Wohin mit unseren Deppen?

Mittwoch, 18. Oktober 2006 um 10:12

Dass es eine neue Diskussion um die tatsächliche Struktur unserer Gesellschaft gibt, freut mich sehr. Denn mir scheint, dass im jetzigen Nachdenken über die „Unterschicht“ endlich die ganz oberflächlich materielle Seite, meist „Armut“ genannt, zur Seite rückt und als das behandelt wird, was sie tatsächlich ist: Nur ein Detail bestimmter Lebensumstände, die keineswegs Ursache dafür sein muss, sondern auch Folge sein kann. (Nützlich ist der Kommentar von Heribert Prantl in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.)

Ich erhoffe mir von den neuen Gedanken Antworten auf eine Frage zur Gesellschaft, in der ich leben möchte, bei der ich einfach nicht weiter komme: Wohin mit unseren Deppen?

Erst letzthin hörte ich wieder eine Erfolgsgeschichte: Junge Frau wollte nach dem Abitur gerne „was Kreatives“ machen, bewarb sich um Lehren bei Goldschmieden und Fotografen, bekam keine. Jobbte jahrelang durch die Gegend, vor allem als Bedienung. Machte dann doch eine Lehre, bei der Bahn als Schaffnerin, um wenigstens irgendwas zu haben. Ergriff die Gelegenheit, als sich in der Marketing-Abteilung der Bahn eine Assistentinnenstelle ganz am unteren Ende der Hackordnung auftat. Arbeitet mittlerweile in der Grafik-Konzeption eines deutschen Automobilherstellers und ist dort sehr glücklich.

Eine bestimmte Sorte Menschen, so behaupte ich, schaffte es einfach von fast jeder Ausgangsposition aus. Aber nur die wenigsten Menschen sind so gestrickt, wie die zukunftsorientierte Wissensgesellschaft sie offensichtlich braucht. Welche Anforderungen an sie gestellt werden, kann man überall lesen. Es werden dicke Bücher darüber geschrieben, lange Magazinartikel, Detailbetrachtungen in Fachblättern. Und nichts davon überrascht: Um in unserer Gesellschaft mitzumischen, braucht es laut dieser Publikationen Eigeninitiative, Flexibilität, Neugier, Tatendrang, soziale Kompetenz, Erfindungsreichtum, Weitsicht, Offenheit… (körperliche Unversehrtheit und Gesundheit werden vorausgesetzt, tauchen deshalb gar nicht erst auf).

Nur, frage ich mich: Was ist mit all den Ehrgeizlosen, Unmotivierten, nicht besonders Begabten, Miesepetrigen, mit den Bequemen, Langsamen, Begriffsstutzigen, Verzagten, Konservativen? Sollen sie gezwungen werden, sich zu ändern? Wenn ja: Bis zu welchem Grad? Ab welchem Grad der Änderung müssten sie eigentlich jemand anderer werden? Sollen sie statt dessen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden? In Billiglohnländer abgeschoben? Oder doch lieber von den Leistungsträgern durchgefüttert?
Ich kenne noch die traditionellen Nischen für solche Menschen, die sie in die Arbeitswelt einschlossen und ihnen Würde gaben: Die einarmigen Pförtner (heute ersetzt durch Fremdfirmen), das dürre, krumme Faktotum in der Fabrikhalle, der Eisenspäne wegkehrt und um neues Schmieröl geschickt wird (wird nach Krankheit oder bei Rente sicher nicht ersetzt). Wollen wir uns diese Nischen noch leisten? Das entsprechende, gleichzeitig investorenorientierte Unternehmenskonzept sähe ich gerne.

Mal sehen, ob durch die jetzige Diskussion neue Ideen aufkommen, wie eine Leistungsgesellschaft alle Menschen einschließen kann (oder ob wir das überhaupt wollen).

die Kaltmamsell

39 Kommentare zu „Wohin mit unseren Deppen?“

  1. albertsen meint:

    “Bildungsfern” heißt ja nicht arbeitsunwillig. Unter anderem kenne ich jemanden, der so bildungsfern ist, wie man es sich nur vorstellen kann, hart an der Grenze zu dem, was man früher Idiotie nannte. Aber er hat immer Arbeit, weil ich er sich den Forderungen der Wirtschaft unterwirft: Flexibel, mobil, fleißig. Heißt: Macht unbezahlte Überstunden, lässt sich quer durchs Land scheuchen und im Winter, wenn es keine Arbeit gibt, entlassen. Und darauf läuft es hinaus: Den “Druck” soweit zu erhöhen, bis es keine Alternativen zu so einer Anstellung gibt.

