Wie von Muttern
Sonntag, 28. November 2004 um 14:07Plätzchenbacken, das hat mir tatsächlich meine Mutter beigebracht. Ich bin mal im Geiste durchgegangen, welche Fertigkeiten, welches Wissen ich von meiner Familie gelernt habe. Und wurde sehr traurig, wie wenig das ist. Mir fiel die Kommilitonin ein, die ich immer beneidete, weil sie Kräuter und Pflanzen auf der Wiese vor der Uni-Mensa benennen konnte, sogar die Fische in den Teichen des Campus. Das wusste sie alles von ihrem Apotheker-Opa.
Aber als ich gestern Dukatenplätzchen backte (die Blockade scheint überwunden), wurde mir klar, dass ich nicht nur dieses Rezept, sondern auch die meisten Kniffe des Plätzchenbackens von meiner Mutter habe.
Sonst war sie viel zu ungeduldig und aufbrausend, als dass sie mir etwas beigebracht hätte. Jedes Mithelfen in der Küche endete in Streit und meinem bockigen Rückzug, weil ich ihr die Zwiebeln nicht schnell genug oder in beleidigender Weise umständlich schnitt. Die Nähkünste meiner Mutter waren schon deshalb als Lerninhalte nicht attraktiv, weil sie jede Arbeit an der Nähmaschine mit einem Strom bayerischer Flüche begleitete, unterbrochen nur vom Geschepper eines handgreiflichen Wutausbruchs, wenn die Nähmaschine sich ihrer Meinung nach mal wieder besonders renitent verhielt.
Na gut, ein wenig lernten mein Bruder und ich Putzen und Bügeln (z.B. dass eine Toilettenschüssel nicht nur ein Oben und Innen hat, sondern auch ein Außen und Drumherum / dass Bad- und Küchenarmaturen durch Nachbehandlung mit Essig glänzen (mache ich heute nie) / beim Saugen nicht die Ecken vergessen / beim Hemdenbügeln mit Kragen und Knopfleiste anfangen, dann Ärmel, dann den Rest – solche Sachen halt).
Aber im Advent gehörte zu Mutters in Stein gemeißelter Vorstellung einer richtigen Familie, dass mit den Kindern Plätzchen gebacken wurden. Das fiel in die Kategorie Freude (nicht Pflicht), vermutlich hatte meine Mutter deswegen genug Geduld. Sie zeigt mir, wie Mürbteig mit dem Handballen geknetet wird, wie man die Arbeitsfläche mit Mehl bestäubt, dass man das Nudelholz beim Ausrollen nicht zu fest ausfdrückt, dass man beim Verkneten von Teigresten meist ein wenig Butter untermischt, dass man die Schneidefläche der Plätzchenförmchen immer wieder im Ausroll-Mehl benetzt (außer beim Ausstechen von Zimtsternen, da stippt man das Förmchen in Puderzucker), dass man Spritzgebäck mit dem Fleischwolf macht und zum Nutzen des letzten Teigrestes darin einen Brotkanten nachschiebt. Zudem habe ich von meiner Mutter das Rezept für die idealen Vanillekipferl, für Schokoladenbrot, für Walnusskringel.
(Andererseits war für meine Mutter auch das Plätzchenbacken ein Konkurrenzkampf. Nach jedem der zahlreichen Adventskaffeekränzchen lästerte sie ausgiebig über die Freundinnen, die ihrem Urteil nach zu große / zu mehlige / zu lange gebackene / zu wenige Sorten serviert hatten.)
Da ich im Gegensatz zu meiner Mutter mit wissenschaftlichem Forscherdrang auf die Welt gekommen bin, führte meine Freude am Backen schnell zu ausgiebigen Recherchen. Ich sog jeden Tipp in Frauenzeitschriften oder in Backbüchern auf, probierte, analysierte, tauschte mich mit Freundinnen und Freunden aus. Bereits im Alter von 15 hatte ich die Weihnachtsbäckerei komplett an mich gerissen. Ich sorgte für die Anschaffung eines Backbretts, eines Mehlsiebs, verschiedener Teigräder, für den Tausch von „schokoladenhaltiger Fettglasur“ gegen echte Kuvertüre. Meine Mutter räumte anerkennend das Feld und ruft mich noch heute Rat suchend an, wenn sie am Backen ist.
Heute ist meine Mutter übrigens ganz anders, viel lässiger und gelassener. Nur damit sich niemand fürchtet, wenn er zufällig mal vor Mutter Kaltmamsell steht.
die Kaltmamsell3 Kommentare zu „Wie von Muttern“
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28. November 2004 um 17:00
HUNGER!
28. November 2004 um 19:15
Warum wohne ich nicht in München, und kann mich bei Ihnen zum Kaffee-und-Plätzchen-Essen einladen? Das sieht ja verdammt gut aus.
Sonst ist dem Kommentar von Frau Gröner eigentlich nichts hinzuzufügen.
29. November 2004 um 20:25
Seit ich in einer eigenen Wohnung wohne bin ich beim Plätzchenbacken (Kekserl backen) nie über das Teigstadium hinausgekommen. Den ewigen Kindheitstraum ENDLICH nur den Teig essen zu dürfen habe ich mir erfüllt. Danach war mir schlecht und ich hab nie wieder Kekserl gemacht.