Auf meinem Weg in die Arbeit – 1

Montag, 11. Oktober 2004 um 15:24

An sich will ich seit Wochen eine Serie über meine Erlebnisse auf dem Weg in die Arbeit beginnen (inspiriert von Onmywayintowork). Fast jeden Morgen formieren sich auf den letzten 300 Fußmetern bis zur Firma bereits die ersten Sätze für den Blog-Eintrag. Weil als Zugführer wieder der Gute-Laune-Terrorist Dienst hatte. Oder am anderen Ende des Großraumwaggons zwei Passagiere lautstark Reise- und Bahnerlebnisse austauschten und mich unter anderem zu Kenntnissen über die kostenlosen Fahrräder in Wien zwangen. Oder weil ein Herr, der einschließlich Gepäck vier Sitze belegte, mich verächtlich anschaute, als ich darum bat, mich auf einen davon setzen zu dürfen.

Doch beim Eintreffen in meinem Büro kam bislang noch jedes Mal etwas dazwischen: Dolchstoß-Emails im Posteingang, Anrufe mit dringenden Anliegen, eine aufregende Wochenend-Geschichte der Kollegin, Laufmaschen. Und dann war der Schreib-Impuls verflogen.

Heute, wo sich dieser Impuls ausgerechnet um zwei Uhr nachmittags meldet, war der Arbeitsweg zwar nicht bemerkenswert. Aber so bekommt die neue Serie wenigstens Steigerungspotential.

Nachdem ich noch früher als sonst aufgestanden war, um mit dem Mitbewohner Möbel und Geraffel zur Sperrmüllabholung vors Haus zu tragen (ich verschweige die genaue Uhrzeit aus Rücksicht auf zart Besaitete), lief ich wie jeden Morgen zur Straßenbahn, die mich zum Münchener Hauptbahnhof brachte (hinzu bin ich faul und will gefahren werden, zurückzu laufe ich). In einer Hand hielt ich meinen Thermosbecher mit Milchkaffee (kennen wir ja aus amerikanischen Fernseh-Serien, ich fühle mich damit mindestens so lässig wie Rachel morgens auf dem Weg in ihr Büro bei Ralph Lauren), in der anderen meine Arbeitstasche. Im ICE setzte ich mich auf den Gangplatz neben eine Dame, die ich zu spät als die Mit-Pendlerin erkannte, die immer schon zehn Minuten vor der planmäßigen Ankunft aufsteht – sonst erkennt man Pendler üblicherweise am sekundengenauen Timing beim Packen, Aufstehen Jackenanziehen. Ich musste also zehn Minuten vor Ankunft mein SZ-Feuilleton mit den schönen und eitlen Derrida-Nachrufen wegstecken und die Dame rauslassen – um ihr zehn Minuten später vor der Tür erneut zu begegnen. Vielleicht finde ich ja mal raus, was sie zu diesem Verhalten bewegt.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Auf meinem Weg in die Arbeit – 1“

  1. OWeh meint:

    Vergleichbar mit der weit verbreiteten Sitte, schon ewig vor der beabsichtigten Haltestelle aufzustehen, ist der Brauch, Haustür- /Autoschlüssel schon mindestens zwei Ecken vor dem Zielschlitz herauszukramen und drehbereit in der Hand zu halten. Auch hier ein kräftiges: »Warum?« meinerseits.

    Bemerkenswert beim Zug: Die Zeitspanne zwischen Aufstehen und Ankunft ist proportional zur Dauer der Reise. Kommen die Mitreisenden aus Augsburg, drängeln sie üblicherweise erst nach der Hackerbrücke Richtung rettender Tür. Reisen sie aber z.B. aus Berlin an, wird schon vor Laim in Richtung Auslass gestanden.

  2. Albertsen meint:

    Ich frag mich gerade, wohin man von München aus mit dem ICE pendelt.

  3. elle meint:

    Oh, ich kenne das. Ich zähle nämlich zu den Paranoikern, die immerzu Angst haben nicht den Zug, die Bahn oder den Bus verlassen zu können, weil jemand auf dem Platz zum Gang sitzt und einen nicht durchlässt. Natürlich ist es mir nie passiert, dass mich jemand nicht durchgelassen hätte, aber es könnte irgendwann ja mal passieren. Deshalb beginne ich auch zehn Minuten vor Ankunft unruhig hin und her zu rutschen und 7 Minuten vor Ankunft bitte ich die Person neben mir, mich rauszulassen. Dann ramme ich das arme Opfer sicherlich auch noch mit meiner Tasche oder meinen Beinen oder meinen Armen und dann stehe ich glücklich am Ausgang, wissend, dass ich als eine der ersten den Zug verlassen kann.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Augsburg, Herr Albertsen. Der ICE zur Hinfahrt ist unvermeidlich um diese Zeit, da der Zeitpunkt der Rückfahrt stark wechselt, möchte ich einfach in den nächsten Zug steigen können.

  5. Claus meint:

    Lasst sie doch aufstehn! Clevere Pendler nehmen eh nur Fensterplätze. Sind die nicht zu haben, wird gefälligst bis sehr kurz vor der Ankunft geschlafen.
    Wenn dann jemand viel zu früh raus will, kann man dem Störenfried wenigstens inbrünstig und voll ehrlicher Verachtung mit den mit tödlichen Blicken eines ach so sehr vor seiner Zeit geweckten Instantschläfers strafen.
    Um dann laut & genervt grummelnd (“ja, natürlich dürfen Sie vorbei”) sehr langsam und umständlich randalierend Platz zu machen…

  6. die Kaltmamsell meint:

    elle, Paranoiker ernten umgehend mein Mitgefühl. Und diese Oh-mein-Gott-ich-komm-hier-nicht-rechtzeitig-raus-Paranoia verschwindet auch nicht, wenn dieselbe Strecke täglich gefahren wird?

  7. elle meint:

    Nein, das einzige was hilft ist am Rand zu sitzen oder neben einem/einer guten Bekannten zu sitzen.

  8. mo meint:

    oder menschen, die im flugzeug sofort aufstehen müssen, kaum dass die fasten seatbelt signs erloschen sind, auch wenn sie in auf platz 43a sitzen und sich der von den charmanten saftschubsen koordinierte aussteigevorgang bestimmt noch 10min braucht bevor sie sich bewegen können…
    extrapunkte gibt es für die spezies, die eben jene 10 minute in gebückter haltung unter dem gepäckfach ausharren.

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