  2. Greenbay meint:

    Du wolltest damit sagen, eure Armut kotzt mich an.

  3. Tim meint:

    Wie eine Leistungsgesellschaft alle Menschen einschließen kann

    Klingt ein wenig nach “Wollt ihr den totalen Krieg”.

  4. kid37 meint:

    Heute titelt die taz: “Und richtig ist: Es gibt eine Unterschicht” – und stellt im übrigen genau diese Frage, “wie man dauerhaft mit mehreren Millionen Erwerbslosen sinnvoll umgeht”. Von denen wiederum für eine auffalende Menge die einzige Perspektive zu sein scheint, den ganzen Tag am Büdchen rumzulungern, die Zeit, ihre Gesundheit, ihr Leben totzuschlagen. So wie in meinem Wohnviertel – in das sich weder Szenegänger, Sozialromantiker oder Politiker verirren. Die ausdruckslosen Gesichter in der U-Bahn hier, die Mutlosigkeit, der ganze billige Plunder. Ja, es stimmt. Diese Armut kotzt mich an. Weil Menschen so nicht leben sollten.

  5. walkuere meint:

    “oder ob wir das überhaupt wollen”

    das wiederum hängt davon ab, wer unter “wir” zu verstehen ist. jemand, für den neoliberalismus den status einer religion innehat, ist sicher nicht daran interessiert, die schwächeren mitglieder der gesellschaft zu unterstützen. jemand, der verstanden hat, dass leben aus geben und nehmen besteht und eine funktionierende gemeinschaft ein tragfähiges netzwerk darstellt, in dem platz für alle menschen ist, wird dieses miteinander vorbehaltlos für erstrebenswert halten.
    übrigens ist es von der unterscheidung zwischen “arbeitstauglich” in der bedeutung von “in der grenzenlos freien marktwirtschaft bedingungslos einsetzbar” zur frage nach “lebenswertem leben” kein allzu großer schritt mehr, und obwohl ich selber keiner religionsgemeinschaft angehöre, gibt es da einen satz, der mir sehr gut gefällt: “in gottes garten ist platz für alle geschöpfe”. höhere mächte sind diesem zitat nach zu urteilen gnädiger als viele menschen.

  6. Stefan meint:

    Die “Fremdfirmen” im Sicherheitsbereich beschäftigen ja auch Menschen. Ich kenne einige Firmen durch meine Arbeit in der EDV und habe mich mit leitenden Mitarbeitern unterhalten. Die Branche zahlt für die einfachen Tätigkeiten nicht besonders gut, also muss der Mitarbeiter mit relativ langen Arbeitszeiten rechnen. Es gibt dort nach wie vor Aufgaben für ältere Menschen und auch für Menschen ohne Facharbeiterabschluss. Besonders gern werden auch Leute eingesetzt, die kein ALG-2 bekommen, weil die Ehepartnerin oder der Ehepartner zu gut verdient.

    Aber zu den Aufgaben der Sicherheitsbranche zählt auch die komplette Organisation eines Konzertes in der Dresdner Frauenkirche oder die Gewährleistung der Sicherheit im Grünen Gewölbe (ein berühmtes Museum in Dresden). Da stehen in der Frauenkirche freundliche und durchaus kommunikative Menschen an den Emporen, um Fragen zu beantworten, Karten abzureißen oder Plätze anzuweisen. Die “Sicherheitsbranche” besteht also nicht nur aus dem unfreundlichen Pförtner, dem muskelbepackten Bodyguard oder dem kahlrasierten Ordner aus dem Fußballstadion.

    Und zum beruflichen Aufstieg: In der Sicherheitsbranche gibt es auch ein abgestuftes Konzept der Weiterbildung, das von “festgelegten Tätigkeiten” auf sehr geringem Niveau bis zu einem Industriemeister reicht (und letzterer ist schon anspruchsvoll).

  7. Stefan meint:

    PS: Sie fragen nach Ideen, wie eine Leistungsgesellschaft alle Menschen einschließen kann (oder ob wir das überhaupt wollen). Die Frage steht meine Meinung nach überhaupt nicht. Wir müssen das wollen. Wir müssen aber auch auf den Willen und die Flexibilität der Betroffenen setzen. Es sind nicht mehr Vollzeitarbeitsplätze für alle Arbeitswilligen vorhanden, aber durch die Kombination aus unterschiedlichen Einnahmequellen könnten sich viele Leute zumindest teilweise aus der Abhängigkeit von ALG-2 befreien. Dazu wäre einfach nur eine Liberalisierung der Zuverdienstmöglichkeiten notwendig.

