Archiv für Oktober 2006

Fünf Dinge haben oder nicht haben

Mittwoch, 4. Oktober 2006

Fünf Dinge, die ich habe, aber nicht will:
1. Aggressionsschübe
2. Gerissenes Bindegewebe
3. Ein Berg Bügelwäsche
4. Knieschmerzen nach zwei Stunden Joggen
5. Die Zweitwohnungssachen in dem Lagerraum, für den ich seit zwei Jahren Miete zahle: Sofa (Dreisitzer hellbeige, 70er Jahre), Sofatisch (orientalischisch, amateurhaft goldlackiert), Polsterbett, weißer Esstisch (ausziehbar), vier weiße Holzstühle, etwa 40 Holzgitterfliesen (40x40cm?) für Terasse oder Balkon, kleine weißlackierte Kommode mit geschwungenen Füßen und Glasplatte, zwei Stehlampen (Stil „Stilmöbel“), großer weißer Fernseher mit weißem Unterschrank.

Fünf Dinge, die ich will, aber nicht habe:
1. Unzerstörbare Bandscheiben
2. Heitere Ausgeglichenheit
3. Ein Sabbatjahr
4. Neuen Sofaüberzug
5. Strumpftasche

Fünf Dinge, die ich nicht habe und auch nicht will:
1. Auto
2. Mikrowelle
3. Locken
4. Kinder
5. Designmöbel

bei isabo aufgeklaubt

(Mit Abstand am längsten musste ich über den zweiten Punkt nachdenken. Ist das jetzt gut oder schlecht?)

Eikupi

Dienstag, 3. Oktober 2006

In eine Partnerschaft bringen die Beteiligten nicht nur Aussteuer in Form von Geschirr, Handtücher, Schallplatten ein, sondern auch eine persönliche kulinarische Historie. Das kann zu Konflikten führen, zum Beispiel wenn der Mitbewohner verzückt die Augen rollt, weil er und seine Brüder die gemeinsame Mutter über Jahre dazu erzogen haben, den Boden für den Zwetschgendatschi fast schon durchsichtig dünn zu rollen – ich aber ganz gerne stabilen, 0,5 bis 1 cm dicken Hefeteig unter meinen Zwetschgendatschizwetschgen habe. Doch meistens ist diese andere kulinarische Historie eine Bereicherung.

So schwärmte mir der Mitbewohner schon vor Jahren von einer Speise mit dem lustigen Namen Eikupi vor, die es in seiner Familie gegeben habe: Eierkuchenpizza. Er kochte, ich kostete, und seither ist Eikupi ein regelmäßiger Posten unseres Speiseplans. Auch heute.

eikupi_salami.jpg

Das Rezept steht hier.

Kinderbilder zum Anhören

Dienstag, 3. Oktober 2006

Ketzerhaftes über kleine Kinder, und dann auch noch von Herrn banana geschrieben – wie soll ich da widerstehen?

Hier also der Text zum Anhören, sechseinhalb Minuten lang, 2,3 MB schwer.

Nun muss ich allerdings bekennen, dass ich genau die beschompfenen Fehler auch noch heute noch machte – malte ich ein Bild. (Was ich nicht tue.)

Da schau her

Sonntag, 1. Oktober 2006

1
Der Bursche, vielleicht 15, 16 Jahre alt, der vor mir die Stufen zum S-Bahn-Gleis hochgeht, trägt eine Büchertasche aus olivfarbenem Canvas, auf die er sorgfältig in 15 Zentimeter großen Lettern das Bandlogo von ACDC gemalt hat, mit schwarzem Filzstift.
Wie rührend altmodisch, denke ich mir. Dann überlege ich, was die Entsprechung in meiner Generation gewesen wäre, also zu der Zeit vor fast 30 Jahren, als ACDC zeitgemäß waren. Mir fällt ein, wie ich mit 12, 13 Jahren im ekligen Schwimmunterricht mit meiner damaligen besten Freundin versuchte, Szenen aus 30 Jahre alten Esther-Williams-Filmen nachzuspielen (seither lasse ich nichts über Wasserballett kommen; das ist scheißanstrengend). Und wie wir unsere Mitschülerinnen dazu überredeten, Busby-Berkeley-Kameraeinstellungen von nacheinander ins Wasser gleitenden Badeanzugträgerinnen zu imitieren (machten die leider nie so oft mit, wie es meiner Freundin und mir gefallen hätte). Ist das vergleichbar?

2
Freitagnachmittag im knackvollen ICE-Großraumabteil. Es ist eher ruhig, nur hin und wieder ertönen unartikulierte menschliche Laute. Da ich beim Hereinkommen ein paar leere Rollstühle gesehen habe, schließe ich auf die Gesellschaft von Behinderten. Dann bemerke ich aus dem Augenwinkel fliegende Hände und Arme in den Reihen vor mir. Ich sehe mich genauer um und erkenne, dass ich in einen abteilfüllenden Schulausflug schwer pubertierender Jugendlicher geraten bin: Die Burschen tragen Heavy-Metal-Shirts und Sackhüpfhosen, die Mädel enge Oberteile und Glitzer im Haar. Allerdings sind es gehörlose schwer pubertierende Jugendliche, und so ist die einzige Geräuschquelle das Dreiergrüppchen Jungs, das anscheinend zusammen über einem kleinen Computerspiel sitzt und in Lauten mitfiebert.

3
Ich nähere mich in Schwabing einem Ost- und Gemüselädchen, in dem ich hin und wieder einkaufe, und das auch heute den Großteil seiner Waren verlockend auf dem Gehsteig aufgebaut hat. Vor einer Kiste mit Birnen steht ein Kamerastativ, durch die winzige digitale Filmkamera guckt eine großgewachsene Dame in Jeanskostümchen und Pumps, passende große Ledertasche über der Schulter, auf die Birnen. Hellblonde, verstrubbelte Kurzfrisur. Ach, Doris Dörrie. Und schon formiert mein Hirn eine neue Pauschalvorstellung von großen Regisseurinnen, nämlich dass die nicht mal für die Wochenendeinkäufe ohne Kamera aus dem Haus gehen.

4
Die erste Viertelstunde meines Isarlaufs, rechts über der Mauer rauscht leise der Fluss, links rauschen die Bäume. Langsam steigere ich das Tempo. Es überholt ein Mann, der mir im Vorbeilaufen und mit sächsischem Akzent zuruft: „Hübscher Hintern!“ Ich danke mit hörbarer Verblüffung, worauf er sich kurz umdreht und bekräftigt: „Doch, echt.“ Erst nach Minuten finde ich in meinen Rhythmus zurück.