Versteck und Co.

Dienstag, 22. August 2006 um 11:30

Früher war alles besser – immer schon. Natürlich auch Kinderspiele. Wir haben noch… Heute sitzen die ja nur noch… Oder doch nicht?

Es waren sehr heutige Kinder, die mich an die Spiele meiner Kindheit erinnerten. Ich saß mit dem Mitbewohner beim Abendessen auf dem Balkon, als ich einer laut zählenden Kinderstimme gewahr wurde. Sie drang durch die Dämmerung aus dem benachbarten kleinen Park, war gerade bei „dreizehn!“ und gehörte eindeutig zu einem Versteckspiel. Wir lauschten. Die Stimme zählte bis 30, machte einige Sekunden Pause und rief dann das unsterbliche „ICH KOMME!“. Mir fiel ein, wie hitzig die Diskussionen mit meinen Spielkameraden oft waren, bis wohin gezählt würde. Überhaupt: Gerade beim Versteckspiel (bei uns hieß es „Versteck“ oder „Versteckerles“, beim Mitbewohner „Versteckus“) mussten sich die Beteiligten vor jeder neuen Runde erst mal über die genauen Regeln einig werden, unter anderem über das erlaubte Versteckterritorium. Über längere Spielperioden wie Schulferien hinweg entwickelte sich daraus meiner Erinnerung nach ein hochkomplexes Werk, denn immer wieder missbrauchte jemand Regellücken: Einer kam auf die Idee, durch besonders schnelles Zählen die Zeit fürs Versteckfinden zu verkürzen. Also musste ein Zähltempo festgelegt werden. Eine andere versteckte sich gar nicht, sondern stellte sich direkt hinter den Zähler, um sich gleich nach seinem „ICH KOMME!“ freizuschlagen. Daraus entstand mit der Zeit ein immer längeres Verslein, das wir zwischen Zählende und „Ich komme!“ einschoben: „Hinter mir, vorder mir, links von mir, rechts von mir, ober mir, unter mir gültet nicht!“ (Rhythmus ging vor Grammatik.)

Eigentlich müsste Versteck eine gute Möglichkeit gewesen sein, kleine Geschwister loszuwerden, denn schließlich konnten nur die großen Kinder mitspielen, sprich: die schon zählen konnten (und da mit der Zeit die originellen Verstecke ausgingen, erweiterten wir halt durch immer längeres Zählen den Versteckradius).

Die heutigen Kinder im Park spielten bis in die Dunkelheit Versteck, dann wurde es still. Vermutlich hatten sie, ähnlich wie wir damals, die Anweisung: „Aber wenn es dunkel wird, kommst du heim!“ Ich sammelte mit dem Mitbewohner, was wir seinerzeit noch so an Klassikern draußen gespielt hatten: Ochs-am-Berg-bleib-stehn!, Hupfkastl (woanders „Himmel und Hölle“?), Gummitwist (nicht so beliebt, weil das so wenige mitspielen konnten), Wer-hat-Angst-vorm-schwarzen-Mann? (selten), Kirschenessen (ein Ballwurfspiel, bekannt?), Schusser (woanders „Murmeln“), Verfang (“Fangen” – wie ging das nochmal? war das nicht langweilig?), Fußball… Ich bin mir sicher, dass diese Spiele auch heute noch lebendig sind. Vielleicht haben sich nur die Drinnen-Spiele wirklich verändert?

die Kaltmamsell

21 Kommentare zu „Versteck und Co.“

  1. Tanja meint:

    Wir hatten noch “Zeitung lesen”.

    Eine Reihe von mehr oder weniger Kindern stand auf einer Linie irgendwie auf Sichtweite von der “Zeitungleserin” oder dem “Zeitungleser”.

    Diese einzelne lesende Person stand zur Wand. Die Kinder auf der Linie setzten sich in ihre Richtung in Bewegung, also hinterrücks. Aber dann drehte sie sich abrupt um und alle mussten stehen bleiben. Wenn sie noch eine Bewegung eines Kindes oder mehrere Kinder registrierte, mussten die zurück auf die Linie.

    Wem es gelang, das Zeitung lesende Kind zu berühren, der durfte es ablösen.

    Ich glaube nicht, dass die Draussen-Spiele sich auch wesentlich verändert haben. Es gibt einfach einige, die im Moment nicht mehr gespielt werden bei uns (z.B. Murmeln), aber wer weiss, wann das wieder “in” wird. Grundsätzlich sind die Kinder weniger draussen und das liegt wohl schon an TV und Computer und enormem Freizeitprogramm – ob das schlecht ist? Keine Ahnung.

  2. walkuere meint:

    hm …
    mir scheint, es kommt – wie immer in belangen der erziehung – viel auf die eltern an. meiner beobachtung nach tut kindern ein ausgewogenes freizeitangebot am wohlsten; kinder versumpfen nur dann extrem bei playstation, gamecube und gameboy, wenn keine alternativen vorhanden sind. und sobald einige (= mehr als 2) kinder zusammenkommen, haben die computertechnisierten spielgeräte ohnehin schnell ihren reiz verloren, soviel steht für mich fest.