  8. creezy meint:

    Diese eine Erfolgsgeschichte macht mich total glücklich und spendet mir viel Freude und Mut. Diese eine, die auf soviele Millionen Gegenteiliger kommt … ich lese so etwas sehr gerne. Gucken wir mal, was mit der jungen Frau passiert, wenn sie ‘alt’ als jenseits der 35 ist.

    Die liebe Kaltmamsell ist hier übrigens in eine der vielen Fallen der Hartz IV-Konzeption getappt. Bei dieser wurden nämlich in Schritt IV die Sozialhilfeempfänger, die tatsächlich oft nicht nur nicht ausbildungsfrei, wenig talentiert auch wenig arbeitswillig waren (es gibt hiervon bitte auch Ausnahmen) zusammen in den Topf von Menschen geworfen, die eine Ausbildung innehabend, bewiesenermaßen talentiert und arbeitswillig, aber eben arbeitslos (hier gibt es auch Ausnahmen) und von Stund an zu einer Kategorie – mit medialer Unterstüzung – nämlich den Sozialschmarotzern bzw. nur noch auf diese reduziert wurden. Ich wünschte mir, es gäbe noch ein paar klare Köpfe da draußen, die sich dieses Irrtums wehren würden und realisieren würden, dass die künftig freigestellten T-Online, Siemens-, Benq, Deutsche Bahn- und Allianzversicherungsarbeitnehmer weniger Deppenhabitus ihr eigen nennen, als sie es vielleicht persönlich gerne selber tun würden.

    Ansonsten würde ich es sehr schätzen, wenn man mich arbeitslose talentfreie 41jährige einfach mal schnell vergasen könnte. Dann wäre ein Platz frei, der Gesellschaft viel Geld erspart und ich müsste nicht mehr mit Bauchschmerzen rumrennen, weil ich gerade wirklich heftige Angst davor habe, weil ich nicht weiß wie ich ab Januar von 345 Euro 3 % Mehrwerststeuererhöhung in meinem täglichen Leben bezahlen soll. Es reicht jetzt schon vorne und hinten nicht. Deswegen kapituliere ich als talentfreie unwillige Deppin und bitte um den Gnadenstoß. Sollte man aus menschlichen Überresten Energie ziehen können, um die anderen Deppen der Gesellschaft ins Universum und damit den restlichen Gutdeutschen aus dem Sichtfeld zu schießen, dürfen meine gerne dafür verwendet werden.

  9. walkuere meint:

    ach, frau creezy, das erinnert mich daran, dass firmen, die nicht gewillt sind, jemandem eine seiner beruflichen laufbahn entsprechende, jedoch lediglich am tarífvertrag ausgerichtete bezahlung zukommen zu lassen, gerne absagen mit der bemerkung “überqualifiziert” versehen (obwohl das anforderungsprofil der stellenausschreibung zu mehr als 90 % dem eigenen werdegang entspricht).

  10. Stefan meint:

    @creezy: Könnte man die Energie für das Ausdenken und Aufschreiben solcher Beiträge nicht auch sinnvoller verwenden? Wirklich ohne jeglichen bösen Hintergedanken würde ich empfehlen, einfach einen Eintrag mit der Bitte um Hilfe und Ideen in Dein eigenes Blog zu setzen und auf einigen anderen Blogs zu verknüpfen. Ziel: Ideenfindung, Diskussion und Zuspruch in den Kommentaren. Gedanken und Ideen wachsen erst, wenn man darüber schreibt oder spricht.

    Was kann schon schiefgehen? Ich kenne genug Frauen um und über 40, die ganz im Gegensatz zum Inhalt dieses verzweifelten Ausbruchs unabhängig und erfolgreich sind … Ich kann es einfach nicht glauben, dass jemand mit 41 über seinen eigenen Tod philosophiert, statt sich auf seine Stärken zu besinnen.

  11. syberia meint:

    Creezy sieht das ganz richtig: raus mit den Deppen. Kein langes Fackeln mit denen, die uns am Erreichen des Deckungsbeitrages hindern. Anderen Ländern möchten wir unseren Ausschuss doch wohl auch nicht zumuten, also auf den Mond schiessen ohne Rückfahrkarte. Und zwar alle, die einen IQ unter 100, ein Monatsgehalt unter 1500 Euro netto, ein Alter über 35 und einen BMI über 25 haben. Danach kümmern wir uns dann um die mit den chronischen Krankheiten, die Alten, die mit den Vorstrafen und Behinderungen und das andere Gesocks.

