Der große Kneipptest
Mittwoch, 12. Oktober 2005 um 11:44Hielte HH* Herr Kneipp meinen Lebenswandel für gesund?
Tante Dokta Pepa listet die Kneippschen Regeln für Gesundheit und Wohlergehen auf.
Regel 1
Den Tag mit fröhlichem Herzen beginnen, Gelassenheit und Zufriedenheit bewahren.
Etwa im Gegensatz zu den sonst üblichen Ratschlägen, den Tag am besten in übelster Laune, das Herz voll Wut und Gemeinheit zu beginnen? Da muss man erst mal draufkommen.
An dem meisten Tagen komme ich erst zu Bewusstsein, wenn ich bereits im Zug zur Arbeit sitze. Dann ist mein Herz oft fröhlich, gerade wenn ich eine schöne Geschichte in der Zeitung lese oder die Bäume vorm Zugfenster mal wieder ein lustiges Fußbad im Nebel nehmen. Ich bekenne mich aber schuldig, jede Spur von Gelassenheit und Zufriedenheit fahren zu lassen, wenn sich ein übellauniger Mitpassagier mit einer Schaffnerin anlegt.
Regel 2
Täglich für Bewegung sorgen – auf einfachste Weise durch Gehen und Wandern oder Dauerlauf, Radfahren, Gymnastik und Schwimmen. Stets unverkrampft und nicht in Hetze üben.
Ich verlasse meine Wohnung um 6.15 Uhr, komme zwischen 20 und 21 Uhr heim. Deshalb nehme ich mir das Recht heraus, allein schon stolz darauf zu sein, dass ich es ein- bis zweimal unter der Arbeitswoche in die Muckibude schaffe.
Die g’spaßige Work-Live-Balance-Trainerin, die kürzlich in einer Schulung empfahl, doch hin und wieder einfach eine Stunde früher aufzustehen und sich vor der Arbeit noch ein wenig zu bewegen, hätte ich gerne ein wenig gewürgt. Rückenschonend aus den Knien heraus.
Habe allerdings in letzter Zeit wieder Lust zu laufen, mal sehen, wie lange das hält.
Regel 3
Abhärten durch regelmäßige und einfache Anwendungen: Luftbäder, Wasseranwendungen.
Luft gönne ich mir praktisch durchgehend, aber ich fürchte, das ist nicht gemeint.
Zudem habe ich vor Jahren aufgehört, durch Radfahren bei jedem Wetter an meiner Abhärtung zu arbeiten. Seither bin ich besonders selten erkältet.
Regel 4
Gesundheitspflege mit Hilfe von Heilpflanzen: Tees, Säfte und Arzneien aus milden Heilpflanzen.
Ich schwöre auf Heilchemie (Ausnahme: Salbeisud gurgeln bei Halsschmerzen). Ich kenne sogar eine ganze Menge Leute, die schon praktisch alles an Heilpflanzen versucht hatten, was Apotheker, Mundpropaganda, Nachbarinnen und Frauenzeitschriften empfehlen – vergeblich. Als sie es dann mal mit Chemie versuchten, wurden sie endlich gesund.
Tees und Säfte gibt es bei mir nur zwengs lecker.
Regel 5
Mäßige Ernährung, so natürlich und vollwertig wie möglich. Reichlich pflanzliche Frischkost (Salate, Gemüse, Obst) und Vollkornprodukte (Vollkornbrot, Schrotgerichte). Reichlich trinken: Wasser, Säfte und Kräutertees.
Oh ja, alles da oben, Hauptsache lecker und viel. Plus Fleisch und Schokolade, wegen Ausgewogenheit. „Mäßige“? Nie so viel, dass mir schlecht wird.
Regel 6
Wenig Eier, Fett, Fleisch und Fleischprodukte. Möglichst wenig Kochsalz, Zucker, Süßigkeiten und Alkohol. Nicht Rauchen.
Ich zieh hier einfach ein Stück von Regel 2 herüber: „Stets unverkrampft und nicht in Hetze üben.“
Meine hohen Ansprüche an die Qualität von Fleisch sorgen von selbst für seltenen Einsatz, Alkohol vergesse ich gerne mal ein paar Wochen lang völlig, Rauchen ist Vergangenheit. Aber Zucker und Süßigkeiten sind NICHT verhandelbar.
Regel 7
Bewusste Arbeit und Aktivität mit Eifer und Freude.
Protestantische Arbeitsethik trifft auf Buddhismus? Nee, tut mir leid: Eifer und Freude krieg ich wohl hin, aber „bewusst“ hört sich zu anstrengend an.
Regel 8
Auf ausgewogenen Wechsel zwischen körperlicher Aktivität und Ruhe, Wachsein und Schlafen achten, sinnvolle Freizeit- und Urlaubsgestaltung.
„Ausgewogen“? „Sinnvoll“? Gehen’S mer weg, sie wollen mich ja doch bloß in ein Benediktinnerinnenkloster stecken.
Regel 9
Übung des Geistes durch besinnliche Gespräche, Schreiben und Lesen guter Literatur; Pflege von Hobbies
Da, wusst’ ich’s doch: kontemplatives Klosterleben. Vor meinem inneren Auge sehe mich umringt von sanften Menschen mit stets leicht zur Seite geneigtem Kopf und milder Sprechweise. Es gibt wenig, was mich so schnell so aggressiv macht.
Zudem, HH Herr Kneipp: Was wetten, dass wir uns nie über eine Definition von „guter Literatur“ einig würden?
Regel 10
Übernahme von Aufgaben in Familie und Umwelt. Natürliches und bescheidenes Leben unter Rücksichtnahme auf Mitmenschen und die natürliche Umwelt.
Reicht es, wenn ich ein bisschen Familienchronistin bin, aus möglichst großem Abstand?
Und das mit der Natur: Ich nehme mir heraus, eine Menge Ausnahmen zu machen. Zivilisation finde ich nämlich ganz besonders klasse.
Tut mir leid, HH Herr Kneipp: Nach ihren Regeln ist mein Leben durch und durch ungesund. Bitte petzen Sie’s nicht meiner Krankenkasse.
* Hochwürdiger Herr. Habe ich seinerzeit in der Lokalredaktion aus Berichten freier Mitarbeiter vom Dorfe gelernt.
die Kaltmamsell3 Kommentare zu „Der große Kneipptest“
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12. Oktober 2005 um 16:14
Gute Idee. Ich schnapp’ mir mal das Stöckchen…
13. Oktober 2005 um 7:17
Frau Kaltmamsell, sie zeichnen sich immer wieder durch diesen ganz besonders erfrischend unorthodoxen Pragmatismus aus.
13. Oktober 2005 um 7:18
(irgendwie geht mir immer ein o verlren)