Chefinnen weinen nicht
Freitag, 14. Oktober 2005 um 16:39Hochspannende Geschichte in der New York Times über geschlechtsspezifisches Verhalten in Führungspositionen: „Big Girls Don’t Cry“.
Ich stimme zu: Eine Frau mit beruflichem Ehrgeiz kann es sich in unserer Gesellschaft nicht leisten, am Arbeitsplatz zu weinen. Sie gälte als labil, würde Respekt einbüßen. Interessant daran ist, dass das Tabu nicht etwa das Zeigen von Emotionen betrifft, sondern ganz konkret die Tränen: Ein Wutausbruch mit Gebrüll und Fausthämmern auf den Tisch, das der männlichen Geschlechtsrolle entspricht, geht einem Chef durch. Es macht ihn zwar sicher nicht geschätzter, aber wirft ihn nicht aus dem Rennen.
(Wobei es mir nicht hilft, dass mir selbst der angeblich männliche Ausbruch viel näher liegt als Tränen.)
die Kaltmamsell15 Kommentare zu „Chefinnen weinen nicht“
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14. Oktober 2005 um 19:35
Ich tobe auch lieber:-)
Aber mit den Jahren werden die Anfälle seltener.
Aber für Männern ist es doch ähnlich.Stellen Sie sich vor, da weint einer!
Der wär doch unten durch.
14. Oktober 2005 um 20:21
Traurig da alles, sehr traurig. Wahre Stärke liegt in der Aggressivität und sonst nirgends. Im allerprimitivsten sich gehen-lassen! Zum Heulen (nein, ich weine nicht):-*
14. Oktober 2005 um 20:41
gibt ein interessantes buch, betitelt mit “am arbeitsplatz wird nicht geheult”- ein brief- und mailwechsel zwischen zwei erfahrenen journalistinnen
gruß von Sonia
14. Oktober 2005 um 23:00
Ich hatte mal eine Mitarbeiterin, die bei der leisesten Kritik in Tränen ausbrach. Bei Jahresgesprächen hatte ich immer vorsorglich eine Schachtel Papiertaschentücher auf dem Tisch stehen. Einerseits tat sie mir leid, denn sie gab sich (viel zu viel) Mühe, alles richtig zu machen – andererseits ging mir das Geheule auf den Senkel, was mir wiederum ein schlechtes Gewissen machte. Alles in allem sehr anstrengend!
14. Oktober 2005 um 23:02
Fällt mir gerade noch ein: Frau Wieczorek-Zeul hat mal vor laufenden Fernsehkameras geweint, nachdem Parteikollegen sie hinterhältig abserviert hatten. Ist schon ein paar Jahre her.
15. Oktober 2005 um 1:01
Das war IIRC nicht Frau Wieczorek-Zeul von der SPD, sondern Frau Adam-Schwaetzer von der FDP. Einer der “hinterhältigen Parteikollegen” war ein gewisser Möllemann, mit dem es dann kein gutes Ende nahm …
15. Oktober 2005 um 8:45
Nee, die hat kurze, schwarze Haare. Die betreffende Dame hatte aber rote und Herr Brandt war damals noch mit von der Partie, so lange ist es her.
15. Oktober 2005 um 15:04
Ich hab nah am Wasser gebaut. Meist schaff ich es aber aufs Klo, bevor ich im Büro losflenne. Das letzte Mal geflennt hab ich, als ich in einer Firma voll abgesägt geworden bin. Die Firma hat fusioniert mit zwei anderen, da warn die Hälfte der Führungskräfte überflüssig. Ich war in der übernommenen Firma und meine beiden Geschäftsführer äußerst unbeliebt bei den neuen – äußerst dumme Ausgangsposition für mich. Mir wurden erst alle Mitarbeiter wegorganisiert, wobei ichs immer als letzte erfahren habe. Als ich dann mal was ausdrucken wollte und gemerkt habe, dass auch der Drucker weggeschafft wurde, da hab ich dann geflennt. Danach hab ich mir einen neuen Job gesucht. Seither mußte ich nicht mehr heulen. Bin auch härter geworden.
