Reisetagebuch Brighton 2005 (Montag)
Dienstag, 24. Mai 2005 um 13:36Beim Fruehstueck wieder sehnsuechtig ein grossformatiges Bild an der Hotelbar betrachtet und bedauert, dass ich keinen Platz fuer Bilder habe, weil meine Waende fast komplett von Buechern bedeckt sind. Mein Reisebegleiter informierte mich, dass es “Artotheken” gibt, in denen man sich Kunstwerke ausleihen kann. Woraufhin ich die Idee fuer ein Kunsthotel entspann, denn das brauche ich viel eher: ein Ort, an dem man Kunst ausstellen kann. Ich wuerde das Bild im Pelirocco kaufen und ins Kunsthotel bringen, wo es gegen eine Miete an eine passende Wand mit passender Beleuchtung gehaengt wuerde. Wann immer ich mein Bild anschauen wollte, koennte ich es besuchen. Dieses Kunsthotel haette auch eigene Saele fuer Skulpturen und Installationen (mit Oberlichtern). Es gaebe einen oeffentlichen Teil, den jeder besichtigen kann, auch wenn ihm das Kunstwerk nicht gehoert, und einen nichtoeffentlichen fuer die Kunstbesitzer, die sich das Privileg des Betrachtens vorbehalten. Ich stellte mir gleich die Familien dazu vor, deren Sonntagsspaziergang immer einen Besuch im Kunsthotel einschliesst: “Papa, gehen wir unsere Bilder anschauen?”
Ausflug nach London, um das Globe Theatre anzuschauen. Auf dem Weg dorthin einen wunderbaren Ausblick ueber die Themse und den blau-grau-weiss gefleckten Himmel gehabt. Im Globe an einer Fuehrung teilgenommen, zwischen zwei Proben fuer Perikles. Es ist wundervoll, dass es wieder ein Globe Theatre gibt, und ich bewundere sehr, wie es genutzt wird: verschiedene Ansaetze fuer Shakespeare-Inszenierungen (alle dokumentiert in der riesigen Ausstellung), eigens fuers Globe geschriebene Stuecke, Auffuehrungen auslaendischer Theater-Ensembles mit eigenwilligen Shakespeare-Interpretationen. Die Ausstellung deckt mit den verschiedensten Medien alle wichtigen Bereiche des Shakespeare-Theaters ab, von der Geschichte dieses Stadtviertels und die Recherchen, die fuer die Rekonstruktion des Theaters noetig waren, ueber Informationen zur elisabethanischen Auffuehrungspraxis samt Kostuemen und Musik bis zu den Problemen der Textarbeit fuer Shakespeare-Inszenierungen.
Abends extrem leckeres indisches Essen in der Londoner Brick Lane, bei dieser Gelegenheit festgestellt: Den Konstantin gibt es wirklich!
Auf der Heimfahrt im Zug das Sunday Times Style Supplement gelesen und erfahren:
Recycled 1980s pop is set to be the sound of the summer. Handbags in the middle – clubbing has rediscovered its inner Sharon.
Einfach gestrickt wie ich bin, war ich umgehend stolz, dass ich weiss, wovon die schreiben: In den 80ern (und in dem gottverlassenen walisischen Nest, in dem ich ein Jahr studierte, auch noch Anfang der 90er) tanzten junge Frauen in Diskos um ihre Handtaschen. Sie legten die kleinen 80er-Handtaeschchen mit den extrem langen Riemchen auf der Tanzflaeche auf ein Haeufchen, um davon unbelastet mit ihren Freundinnen drumherum zu tanzen. Ja mei, ich war neu dort, ich dachte halt, das macht man in Grossbritannien so.
Und “Sharon” ist das epitomatische Essex girl, das englischer Pendant zur 80er-Witzfigur Blondine. Beispiel: “How does Sharon switch on the light in the morning? She opens the car door.”
3 Kommentare zu „Reisetagebuch Brighton 2005 (Montag)“
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24. Mai 2005 um 19:33
Ach ja, ein Kunsthotel, das ist eine tolle Idee. Ich kaufe ab und zu auch kleine Kunstwerke, vor allem finde ich die Jahresgaben der Kunstvereine eine tolle Einrichtung. Leider hängt bei mir nix an der Wand, die Wände sind so blütenrein und weiss, dass ich es nicht übers Herz bringe, dieses Strahlen zu unterbrechen.
Ausserdem fehlt es manchmal einfach an Nagel und Hammer – Autsch
Gruss
Doc
PS: ich gehe auch immer gerne in ausländische Supermärkte
24. Mai 2005 um 20:42
Hach, tanzen um Handtaschen! Das habe ich Mitte der 80er noch live in Eastborne (ist da bei Ihnen um die Ecke) erlebt. Ich fand es urkomisch. Der Brauch dürfte zu der Zeit also nicht auf Essex beschränkt gewesen sein.
25. Mai 2005 um 13:02
Ohne Bear-baiting ist das neue Globe doch nix.