    Die Arroganz der Erfolgreichen liegt darin, dass sie sich ihren Erfolg ausschließlich selbst zuschreiben und die Armen verantwortlich machen für deren Mißerfolg. Zumindest solange, bis es ihnen selbst auch passiert: http://nurtext.zeit.de/2005/11/Unterschicht .

  12. Liisa meint:

    Der Artikel von Heribert Prantl war mir auch schon aufgefallen. Die traditionellen Nischen von denen hier in diesem Beitrag die Rede ist gibt es tatsächlich kaum noch, was zum Teil auch an den inzwischen geschaffenen staatlichen Reglementierungen liegt. Heutzutage darf man in diesem Land ja nicht mal mehr ein Schild aufhängen ohne vorherige Genehmigung, geschweige denn Nischen der erwähnten Art schaffen oder nutzen.

    Zum Thema Solidarität in Zeiten der neuen Armut hab ich mir hier auch noch ein paar weitergehende Gedanken gemacht.

  13. Stefan meint:

    Liisa, Du schreibst in Deinem Artikel:

    “Für Politiker dagegen sind solche sozusagen »gelähmten und isolierten« Arbeitslose und Arme im Land eine Art Glücksfall, denn Aufbegehren und Widerstand ist aus dieser Ecke dann kaum zu erwarten …”

    Nein, das ist falsch. Für die Politik und für unsere ganze Gesellschaft sind solche von innen heraus gelähmten und nach außen isolierten Menschen ein großer Unglücksfall. Wenn ihre Zahl zu groß wird, gerät nämlich die gesamte Gesellschaft aus dem Gleichgewicht. Andererseits: Für die gelähmten und isolierten Menschen wird immer wieder nur die Art von Politik gemacht, die sie gerade in Lähmung und Abhängigkeit hält. Eigeninitiative und Eigenverantwortung haben deshalb eine immer geringere Bedeutung.

  14. Liisa meint:

    Stefan, natürlich sind sie ein Unglücksfall, ich meinte den Glücksfall eigentlich eher “ironisch” habe allerdings die “” vergessen einzufügen, habe ich jetzt nachgetragen, damit keine Mißverständnisse aufkommen. Glücksfall war in diesem Fall darauf bezogen, daß die Politiker da eben recht ungefährdet ihr Süppchen weiterkochen können, ohne daß allzu viel Protest kommt und das bisschen echter Protest der kommt, den sitzen sie dann bequem aus nach dem Motto “Nach mir die Sintflut” … klar irgendwann zahlt auch der Rest der Gesellschaft die Zeche und dann gibt es das nächste böse Erwachen aber damit müssen sich dann höchstwahrscheinlich schon ganz andere Politiker und nachfolgende Generationen auseinandersetzen.

    Was das Thema Eigeninitative angeht muß vielleicht noch ergänzt werden, daß die in diesem Land häufig ja schon in kleinsten Ansätzen schnell wieder erstickt wird obwohl sie dringend notwendig wäre.

  15. goetzeclan meint:

    Na, ich bin ja überhaupt mal froh, dass die Menschen, über die jetzt geredet wird, als das erkannt werden was sie sind. Sie sind halt nicht wie die SPD-Religionsführer sie immer hingestellt haben. Sie sind nicht Opfer einer bösen, kalten Gesellschaft. Die Gesellschaft mag Böse oder Kalt sein, aber die Situation der hier angesprochenen hat nur teilweise damit zu tun. Das immerhin, scheint nun langsam durch zu sickern. Das ist gut.

  16. blue sky meint:

    Zwar glaube ich auch, dass manche Menschen es von jeder Ausgangsposition aus schaffen würden. Frage mich aber gleichzeitig, ob die derzeitige Diskussion nicht vor allem nur einen psychologischen Zweck erfüllt, nämlich sich selbst nach “unten” abzugrenzen. Sich zu versichern, dass bzw. warum ich selbst nicht zu den Verlierern gehöre und hoffentlich nie gehören werde. “Wir” vs. “die”, “Unterschicht”, “bildungsfern” – wenn schon die Sprache immer nur von anderen spricht, liegt die Vermutung nahe.

