbesuche bei und gebe dafür alles andere auf.“)”
aus:Oliver Sacks, Eine Anthropologin auf dem Mars – sieben paradoxe Geschichten
die Kaltmamsell2 Kommentare zu „Hausbesuche [1]“
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20. Juli 2004 um 2:59
Respekt! Ärzte, die gerne Hausbesuche machen, sind heute sehr rar geworden.
20. Juli 2004 um 14:58
Ja, leider sind die rar geworden.
Ein Hausbesuch, der ja doch einiges an Zeit kostet, wird im Vergleich zu vielen von den aufwendigeren apparativen Untersuchungen immer noch sehr dürftig honoriert. Da haben viele Kollegen nach einer stressigen, zehnstündigen Sprechstunden einfach keine Lust mehr, die Tasche zu packen und sich auf den Weg zu machen.
Das kann ich auch ganz gut verstehen.
Schade ist es schon, denn die nachfolgenden Medizinergenerationen verlernen vielleicht diese Königsdisziplin ärztlichen Handelns.
Dabei sind der Blick in eine Wohnung und das Miterleben familiärer Interaktionen oftmals sehr viel aussagekräftiger, als zehn Laborwerten zusammen.
Und wenn man die dann auch noch hat, die Laborwerte und alles, was es sonst noch so an "schulmedizinischem" Rüstzeug gibt, dann hat man den Punkt erreicht, wo die Medizin aufhört und die Heilkunst anfängt.
Eine effiziente und in vielen Fällen auch ausgesprochen kostensparende Heilkunst.