Kurz bevor ich das Todesurteil an mir vollstreckte
Samstag, 20. November 2004 um 17:17Träume von Leuten, die ich nicht kenne, interessieren mich überhaupt nicht. Ich gebe zu, dass ich von einem Blog sofort weg klicke, wenn ich bemerke, dass ein Text bloß einen Traum wiedergibt. Aber, hey, das hier ist mein Wohnzimmer. Ich erinnere mich selten genug an meine Träume, und praktisch nie sind sie zusammenhängend genug, dass ich sie erzählen kann. Da scheint der Herr Darmvirus – sitzt immer noch als Faust in meinem Bauch – nachgeholfen zu haben.
Ich war gerade in sonnigen Augsburger Altstadtgässchen unterwegs. Eben hatte ich den staubigen Laden verlassen, in dem man mir die Tabletten gegeben hatte, und ging in Richtung meiner schnuckigen Hinterhaus-Wohnung am Elias-Holl-Platz. Man hatte mich zum Tode verurteilt, also musste ich daheim die 60 Tabletten nehmen. Komisch, hatte man in Deutschland die Todesstrafe nicht eigentlich abgeschafft? Da musste ich wohl irgendwas durcheinander gebracht haben. Tabletten gegen Brechreiz waren auch dabei. Sollte ich die vor den anderen Tabletten nehmen oder danach? Vermutlich vorher.
Mittlerweile war ich aus dem Ullrichs-Viertel auf die sommerliche, aber für einen Vormittag ungewöhnlich ruhige Maximilianstraße gebogen.
Komisch auch, dass man von mir erwartete, dass ich allein die Todesstrafe vollzog. War das nicht normalerweise eine öffentliche Veranstaltung? Mit Zeugen und so? Andererseits war es mir eh lieber, wenn ich das für mich allein machen konnte. Fand ich eigentlich sogar recht rücksichtsvoll, wo es mir ja ziemlich peinlich war, dass man mich zum Tode verurteilt hatte.
Was für ein herrlicher Tag. An sich passte es mir nicht in den Kram, dass ich ausgerechnet heute zu Tode kommen sollte. Aber was sein musste, musste sein. Moment, vorher sollte ich allerdings noch ein paar Listen schreiben, ordentlich Übergabe machen. Was zum Beispiel mit dem Hund zu geschehen hatte. Und mit der Wohnung. Kontonummern, Schlüssel, Verträge und all sowas.
Wie sollte ich die Tabletten am besten einnehmen? Sie waren so groß wie Antibiotika-Bomber, da würde ich nie 60 Stück einzeln schaffen. Auch nicht halbiert, da müsste ich ja 120 Mal schlucken. Die Gefahr war zu groß, dass ich nach der Hälfte schon die Besinnung verlieren würde. Also mit dem Mörser zerstampft, in irgend einem leckeren Saft aufgelöst?
Nein, eigentlich war das ein ziemlich blöder Zeitpunkt, das Leben aufhören zu müssen.
Symbolistische Deutungen halte ich für Blödsinn, so einfach ist der Mensch nicht gestrickt. Ich freue mich bereits darüber, dass ich zumindest im Traum etwas dagegen hatte, nicht zu leben.
die Kaltmamsell7 Kommentare zu „Kurz bevor ich das Todesurteil an mir vollstreckte“
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20. November 2004 um 19:39
Mit der Freude bist du nicht alleine. :-))
Ich habe sowas auch schon geträumt. Und vermute, dass einem das Unterbewusstsein mit solchen Bildern sagt, dass man sich selbst bestimmt. Ich regle meine Angelegenheiten, ich bin erwachsen. Das sagt man sich selten im Wachzustand weil es so profan ist und keinen Stichtag hat.
20. November 2004 um 20:01
Vielleicht an sich nicht lustig, aber ausgesprochen lustig erzählt! Vielen Dank auch – habe heute das erste mal beim Herumlesen lachen müssen. Meine Lieblingsstelle: „An sich passte es mir nicht in den Kram, dass ich ausgerechnet heute zu Tode kommen sollte. Aber was sein musste, musste sein.“ Sie scheinen eine recht praktische Person zu sein! War das eigentlich ein Alptraum oder so là là?
20. November 2004 um 20:08
Albtraum war es keiner (nb, weil es woanders um die Schreibung ging: Ich mag Alb- lieber, weil ich da immer an das Bild Der Nachtmahr von Füssli denke.), das Grundgefühl war eher der Unwillen, wie man ihn vor einer unangenehmen beruflichen Erledigung spürt.
20. November 2004 um 20:33
ah! Gut. Somit war ich nicht in der Gefahr von Pietätlosigkeit. Mit dem Alb oder Alp bin ich immer hin- und hergerissen und halte es mal so, mal so – ganz nach Wetterlage. Der Alp ist eher Kindheitsrelikt. Ich musste, als ich klein war, immer an die Alpen denken, wenn das Wort fiel – bis ich es mit zunehmendem Alter langsam verstand.
20. November 2004 um 21:15
Couchemar, auch ein schönes Wort. Laufen Sie mal nicht zuviel herum mit dem geschwächten Kreislauf… Na gut, frische Luft weckt offensichtlich Lebensgeister.
21. November 2004 um 7:21
es muss der ort sein.. da bin ich fast sicher..
hätten sie von münchen geträumt, wären sie wahrscheinlich dazu verurteilt worden, einen parkplatz in der prinzregentenstrasse finden zu müssen.. in berlin – sämtliche ersparnisse im kadewe auszugeben.. in hamburg – einen buchladen finden, der nach 18:00 noch geöffnet hat..
aber augsburg….. ;)
baldige besserung..
21. November 2004 um 10:01
Und in NYC hätte man sie dazu verurteilt, Sonntag nachmittag in Chinatown Briefmarken zu kaufen…