  17. Sanníe meint:

    Aus der Position einer gesicherten Existenz heraus läßt sich so einfach urteilen und verurteilen; Ermahnungen zu mehr Initiative und weniger Jammerei liest man auch in Blogkommentaren immer häufiger, manchmal sogar die Forderung nach Dankbarkeit und Offenlegung, was denn bitteschön unternommen wird, um die Abhängigkeit von Staatsgeldern zu beenden.

    Ein ganz entscheidendes Problem bei der Unterschichten- und Prekariatsfrage ist die Verkürzung auf das Materielle, ohne die Auswirkungen in einer reichen und immer weniger durchlässigen Gesellschaft zu sehen. Psychosoziale Folgen von Armut werden bei uns ignoriert, da in der Öffentlichkeit ja beinahe nur noch Ökonomen – und in der Politik die Juristen – zu Wort kommen, deren Perspektive auf die Welt beschränkt ist. Probleme, die man nicht erkennt, kann man auch nicht lösen.

    Und so werden in immer breiterem Konsens riesige Menschengruppen als ungebildet, arbeitsscheu bis asozial diffamiert und diskriminiert. Wie wenig Wert tatsächlich auf Erkenntnisse gelegt wird, welche Auswirkungen diese Armut sowohl auf den einzelnen als auch auf die Struktur der ganzen Gesellschaft hat und haben wird, läßt sich sehr schön an der Verteilung von Fördergeldern der “Exzellenzinitiative” an Soziologen, Psychologen und Politologen ablesen: Keiner nämlich.

    Hier noch eine wunderbare Erfolgsgeschichte: http://www.zeit.de/2006/18/Ayfer_2?page=all

  18. walkuere meint:

    im übrigen, frau kaltmamsell, hoffe ich doch stark, dass sie das wort “depp” nur verwendet haben, um aufmerksamkeit zu erregen. sollten die “Ehrgeizlosen, Unmotivierten, nicht besonders Begabten, Miesepetrigen, mit den Bequemen, Langsamen, Begriffsstutzigen, Verzagten, Konservativen” für sie unter diese kategorie fallen, müsste ich mich ernsthaft fragen, wes geistes kind sie sind.

  19. Michael meint:

    Die vollständige Ökonomisierung der Gesellschaft wird uns noch teuer zu stehen kommen. Wenn die Sozialsysteme nicht so viel Geld für Unfug und Verwaltung ausgeben würden, wäre das Problem zu 50% behoben. Die anderen 50% können von den Unternehmer kommen. Für sie muss es sich in unserem Land wieder lohnen ganz schlicht und ergreifend ein redlicher Kaufmann zu sein.

  20. sabbeljan meint:

    @sanníe: danke für den kommentar! es ist zudem entscheidend die erwerbsarbeit als alleinseligmachendes momentum zu durchbrechen. aber der knoten ist wirklich fett!

  21. hb meint:

    Das entstehen einer gesellschaftlichen Unterschicht ist ja eng verkoppelt mit dem finanziellen Abheben einer gesellschaftlichen Oberschicht und auch für letzteres kann der individuelle Leistungsindikator nicht als Erklärung herhalten.

    Das Paradox an dem gegenwärtigen Leistungsgesellschaftsparadigma ist ja, dass bei gleichzeitiger Betonung der Eigenverantwortung die ‘sozialen Strickleitern’ (auch Prantl, aber SZ gedruckt, gestern, Meinungsseite) gekappt werden, also die soziale Durchlässigkeit nach oben immer weniger gegeben ist.

    Zufällig bin ich vor zwei Jahren mit einem nichtdeutschen Ehemann zurück nach Deutschland gesiedelt und habe dadurch einige interessante Erfahrungen mit mir bis dahin völlig unbekannten Lebenswelten gemacht.

    Der beste Mann von allen, Hochschulabschluß, hochmotiviert und auch bereit sich ganz unten anzustellen, um irgendwo reinzurutschen und dann zu beweisen, was in ihm steckt, hatte von Anfang an das Problem, an einer tückischen Form von gleichzeitiger Über- und Unterqualifikation zu leiden, weshalb er nach einem Jahr verzweifelten Suchens (und Abschluß der deutschen Hochschulzugangsprüfung) schließlich einen typischen Ausländerjob annahm; er putzt jetzt für eine Fremdfirma in einem Hotel und befehligt die Putztruppe im Namen der festangestellten Hausdame.

