Tagebuchnotizen Spießerwochenende
Montag, 16. Januar 2006 um 9:52Samstagvormittag in Migränefolter (wieder eine Rotweinsorte, die ich von meiner Genussliste streichen muss) und damit im Bett verbracht. Nachmittags langsames zu Bewusstsein Kommen, ausführliches Vollbad, dann erste Mahlzeit des Tages. Abends Iphigenie in den Kammerspielen. Man hatte mich mit Hinweisen auf die Entsetzlichkeit der Inszenierung, auf reihenweise Verrisse, auf die Besetzung der Titelrolle mit einem Mann, auf die Möglichkeit, in der Pause zu gehen, vorbereitet; beinahe war ich trotzig entschlossen, die Inszenierung erst recht zu mögen. Ich musste gar nicht trotzen: Ich war gefesselt (dass ich Goethens Iphigenie noch nie gesehen hatte, erhielt die Spannung). Die Details, die völlig an mir vorbei gingen (u.a. mehrfacher Kleidungswechsel des Iphigenien-Darstellers), blendete ich einfach aus.* Auf den Heimweg fragte ich mich zum wiederholten Mal, warum ich, die in Kindheit und Jugend fast jeden Monat im Theater war (Mutter hatte Platzmiete), und das sehr gerne, das so völlig aufgegeben habe.
Sonntagvormittag langes Laufen an der Isar, dabei trotz verschärfter Minusgrade so vielen anderen Joggern begegnet, dass ich mich gar nicht mehr heldisch fühlte. Nachmittags mit einer Freundin im sonnig klirrenden Englischen Garten spaziert. Insgesamt über drei Stunden frische Luft – die befürchtete Schockreaktion meines Körpers blieb glücklicherweise aus. Abends viel essen und lesen (A.L. Kennedy, Everything you Need, von dem ich ganz begeistert bin, und einfach nicht draufkomme, warum).
*Nicht mal „Arkasse hatten wir schon bessere“…
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Tagebuchnotizen Spießerwochenende“
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16. Januar 2006 um 11:41
Interessant, dass die Aufführung bei Ihnen dasselbe Gefühl hervorrief wie bei mir – also abgesehen davon, dass ich sie im Gegensatz zu Ihnen entsetzlich fand – was ich allerdings meine, ist der Wunsch, wieder öfter ins Theater zu gehen. So der Vorsatz einer Freundin und mir an jenem Abend. Und die nächsten Karten haben wir schon…
16. Januar 2006 um 14:02
Und was ist jetzt der Spießerteil des Wochenendes?
16. Januar 2006 um 21:00
Die Migräne? Ojeee, schlimm ist das.
Viellicht hat Ihnen das Stück so gut gefallen, weil sie es dann mit allen offenen Sinnen gesehen haben, wie das nach so einer Attacke schon vorkommt.
Ich wünsche Ihnen alles Gute….
auch ein Leben ohne Rotwein ist lebenswert ;-)
19. Januar 2006 um 19:32
Erst jetzt bin ich dazu gekommen, den Link in Ruhe anzuschauen. Wunderbar, danke für Hinweis und schade, dass ich nicht hin kann. Weil ich die Iphigenie so liebe, habe ich schon fünf Inszenierungen gesehen, einmal waren die Kostüme ganz schrecklich (in den Achzigerjahren mit Walkman und anderem Aerobic-Stuff), aber ein Flop war nicht darunter. Vielleicht sind die Kostüme einfach gar nicht relevant, Reich-Ranicki sagt ja, es handle sich hierbei um ein Hörspiel Goethes.