  3. croco meint:

    Sie bringen mich ja auf ganz andere Gedanken heute.
    Kennen Sie “Blinde-Kuh”? Ich habe es gehasst, weil ich immer unsicher werden, wenn ich nichts sehen kann.
    An einen anderen Namen erinnere ich mich nur noch: “Räuber und Bolle”, ich weiß aber nicht mehr, wie das geht.
    “Fangerles doa” hieß bei uns das Spiel mit dem Verstecken und abzählen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Blinde_Kuh

  4. Christian Merz meint:

    Oh, ich dachte, ich wäre der Erfinder des “direkt dahinterstehen und sofort freischlagen”s ;-) Wieder eine Illusion weniger.

  5. Liisa meint:

    Auf diesem Wege auch von mir die herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag!

  6. syberia meint:

    Ist so. Moderne Kinder bewegen sich kaum noch. Eine Bekannte von mir ist Schulärztin und muss in den letzten zehn Jahren alle Hühneraugen zudrücken, damit die Kleinen eingeschult werden können.

    Die meisten Kinder können nur schlecht Bälle fangen, auf der Bank balancieren oder zwei Runden ohne Pause laufen, sie murren und heulen, weil man sie dazu zwingt, den sie empfinden Bewegung als unangenehme, überflüssige Belastung. Wir waren im Turnverein, lernten noch vor der Schule schwimmen, spielten Indianer (keiner wollte Cowboy sein), bauten Buden und Höhlen aus Zweigen und Brettern, waren viel mit dem Fahrrad unterwegs und hey, das alles hat verdammt viel Spaß gemacht.

    Die Kinder heute sitzen vor dem Fernseher und schauen billige japanische Zeichentrickfilme, stehen in der Pause rum und spielen mit ihren Handys und Gameboys und nach der Schule gehen sie regelmäßig zu McDoof.

    Nicht nur die Bewegung, auch die Phantasie kommt zu kurz.

  7. L9 meint:

    Also in unserer Strasse wohnen einige Kinder, die spielen viel draussen. Vor allem “Strasse anmalen” (mit bunter kreide, was mir immer besonders gefällt) und Gumihupfen (Gummitwist). Ich hab als Kind am liebsten Verstecken gespielt. Das hieß auch schlicht und einfach “Verstecken”. Mein Brunder und ich haben dann auch noch “abendspiele” erfunden, wenn wir schon schlafen mußten aber nicht wollten. Die mußten leise sein. Eines war T-T. Nicht “Te” gesprochen sondern leises “T”. Ziel war, die Füße in die Hand zu nehmen und möglichst lange nur auf den Knien zu stehen. Wer die längste Zeit zwischen “T” und “T” schaffte, hat gewonnen. War leise und trotzdem war Bewegung drin ;)

    Und dann gabs noch das legendäre Pfitschigogerln.

  8. Duden meint:

    Das mit diesem Fußball hab´ ich auch schon gehört. Dass das recht lebendig sein soll, auch heute noch.

  9. Petra meint:

    Ich glaub’ manchmal, im Süden (da wo Berge und Almen / Alpen sind) sind die Kinder noch aktiver draußen als bei uns hier im Flachland. Mir ist im Urlaub (war im Allgäu /Kleinwalsertal unterwegs) aufgefallen, dass von den einheimischen Kids keines zu dick war, die liefen draußen herum, spielten während ihrer Ferien auf Bauernhöfen, trieben sich in Scheunen herum, während hier jedes zweite zu fett ist. Hinzu kommt, dass hier in der Gegend schon bald jedes Kaff einen McD**** oder ähnliches hat. Und wirklich an jeder Ecke eine Döner- oder Pommesbude. Ist mir dort unten auch nicht aufgefallen.
    Ich höre jedenfalls abends kein Auszählen fürs Versteckspiel oder sonstiges Palaver von Kindern. Allenfalls fahren sie (wenn älter) mit dem Roller durch die Gegend. Fahrrad ? Viieel zu anstrengend ! Wir haben schon einige Kids hier in der Straße, aber die hört man nicht. Warum ? Na, die hocken alle…..

  10. Petra meint:

    Oh, Geburtstag gehabt ? Alles Liebe und Gute noch naträglich von mir !! Hab’s gerade bei Pepa

  11. Petra meint:

    ….. gelesen. (war zu schnell mit Abschicken) ;-) *lach*
    Also: Herzlichste Geburtstagsgrüße !

  12. walkuere meint:

    hatte diesmal eine arg lange leitung und wünsche deshalb verspätet, aber dennoch nicht minder herzlich alles gute zum geburtstag !

  13. Zeitlos meint:

    Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein. Vor mir, neben mir, hinter mir, da gildet nicht. Ein, zwei, drei, ich komme. *sing*

    Ach war das schön… Verstecken, Hüpfekästchen, Seilspringen, Plumpssack (Plumps, plumps, plumps, der plumpssack geht herum, wer sich umdreht oder lacht….*schon wieder sing*) und nicht zu vergessen: Schnibbeln.
    Dabei wurden Panini-Bildchen aus dem Handgelenk raus auf den Boden vor eine Wand geworfen. Wessen Bild am nächsten zur Wand liegen blieb, durfte alle Bilder nehmen.