    Unter den Fremdfirmlern, serbische Professorinnen, russische Mathelehrerinnen, ein russischer Pilot, Deutsche verschiedener Berufsgattungen, kaum einer ein minderbemittelter Depp. Die arbeiten alle für 2,50 Euro pro Zimmer im Akkord, mit der Einschränkung, dass je nach Belegung nur eine begrenzte Zimmerzahl zur Verfügung steht. An manchen Tagen fangen die um 8 an zu arbeiten, kriegen 10 Zimmer zugeteilt und warten evtl. bis 3, 4 Uhr nachmittags darauf, dass ihr letztes Zimmer frei wird, also für 25 Euro Bruttolohn.

    Der Arbeitsvertrag wird, sagen wir mal, flexibel und informell gehandhabt. Es gibt keinen bezahlten Urlaub, der Chef legt Wert auf 400-Euro Jobverträge, der Rest wird schwarz bezahlt. Von Weihnachtsgeld, Tarifvertrag, Betriebsrente, Gehaltszahlung auch im Krankheitsfall können diese Leute nur träumen.

    Jetzt werden Sie sagen, das ist ja illegal – tja, aber wenn es die einzige CHance ist, die sich einem bietet?

    Fast alle kriegen zusätzliche soziale Transferleistungen. Fast alle arbeiten in mehreren Jobs. Keiner davon ist doof oder leistungsunbereit. Keiner kann von seinem Einkommen seine Miete zahlen.

    So richtig schrecklich ist aber erst die soziale Apartheit zwischen den Hotelangestellten und den Fremdarbeitern: Der Putztruppenbefehlshaber kommt tewa in seiner Scharnierfunktion mit der Frühschicht; den Frühschichtlern wird von der Frühstücksbar ein Milchkaffee serviert, jedoch nicht dem Fremdarbeiter. Falls ihm einer angeboten würde, müßte er sich damit in einen nicht kameraüberwachten Winkel zurückziehen und seinen Kaffee alleine schlürfen.

    Unter solchen Bedingungen ist ein Aufstieg innerhalb des Unternehmens undenkbar. Genauso der Wechsel in ein reguläres Arbeitsverhältnis innerhalb der Hotelkette.

    Stellen wir uns einen spanischen Elektriker und eine polnische Friseusin mit zwei Kindern vor, die unter solchen Bedingungen ihre familiäre ZUkunft aufbauen müssten udn nicht wie in den 70er Jahren mit Arbeiterjob in der Industrie mit Tariflohn, Betriebsrat, Weiterbildungsmöglichkeiten und einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

    Hätten ihre Kinder studiert, bei Studiengebühren statt Bafög, ALGII aufgestockten Lohn statt Weihnachtsgeld?

    Das sind die gekappten Strickleitern.

  22. Sanníe meint:

    So ist es, ich kenne diese Geschichten aus Berlin, wo es unter Arbeitgebern normal zu sein scheint, Leute dreisterweise über das Arbeitsamt(!) zu 400-Euro-Bedingungen zu suchen, sie aber tatsächlich schwarz einzustellen. Wer nicht mitmacht, riskiert eine Anzeige beim Amt.

    Was in der Diskussion auch immer leicht übersehen wird, ist, daß es auf die individuelle Qualifikation vielfach gar nicht mehr ankommt. Wenn kein auf das persönliche Profil passender Job gefunden wird, nehmen die meisten Menschen (auch ohne Druck vom Amt) eben einen anderen an. So sitzen in Callcentern und Support-Hotlines Hochschulabsolventen neben bei der Telekom ausgemusterten Fernmeldetechnikern und frisch ausgebildeten Bürokauffrauen. Von Zeitarbeitsfirmen in Sieben-Monats-Verträgen gehalten (sechs davon Probezeit) werden sie der Jobbeschreibung gemäß bezahlt: Eine Ausbildung ist dafür nicht erforderlich, geschult wird auf das zu verkaufende Produkt und die zur Erfassung notwendige Software. Mehr nicht, denn niemand hat ein Interesse daran, diese Leute fortzubilden. Wozu auch? Wer eine Woche zuviel krank war, fliegt eiskalt und sofort, Urlaub wird in Gesprächen als “unproduktive Zeit” bezeichnet.

    Diese Leute sind nicht die Unterschicht, von der diese Woche soviel die Rede ist, sondern prekär beschäftigt. Wer mit 900 Euro monatlich auskommen muß, tut sich schwer damit, eine Weiterbildung selbst zu bezahlen, eine private Rentenversicherung abzuschließen oder gar eine Familie zu gründen. Das wirkt sich auf das gesamte Leben aus, das heißt, die materielle Armut hat ihre Fühler längst in die Mittelschicht und damit die ganze Gesellschaft ausgestreckt.

