Bekenntnisse eines ehemaligen Sport-Junkies

Dienstag, 7. Dezember 2004 um 10:51

Did you feel anxious if you couldn’t take exercise you had planned to do?
Aber hallo. Vor allem an den Feiertagen, an denen mein Fitness-Studio geschlossen hatte. Und ich dachte, das sei normal, denn schließlich war ich im Studio von Frauen umgeben, die ständig wiederholten: “Wenn ich nicht jeden Tag meinen Sport bekomme, fühle ich mich einfach nicht wohl.”

Did you ever exercise when you knew you were ill or injured?
Selbstverständlich. Bei schwerer Erkältung muss man doch nur darauf achten, den Puls deutlich unter 120 zu lassen; für eine frisch genähte Wunde muss man allerdings Ersatz-Verband einstecken, die blutet gerne mal bei heftiger Bewegung. Auch das hielt ich lediglich für einen Beweis meiner Freude am Sport.

Was your main reason for exercising to control your weight and change the way you look?
Eines war kein Selbstbetrug: Aerobics machte mir sehr viel Spaß. Aber warum bin ich dann vor dem Turnen für 30 Minuten auf den Stepper gestiegen? Und, wenn vorhanden, nochmal 20 Minuten ans Rudergerät gegangen? Weil wir ja alle wissen, dass die Fettverbrennung erst einsetzt, wenn der Puls mehr als 20 Minuten erhöht ist. Rückblickend: Kleidergröße 36-38 konnte ich zehn Jahre lang praktisch nur durch eisernes Ausdauersporteln halten.

Did you exercise to help control the way you feel, especially if you are angry or sad?
Nein.

Did you often take exercise instead of dieting to compensate for eating too much?
Klar. Abends steht ein mehrgängiges Menü in einem edlen Restaurant an? An zwei Tagen zusätzlich zum Aerobics-Hüpfen jeweils 45 Minuten auf dem Stepper. Plus jeweils die Mahlzeit danach ausfallen lassen.

Der Independent schreibt über Stressorexics: “Growing numbers of British adults are threatening their health with a dangerous combination of weight-watching and compulsive exercise.”
Grässliches Wort, bekannte Erscheinung. Wer drei oder mehr der Fragen oben mit Ja beantwortet, so schreibt der Independent, sei nah am Krankhaften. Ich habe die Fragen in die Vergangenheit gestellt, weil ich seit gut zwei Jahren weg davon bin. Zuletzt machte ich noch eine Ausbildung zur Aerobic-Trainerin und bekam einen Pulsmesser geschenkt, dann hatte ich schlagartig keine Lust mehr. Überhaupt nicht.

Doch erst jetzt kommt mir mein jahrelanges Sporttreiben zwanghaft vor. Da lese ich als Fallbeispiel im Independent-Artikel: “I was going to the gym for up to two hours a day”, und denke mir: Und? Das war für mich normal. Zwar machte ich in fast jeder Woche einen Tag Pause (Radfahren in die Arbeit oder zum Einkaufen zählte ich nicht), dafür nahm ich ein paar Mal an einem „Aerobics-Marathon“ teil und hopste da fünf bis sieben Stunden durch. Zudem ging ich regelmäßig Laufen und manchmal Schwimmen.

Irgendwann hatte ich eigenartige Muskelschmerzen, die der Arzt mit Magnesium- und Eiweiß-Mangel erklärte. Von da an nahm ich Pülverchen und Tabletten, um so viel Sport treiben zu können. Nur: Da ich das in einer Umgebung tat, für die das selbstverständlich war, kam mir selbst das nicht seltsam vor.

Hoffentlich finde ich irgendwann einen Weg, mir den reinen Spaß an der Bewegung zurück zu holen, denn den vermisse ich wirklich.

die Kaltmamsell

11 Kommentare zu „Bekenntnisse eines ehemaligen Sport-Junkies“

  1. Jeremin meint:

    Laufen. Im Freien. Mit Lieblingsmusik auf den Ohren. Kamera mitnehmen und anhalten, wenn man will. Oder, wenn im Dunklen gelaufen wird, hemmungslos den Leuten in die Fenster gucken. Und nachher eine heiße Pizza reinrammen…;-)

  2. kid37 meint:

    Am Sonntag hörte ich ein interessantes Gespräch im Deutschlandfunk, in dem Prof. XX (mein Namengedächtnis!) – ein Irgendwas-Mediziner (mein Berufegedächtnis!) – über neuere, bzw. seine physiologischen Erkenntnisse zum Thema Sport sprach. Daß beispielsweise die ständige Übersäuerung beim Joggen den Körper unter solchen Stress setzt, daß er diesen glücklichmachenden Hormoncocktail ausstößt.

    Jogger empfänden das als angenehm und befriedigend – für den Körper aber bedeute dies eine permanente Überbelastung. Es gibt wohl Hinweise auf etliche Zusammenhänge mit verschiedenen Krankheiten (wie das so ist mit diesen Studien). Er jedenfalls vertrat das Konzept des “Sportelns”: “Joggeln” statt Joggen, Radeln statt Hetzen, Schwimmen…

    Seiner Theorie nach, sei es gesünder, den Körper durch unbelastende Dehnübungen (oder Sachen wie Zähneputzen in der Skihocke) fit zu halten, als ihn durch extensiven Sport kaputt zu machen.