16. Oktober 2005 um 3:12
Es ist mir noch nie passiert, dass mir auffe Arbeit die Traenen gekommen waeren. Entweder ich bin besonders transusig, oder ich habe Glueck mit den Mitarbeitern, oder der Stresslevel ist nicht sehr hoch. Ich habe mich ein paarmal geaergert und bin ein, zwei Mal vor Zorn erroetet, aber irgendwie ticke ich bei der Arbeit anders. Ich glaube, sich autoritativ kleiden und geben und so, das gehoert wie der Verzicht auf privat gern gegoennte Traenen dazu. Traenen provozieren eine emotionale Reaktion (Mitleid, Nerv…), und daran bin ich in der Arbeitswelt nicht interessiert.
Meine fruehere Chefin habe ich einmal weinen sehen, aber das war bei einem entsetzlichen Trauerfall. Nur ich habe das gesehen, aber es haette ihrer Autoritaet auch vor groesserem Publlikum keinen Abbruch getan, weil es eben nicht aus Frustration war, sondern die Reaktion auf eine soeben ueberbrachte Todesnachricht. Die brach gewissermassen in den Arbeitstag ein.
16. Oktober 2005 um 11:56
VOR anderen hab ich noch nie geheult in der Firma. Nur am Klo. Aber, wie gesagt, ich heule sehr schnell, geht aber auch sofort wieder vorbei. Fürchterliche Eigenschaft, ich hab sie mir nicht ausgesucht. Ich heule bei Filmen, bei Hochzeiten, wenn was peinlich ist. Ich lache aber auch sehr schnell.
18. Oktober 2005 um 10:44
Salon vertritt heute genau die Gegenposition zur NYT:
“If men and women became more comfortable with expressions of emotion, we could humanize the workplace, lead more fulfilling personal lives and welcome authentic compassion into political life. (…)
Tears teach. What stirs us to public emotion reveals our needs, reflects our values. It also asks others to evaluate what, if anything, they are doing to provoke our tears, to take responsibility for our feelings by trying to make things better. This is why emotions are politically incorrect; they impose on us burdensome questions: What have I done? What can I do? The images of men breaking down and speaking out after Katrina exemplified true compassion, not the propagandistic kind that is safely contained and manipulated with photo ops and false camaraderie. It was raw, it was real and it won the hearts and minds of the nation. Let’s hope we haven’t seen the last of it.“
18. Oktober 2005 um 14:05
Kann es sein, daß Salon keiner geregelten, büropflichtigen Arbeit nachgeht? Als normaler Berufstätiger kann ich nur bestätigen: Am Arbeitsplatz sichtbar heulen ist ein absolutes no-go. Einzige Ausnahme: man ist gerade gekündigt worden. Aber dann ist es ja auch egal.
Das gilt im übrigen für beide Geschlechter. Was er über die Gefühlsausbrüche bei Katrina sagt ist aber richtig. Aber da muß sich auch keiner in der Teeküche hinterhar seinen Kollegen/innen erklären.
18. Oktober 2005 um 20:27
Wutausbrüche sind lächerlich. Tränen sind wirklich. Natürlich gilt das nur für diejenigen, die keiner geregelten, büropflichtigen Arbeit nachgehen, also … richtig verstanden???
19. Oktober 2005 um 19:02
Ich meinte damit nicht, daß ich das generelle Unterdrücken der Gefühle befürworte. Meine Güte, wenn einer mal flennen will, soll er doch. Aber in unserer Gesellschaft ist es doch so, oder?
13. Oktober 2010 um 18:43
Ich habe heute vor meiner Chefin geheult. So etwas ist mir das erste Mal passiert. Der Stress und die Frustration hat sich einfach angestaut, sie schaut mich an und meint “Dir gehts gerade gar nicht gut, oder?” und da wars auch schon geschehen…ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, kullerten einfach so runter. Ich schäme mich tierisch, find’s super unprofessionell und habe die Angst, jetzt als unbelastbar uns psychisch labil zu gelten….und das bei einem befristeten Vertrag (was vermutlich zum Stress beiträgt)….Klasse, oder? *sarkasmus*
Ich frage mich nur, wie man sich bewusst vornehmen kann nie am Arbeitsplatz zu heulen, weil es ein “no-go” ist…verrätst Du mir, wie Du das machst, Pernod??