  23. Tim meint:

    Und da haben wir auch die Verbindung zur Unterschicht. Wenn man mit solchen Jobs 900 Euro verdient, kann man auch gleich zuhause bleiben. Hartz IV + Miete + Schwarzarbeit bringt mehr. Man könnte meinen, dass das eben nich die Deppen sind, es sind die, die das schon lange erkannt haben und sich nicht um solche prekäre Jobs bemühen.

    Dazu kommen die Leute, die selbst wenn sie gut verdienen würden, mit 1200 Euro auskommen müssten, weil der Rest an die Exfrau, Kindesunterhalt, Gerichtsvollzieher usw, gehen würde.

    Um denen die Stütze zu kürzen und somit auf die harte Art zu motivieren sind zu wenig Jobs da. Wir drehen uns im Kreis. Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen. Wir können nicht alle in die Leistungsgesellschaft einbinden. Weil die Leistungsgesellschaft immer weniger anzubieten hat.

  24. hb meint:

    Eine Leistungsgesellschaft die nichts zu bieten hat – ist das nicht ein politisches Problem?

    Es ist ja nicht so, dass alle gleichmäßig ärmer werden vor lauter chinesischen Wettbewerbstetanen.

    Vielleicht ist es ja nicht nur Zeit für einen Generationenvertrag, sondern für einen Gesellschaftsvertrag?

  25. typ.o meint:

    “geiz ist geil” ist der grund, weswegen der spänefeger nicht mehr bezahlt wird. eine schreinerei, die tische für 15eur herstellt, leistet sich keinen spänefeger. aber sie hat käufer, die für 15 euro die gewerkschaftsfreie, asoziale und neoliberale wirtschaft bewirken.

  26. creezy meint:

    @Tim

    „Hartz IV + Miete + Schwarzarbeit bringt mehr.“

    Sorry, aber das sind doch nun wirklich dummdreiste Unterstellungen. Wenn denn alle AG II-Empfänger (es gibt übrigens keinen einzigen Leistungsbezug in Deutschland, der Hartz IV heißt!) ihre Euro nebenbei machen, warum leidet denn z. B. der deutsche Handel so kontinuierlich unter einbrechenden Umsatzzahlen? Bitte zu Ende denken … wo ist denn das viele Geld, das angeblich mit der vielen Schwarzarbeit in Deutschland gescheffelt wird?

    @Stefan

    Und siehe mal, wenn Du z. B. schreibst:

    „Könnte man die Energie für das Ausdenken und Aufschreiben solcher Beiträge nicht auch sinnvoller verwenden? Wirklich ohne jeglichen bösen Hintergedanken würde ich empfehlen, einfach einen…“

    dann machst Du schon sehr deutlich, das Du Menschen wie mich eigentlich für dumm, unfähig – eben für kleine Deppen hältst – so leicht unterschwellig frage ich mich – ohne jeglichen bösen Hintergedanken natürlich – warum glaubt dieser Arbeitnehmer mir vorschlagen zu müssen, wie ich mich als Arbeitslose verhalten zu habe? Wieso glaubt er (Du unterstellst es damit schon), unternehme ich nicht alles mir mögliche, meine Situation zu ändern?

    Du magst es ja vielleicht nur gut meinen, aber aus irgendeinem Grund glauben noch in Arbeit stehende, wir ohne Arbeit sind einfach nur zu blöd alleine über die Straße zu gehen … und haben deshalb keine(e) Job(s). Und ich denke mal, das ist so nicht korrekt.

    Ich würde mir in Deutschland mal einen Tag der Solidarität wünschen – sollen doch alle Arbeitnehmer für alle zwanghaften Nichtarbeitnehmer und jene die Angst haben müssen, bald dazu zu gehören einen Tag nur die Arbeit komplett niederlegen. Damit gewisse Unternehmer und Vorstandsmitglieder einen einzige Tag lang mal die Macht des Volkes spüren könnten.

    Das wäre allerdings eine Aktion auch „Pro Deppen“ und nicht „Contra Deppen.“ Klar, da ist ein Risiko bei. ;-)

    Das Hauptproblem ist, dass wir von unseren eigenen Unternehmen in Deutschland nicht mehr als Absatzmarkt ernst genommen werden. Wir kosten einem in Deutschland tätig und produzierendem Unternehmen mehr als sie hier vor Ort noch reinholen könnten, was nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit, die Personalkosten hier seien zu hoch. Davon glaube ich kein Stück mehr, Änderungsverträge haben das schon vor Jahren geregelt. Deutschland ist kein Wachstumsmarkt. Basta.