  3. Lisa Neun meint:

    Und heute beim Mittagessen in der Kantine hat dieser dünne Kollege wieder erzählt von den Jägern, die dem Wild nachlaufen mussten früher, und dass der Mensch deshalb rein kulturell (hat er so gesagt!) ein laufendes Wesen sei, und dass wir uns alle viel zuwenig bewegen, wider unsere Kultur (hat er wirklich so gesagt), und dann hat er vom Fitnesstudio erzählt und vom Spin-Biking und dass die Altersdiabetes von der Bewegungslosigkeit kommt. Ich habe derweil Leberkäs gefuttert.
    Obwohl – diese Endorphinausschüttung nach einer Stunde Step-Aerobic die hat schon auch was.

  4. Wendelbald Klüttenrath meint:

    Öha! Jetzt weiß ich, was in jedem Einkaufszentrum fehlt: Der Jägermarkt, in dem der Kunde seinem Rollbraten hinterherlaufen muß, bevor er die Beute zur Kasse tragen kann ;-)

  5. marion meint:

    ich glaub auch, das wir eher an zu wenig Bewegung krank werden, oder an den Extremen. (ich müsste mal wieder :-)
    Meine Schwester schwört auf Yoga, hält schön beweglich und tut ihr gut. Ich hab da nicht so die Geduld.

  6. kid37 meint:

    Sie müssen nicht von einem Extrem ins andere fallen ;-) Der Ausgangstext malt ja das Bild einer besessenen Körperquälerin. Man hört in dieser Sache sowieso immer nur “powern”, “kämpfen”, “inneren Schweinhund besiegen” – das ist doch Krieg gegen den Körper, offenbar.

    Dagegen ist wohl die maßvolle, aber ständige Bewegung zu setzen. Prof. XY (ich muß das mal beim DLF nachschlagen) sieht den gesunden Menschen permanent in Bewegung – aber maßvoll. (Er meinte, Dehnübungen, vom Zehenanspannen bis Schulterkreisen, kann man auch im Stau oder in der U-Bahn.) Yoga ist bestimmt auch gut.

  7. Lila meint:

    Ist wohl auch Temperamentssache. Ich persoenlich habe immer am liebsten eigenhaendig die Buchseiten umgeblaettert und alle anderen Arten koerperlicher Betaetigung Anderen ueberlassen… Okay, meine Eltern haben mich zum Tennis, Leichtathletik und Skifahren gezwungen. Manchmal hat’s auch Spass gemacht. Ich walke auch gern entspannt und lange mit meinem Mann um die Gemeinde (kann ich im Moment gesundheitsmaessig nicht und es fehlt mir sehr). Aber in ein Fitnesstudio gehe ich bestimmt nie. Ich habe keine Beziehung zu Maschinen, weder intellektuell noch koperlich. Und Aerobic findet, soweit ich weiss, mit Musikbegleitung statt – wenn ich am kibbuz-eigenen Fitnesstudio vorbeikomme, hoere ich den Laerm und stelle es mir als Qual vor, mich dazu bewegen zu muessen. Ich habe jahrelang koerperlich schwer gearbeitet und das reichte mir aus, um mich fit zu fuehlen. Seit ich krank bin, nehme ich leider zu… aber bis nicht einer eine Sportart erfindet, bei der man sich nicht bewegen muss… Bewegung bedeutet im Moment leider einfach nur Schmerz, sogar das sich im Bett umdrehen tut weh. Von daher beneide ich alle, die die Wahl haben.

  8. die Kaltmamsell meint:

    “Krieg gegen den Körper” ist gut zusammen gefasst, kid. Rückblickend sehe ich das auch so.
    Lila, ich habe mir meine Aerobics-Stunden durchaus nach der Musik ausgesucht, schließlich gefiel mir je gerade das Tänzerische daran; jeder Trainer hatte seine Vorlieben. Ich ging immer gezielt in Stunden mit lateinamerikanischer Musik – da bin ich über meinen Stepp geflogen! Lisa weiß anscheinend, was ich meine.

    Es kann schon ganz praktische Vorteile haben, richtig gut trainiert zu sein. Einmal habe ich nach einer Party meinen letzten Zug nach Hause nur erwischt, weil ich zum Bahnhof gerannt bin – etwa 3 Kilometer, im Schweinsgalopp. Und ich war lediglich leicht aus der Puste.

    Am einfach Losjoggen hindert mich im Moment der Mangel an passender Kleidung. Wenn die Hose nicht zu meinen Asics-Schuhe passt, kann ich mich an der Isar doch nicht sehen lassen. Nur Spaß.
    In Wirklichkeit bräuchte ich für meine mehreren Kilo Oberweite einen Anti-Gravitations-BH, der das Schwabbelzeug wirkungsvoll an den Brustkorb tackert. Sonst ist Laufen wirklich, wirklich unangenehm.

  9. marion meint:

    nanana, Sie sind ein bißchen zu gemein zu sich.

  10. die Kaltmamsell meint:

    Ich könnte noch gemeiner sein:
    http://www.k10k.net/pages/front_frames/frm_wulffmorgenthaler.aspx?wmID=915

  11. mariong meint:

    tatsächlich, gewonnen!

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.