„Du musst ja Zeit haben“
Donnerstag, 12. Oktober 2006 um 17:17Sie kennen diese Reaktion auf die Schilderunge einer Leidenschaft oder auch nur eines Interesses? „Du musst ja Zeit haben!“ Eben bekam ich das zu hören, als ich dem Kollegen rechts auf Anfrage erzählte, dass mir nicht nur die Verfilmung von Gefährliche Liebschaften mit John Malkovich sehr gut gefällt, sondern dass ich auch den Briefroman, der dem Film zugrunde liegt, begeistert gelesen habe.
Und vermutlich kennt jeder Blogger, jede Bloggerin diesen Satz als eine Reaktion auf die Erklärung, was ein Blog oder überhaupt dieses Blog-Dings ist.
„Du musst ja Zeit haben!“
Ist eigentlich eine ganz schöne Ohrfeige. Deutlicher kann man jemandem ja kaum klarmachen, dass man das, worein er oder sie ihr Herzblut stecken, für keiner Wertschätzung würdig hält.
„Du musst ja Zeit haben!“
Hiermit verbiete ich mir diesen Satz als Kommentar zu welchem Interesse auch immer. Selbst wenn es sich um das Nachbilden des Brandenburger Tores mit Zündhölzern handelt.
(Ausgerechnet in den 20 Minuten, die ich in den vergangenen Wochen morgens Deutschlandradio höre, wird das religiöse „Wort zum Tage“ gesendet. Mag das bereits abgefärbt haben?)
die Kaltmamsell17 Kommentare zu „„Du musst ja Zeit haben““
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12. Oktober 2006 um 17:42
Sehr nett ist auch die Variante: “Hast du nichts besseres zu tun?” Da klappt einem das Messer in der Tasche auf…
12. Oktober 2006 um 17:50
Und wieivele Stunden pro Tag schaut der Herr in die Glotze?
Ich würde das eher in der Art “Du darfst Dir aber Zeit nehmen” o.ä. ausdrücken.
12. Oktober 2006 um 18:36
Nieder mit Zeitfaschisten!
Da sprichst Du mir aus dem Herzen (sagte man das so?)…
Mir gehen sie auch auf den Sack, die Hirnamputierten, die all das, wofür sie keinerlei Energie aufzuwenden imstande sind, miesmachen, diejenigen diffamieren, die sich in die Fülle des Lebens, auf die Gefahr hin, auch mal darin zu ertrinken, hineinwerfen, die sich ihrer Leidenschaften, so unbedeutend diese, angesichts der Großartigkeiten der Zeitfaschisten, auch gelegentlich erscheinen mögen, hingeben…
Wohl denen, die ihre Zeit, hundegleich, mal hier, mal dort verschwenden…
(Ich habe es in letzter Zeit mit drei Pünktchen der Bedeutungsschwangerschaft…)
12. Oktober 2006 um 21:36
Was bitte haben Sie wochenlang gehört? Das Wort zum Tage auf Dradio?? Na Sie müssen aber wirklich Zeit haben!!!
Und ich lese wieder in Ihrem Blog rum, statt mich schlafen zu legen und neue Energie zu tanken – ich muß auch Zeit haben… na dann gute Nacht!
12. Oktober 2006 um 22:20
Gut Nacht Herr Jungbrunnen, na sie müssen ja Zeit haben… Ist das nicht ungeheuerlich, wie viel Zeit wir haben? Im Grunde gehören wir alle zu Hartz 4 Massnahmen verdammt, sollten wir auch nur eine Minute erübrigen können, uns nicht dem kapitalliebenden Staat zu widmen, das kanns doch nicht sein, oder?
12. Oktober 2006 um 23:04
Mir ist dieses Ärgernis bisher v. a. in englischsprachigen Foren und Blogs aufgefallen “you’ve got too much time on your hands”.
12. Oktober 2006 um 23:48
Starkes stück! Mit dem Verbot bin ich einverstanden. Ich sage gerne bei einem solchen Spruch: „Stimmt habe ich, und zwar noch bis an mein Lebensende.“
12. Oktober 2006 um 23:58
“Du musst ja Zeit haben” ist auch für mich untertitelt mit “du solltest dein Leben dringend mit Inhalt füllen”.
