Die Sache mit dem Kapitalismus

Sonntag, 1. Mai 2005 um 10:47

Damals, als in der New Economy Zwölf-Mann-Softwarefirmen auf einmal extrem hohe Aktienkurse an der Börse hatten, kapierte ich das alles nicht und führte es darauf zurück, dass meine Wirtschaftskenntnisse aus wenigen Jahren gymnasialem Unterricht in Wirtschaft und Recht (eine Wochenstunde) bestanden. In den Jahren 2000 / 2001 stellte sich heraus, dass ich das in der Schule dann doch richtig verstanden hatte.

Nur deshalb traue ich mich jetzt, in der Kapitalismusdebatte mitzudenken: Weil mir der Herr Heckl damals vielleicht doch genug und das Richtige beigebracht hat.

Also: Kapitalismus ist, wenn die Produktionmittel wem anders gehören als die eingesetzte Arbeit und wenn der Gewinn, der damit erzielt wird, nur dem zukommt, dem die Produktionsmittel gehören. Richtig?

Bei Wikipedia lautet das so:

Der Kapitalist bekommt durch die Rendite seines Eigenkapitals das Risiko, das er mit dem Einsatz seines Kapitals auf sich genommen hat, sowie den vorläufigen Verzicht auf das investierte Kapital abgegolten (Opportunitätskosten) – in durchaus unterschiedlicher Höhe (diese hängt von seiner Verhandlungsstärke auf dem Arbeitsmarkt ab). Er strebt also nach Maximierung seiner Eigenkapitalrendite.

Wenn aber der Arbeiter und der Angestellte selbst direkt Aktien besitzen oder indirekt, weil sie ein Erbe oder Ähnliches in einen Fonds oder eine Kapitalgesellschaft investiert haben, sind sie ja selbst gleichzeitig Kapitalisten. Dann kommen ihnen doch über eine oder mehrere Ecken ebenfalls die Gewinne zu. Folglich (ist zwar paradox, müsste aber stimmen): Sie machen unbezahlte Überstunden oder verlieren gar ihren Job ans weniger verdienende Ausland, damit sie für ihre Investitionen (private Altersvorsorge oder blanke Gier etc.) etwas bekommen. Das heißt aber, das sie den Finanzkonsortien, die genau dafür sorgen, dass die die geldanlegenden Arbeiter und Angestellten aus dem eingesetzten Geld auch mehr rausbekommen, keinen Vorwurf machen können.

Hehehehehe….!

(Nee, ich selbst habe keine Aktien und keine Investitionen – halt, eine kleine Lebensversicherung -, keine Immobilien und kein Auto. Ich persönlich gedenke mein Alter in einem 12-Quadratmeter-Zimmerchen mit Kochnische und in öffentlichen Büchereien zu verbringen. Weswegen ich sehr für den Erhalt der Kultursubventionen bin.)

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Die Sache mit dem Kapitalismus“

  1. Michael meint:

    a) machen manche der 12-Mann Firmen mittlerweile Milliarden oder Millionen
    b) können die aktienbesitzenden Angestellten den Finanzkonsortien den Vorwurf machen, daß diese nur an kurzfristige Gewinne interessiert sind, da sie Ihre Investitionen schnell umschichten können/müssen, Angestellte aber ein zumindest mittelfristiges Interesse haben
    c) gilt deine Definition für _Produktionsmittel_ / das kann man so nicht einfach auf Finanzmärkte abbilden (weshalb manche Theoretiker und Praktiker meinen, das “Geld” hätte zu einer Pervertierung der Märkte geführt – und ab hier wirds komplexer, denn was Du oben beschreibst (Aktienbesitz an Unternehmen durch Arbeiter), könnte per se
    eine praktikablere Variante des sozilistischen Volkseigentums sein – ist es aber nicht ;-)

    was
    a) zu der Notwendigeit einer neuen Kapitalismusdefinition führt,
    b) zu einer Stunde nachsitzen in Wirtschaft ;-) und
    c) deine politische Karriere begründen könnte

  2. cosmo meint:

    Wenn die Rechnung mit den Opportunitätskosten aufgeht, dann gerne.

  3. L9 meint:

    Ha – das ist genau die Argumentation der chinesischen Führung gewesen, diese Art von Kapitalismus zuzulassen – weil wenn es sich um Aktiengesellschaften handelt, gehört es ja irgendwie auch dem Volk.

  4. der Haltungsturner meint:

    Feine Comedy an einem passenden Tag :-)

  5. typ.o meint:

    ich freu mich das zu lesen, es ist angenehm zu sehen, daß es immer noch einzelne gibt, die wie ich lieber ihr geld zum edelmetzger tragen und in die kneipe, und sich von diesem geilen dividendenjagen nicht haben anstecken lassen. ich lächle dann immer fein, wenn mir jemand mal wieder weis machen möchte, daß ich doch un-be-dingt mein geld in die anlagemöglichkeit nnn stecken soll, und sage, ne das ist nix für mich.

    ich lebe nett in einer mietwohnung, habe ein paar fahrräder und einen ollen roller, klappstühle und zwei prima edel-pfannen, und gut ist. und für bookzilla habe ich einen festen link auf dem desktop, da kaufe ich völlig enthemmt bücher, und fahre gerne aus der kneipe mit dem taxi heim.

  6. Pathologe meint:

    Was der kleine Aktienbesitzer aus seiner Position allerdings nicht erkennt (oder erkennen will), ist die Verhältnismäßigkeit der Dinge. Denn er setzt einfach zuviel (seinen Arbeitsplatz) ein, um zu wenig (die Dividende) zu bekommen. Rein rechnerisch ist er zwar am Gewinn beteiligt, den Reibach machen aber immer noch die anderen.

    Hier schmeißt einer mit der Wurst nach dem Speck, um schließlich nur einen Kanten Brot zu bekommen, der nach Speck riecht… Aber er fühlt sich gut dabei!

    @Michael: Ja, manche der 12-Mann-Klitschen machen richtig viel Geld. Aber eben nur manche. Der Großteil der anderen trifft sich bei OpenBC und trauert der schönen Zeit nach.
    Das Geld ist nicht weg, das haben jetzt nur andere! Nämlich die, die auch im oberen Absatz den Reibach machen.

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