    Mein Freund – im gleichen Dorf aufgewachsen – kennt das Eckstein-Lied nicht. Merkwürdig.

  14. Wendelbald Klüttenrath meint:

    Nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute.

  15. Ärztingattin meint:

    “Drinnen” haben wir immer “Miss Marple” gespielt. Eine/r musste immer raus, während die anderen sich absprachen, wer nun der/ die Mörder/in sein sollte und sich durch subtile Bemerkungen langsam outen musste; spannend bis zum Ende!

  16. Gabriele meint:

    Manches ändert sich wohl nie, wie ich gestern beobachten konnte: Ein kleines Mädchen lief, ein ganzes Stück der Oma voraus, auf dem Gehweg, um dann in einem Hauseingang zu verschwinden. Die Oma hatte das natürlich mitbekommen. Während sie immer näher zu der Stelle kam, rief sie den Namen des Kindes und “Ja, wo ist denn nur die Anna?”. Ich musste grinsen und erinnerte mich plötzlich, dass ich mich vor 40 Jahren genauso vor meiner Oma versteckt habe. Es war köstlich, wenn einen die Erwachsenen nicht gleich gefunden haben. Dass sie einfach nur “mitgespielt” haben wusste ich damals nicht.

    Meine Cousine Petra hat sich als Kind versteckt, indem sie sich die Hände vor das Gesicht hielt. So nach dem Motto, ich sehe nix, also sieht mich auch keiner…

  17. Zechbauer meint:

    Meine Mutter (in Rente) übernimmt seit kurzer Zeit die Aufgabe Kinder beim Schwimmen zu begleiten und gemeinsame Lesestunden durchzuführen. Erschreckend wie wenige Kinder schwimmen können, wie bedauernswert der Bewegungsapparat der Kurzen ist, und wie schlecht Kinder im Alter von 6 oder 7 Jahren lesen können – wenn sie es überhaupt können. Eltern nehmen sich heute nicht mehr die Zeit, Kindern das Lesen schmackhaft zu machen, ganz abgesehen von der dauerhaften Präsenz des virtuellen “Erziehungsprogrammes”, dem Fernsehgerät.

  18. Stefan meint:

    Aaaallet juuute! Komisch, dass man immer an Geburtstagen von kindlichen Erinnerungen kalt erwischt wird. Ich muss an meinem Geburtstag immer an mein 8. Jubiläum denken. Meine Eltern und Geschwister hatten überhaupt keine Lust auf Kinderspielchen – und wenn, dann gabs Topfschlagen. Wir haben damals aber schon solche Spiele doof und uncool gefunden – deshlab gabs Flaschendrehen! Allerdings – und dafür steigt mir immer noch die Schamesröte ins Gesicht – hab ich zwar dieses Spiel immer vorgeschlagen, aber nie bis zum bitteren Ende gespielt. Ich dachte nämlich, dass Mädchen bei einem Kuss schwanger werden. Das denk ich übrigens heute noch. ;-)

  19. die Kaltmamsell meint:

    Vielen, vielen Dank für die Glückwünsche – und fürs Teilen der Kindheitserinnerungen.

    Ich glaube, es gab immer schon Familien, in denen die Kinder in erste Linie abgeschoben wurden – vor 40 Jahren nach draußen, heute vor einen Bildschirm. (Nicht vergessen: Den größten Schaden, auch physisch, richten an Kindern bis heute die eigenen Eltern an.) In dem Glasscherbenviertel, in dem ich groß geworden bin, gab es eine ganze Reihe von Kindern, die draußen keineswegs spielten, sondern herumlungerten, Sachen zerstörten, andere Kinder belästigten. Möglicherweise sieht man diese Sorte Kinder (wir nannten sie die “bösen Buben”) heute nicht mehr so viel, weil sie drinnen verwahrlosen statt draußen.

  20. sabi meint:

    Bei uns in der Schweiz hieß es “Versteckis”.

    ;)

  21. Zechbauer meint:

    Ich denke es liegt heute auch an den Gegebenheiten außer Haus. Meine Generation fand noch unzählige Möglichkeiten vor, wo man ungefährdet spielen konnte – und ich wurde nicht auf dem Land groß. Heutzutage sehen die Innenstädte da anders aus. Abgelegene, nicht einsehbare Spielplätze, auf die ich meinen Nachwuchs nicht ohne Beaufsichtigung schicken würde, gibt es zwar, aber das Angebot scheint mir doch heutzutage arg eingeschränkt zu sein.
    Letztendlich liegt es sicher an den Eltern – selbst wenig Zeit kann man sinnvoll und interessant für und mit dem eigenen Nachwuchs gestalten. Aber den “Eltern-Führerschein” gibt es leider nicht.

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