Genauso abwertend ist auch: “Ich kann mir sowas nicht leisten!” als Reaktion auf irgendeinen besonderen Wunsch, den man sich durch den Verzicht auf Dinge erfüllen konnte, die sich das Gegenüber selbstverständlich und ständig leistet.
13. Oktober 2006 um 8:28
Nee, nee, es geht überhaupt nicht um das Thema Zeit oder den versteckten Vorwurf, der da mitschwingt, wenn man jemand angeblich zuviel davon hat. Es geht um das, was der Kollege an negativen Gefühlen auslösen will. Der Typ klingt mir stark nach einem gekränkten Narziß. (Ich hab’ einer (damals sehr guten) Freundin mal mit Herzklopfen von einer Romanidee erzählt, worauf die meinte “Ich würde keinen Sinn darin sehen, noch ein Buch zu schreiben, gibt doch schon soviel davon, das interessiert doch keinen”. Die Gute hätte nämlich selbst gern einen Roman geschrieben, kriegte das aber nicht auf die Reihe.) Am besten macht man sich klar, dass der/die andere ein dickes Problem hat, fragt nur kurz “Neidisch?” und geht der betreffenden Person soweit als möglich aus dem Weg.
13. Oktober 2006 um 9:31
Wenn ich die Zigarettenpausen meiner Kollegen mit dem Zeitaufwand gegenrechne, den ich brauche um einen Gedanken behutsam in meinen Blog abzulegen, dann gewinnt mein Blog nicht nur auf gesundheitlicher Ebene.
13. Oktober 2006 um 9:58
Ist eine Frage des Zeitmanagements. Ich schreibe mein Blog in der Zeit, in der andere TV-Serien schauen. Für so was habe ich nämlich keine Zeit.
13. Oktober 2006 um 11:23
Eine Rückfrage möcht ich stellen, Frau Kaltmamsell.
Worin sehen Sie den (befürchteten ?) Einfluss der Worte zum Tage?
In der Selbstkasteiung: “Hiermit verbiete ich mir…”
Oder ist es die weitherzige Toleranz und der Respekt selbst vor zündhölzernen Brandenburger Toren, barfußenen Gängen nach Altötting, o.ä., die ihnen zu gutmenschenhaft vorkommt?
13. Oktober 2006 um 11:59
Ja ich habe Zeit. Na und?
13. Oktober 2006 um 13:54
“Ich muß ja Zeit haben”, um hier einen Kommentar zu enem Beitrag zu hinterlassen, den ich nur zu gut verstehe. In der Richtung bin ich Berufsbetroffener. So als lonely Blogger!
13. Oktober 2006 um 21:48
Schöne Antworten für Zeitneider:
“Ja stimmt, ich hab’ wirklich viel Zeit. Danke!”
“Ja sie etwa nicht? Das tut mir leid.”
“Gut dass Sie das sagen, ich muss nämlich jetzt heim zu meinem Blog.”
“Wer was erledigt haben will, gibt es jemandem, der viel zu tun hat”
Wo ich aber immer noch stocke, wenn jemand ganz aus meiner Nähe sagt: “Also das zu lesen, dafür habe ich überhaupt keine Zeit.” Ist doch der Doppelgong, oder?
14. Oktober 2006 um 13:58
Hier mal ein passender Spruch für Sie Frau Kaltmamsell, falls Sie auch mal große Lust zur Demütigung verspühren sollten:
Was? Sie haben Kinder? Na Sie müssen ja Zeit haben!
16. Oktober 2006 um 1:09
Ach naja, nicht aufregen. Die Leutchen die sowas sagen sind zu bedauern. Die meinen das überhaupt nicht böse! Die wollen nur einen Grund finden, warum sie selbst nicht so ein tolles Hobby haben oder neben der Arbeit es noch schaffen, ein blog auf die Beine zu stellen. Da ist Zeit doch eine schöne Ausrede! Nehmen Sie es als Kompliment. Diese Leutchen wären gern (ein Stück) so wie Sie.