  27. kid37 meint:

    Die Strickseile sind weg, die bundesrepublikanische Lüge vom “wir sind alle irgendwie gleich, nur manche haben schönere Vorhänge” auch. Hier wird schon wieder zuviel über Schuld und Verschulden gemutmaßt. Das Neue ist doch, erstmals einen Begriff wie “Unterschicht” nackt und schonungslos in den Raum zu stellen (statt z.B. zu sagen ” Perspektiv-Besserverdienende”). Das sind doch keine “invisible men” (Ellison)! Und: Wer “Unterschicht” sagt, kann auch besser “Oberschicht” sagen und die Taschenlampe auch mal in die andere Richtung halten.

    Dietmar Dath schreibt heute in der FAZ: “Wenn die Unterschicht und ihre Antipoden, die Heuschrecken, gemeinsam dafür sorgten, daß solche* faulen Lösungen der sozialen Frage auf Kosten von unsichtbar gemachten anderen endlich untragbar würden – wäre das kein Fortschritt?”

    Oben und unten gehören zusammen betrachtet, daß muß die Mitte endlich kapieren. Vielleicht muß die Frage dann auch heißen: wie schafft es die Leistungsgesellschaft, die oberen Zehntausend in die Gesellschaft zu integrieren?

    * Gemeint ist die Haltung des “alten Proletariats” sich z.B. mit dem “Erste-Welt-Stauts und daraus folgeder Wohllebe” zu arrangieren – auf Kosten der Verlierer dieses Systems.

  28. Stefan meint:

    @Creezy: Vielen Dank für Deine Antwort. Wer könnte einer so schönen Argumentation ‘ad personam’ widerstehen, auch wenn sie von ganz falschen Grundlagen ausgeht? ;-) Ich bin kein Arbeitnehmer. Meine gute Auftragslage als Freiberufler ist keine “Sicherheit”: sie ist hart erarbeitet und muss täglich neu gesichert werden. Andere Selbständige können das sicher bestätigen. Mein Kommentar bezog sich auf einen Absatz, den Du mit den Worten

    Ansonsten würde ich es sehr schätzen, wenn man mich arbeitslose talentfreie 41jährige einfach mal schnell vergasen könnte. Dann wäre ein Platz frei, der Gesellschaft viel Geld erspart und ich müsste nicht mehr mit Bauchschmerzen rumrennen, weil ich gerade wirklich heftige Angst davor habe, weil ich nicht weiß wie ich ab Januar von 345 Euro 3 % Mehrwerststeuererhöhung in meinem täglichen Leben bezahlen soll.

    eingeleitet hast. Darf ich davon ausgehen, dass dieser Absatz nicht einfach aus Spaß an der Provokation geschrieben wurde, sondern dass ein wirkliches Problem dahintersteckt? Natürlich erregt so ein Kommentar Aufmerksamkeit und Betroffenheit. Ich habe dann also vorgeschlagen, dass Du die Aufmerksamkeit dazu nutzen könntest, Dir von anderen helfen zu lassen. Offensichtlich gibt es ja in der Welt der Blogs eine Menge Frauen in der gleichen Altersgruppe, die aus der Erfahrung ihres eigenen beruflichen Erfolgs etwas beitragen könnten.

    Ich will nicht akzeptieren, dass es angeblich keine Möglichkeit geben soll, sich zum ALG-2 einen Zuverdienst aufzubauen, der zumindest die Preiserhöhungen ab dem 01.01.2007 ausgleicht. Übrigens ist die Grundsicherung plus Wohnkosten, Kranken- und Pflegeversicherung ein sicheres Einkommen.

  29. Media Addicted meint:

    Wow, was für eine Diskussion. Selten sowas, leider. Kleiner Senfklecks dazu, Thema: Motivation, Ziele und Realität.

    Ich habe neulich einen Vortrag gehalten vor einer Schulklasse. Thema: warum ein Auslandspraktikum anstreben, wie planen, bewerben etc. pp. Ich hatte mal eins gemacht, eine Freundin ist die Lehrerin, so kam das zustande. Die Klasse war eine Gymnasialklasse, Stufe 12, Schule in zentraler Lage, aber mit vielen Problemfällen. Jedenfalls war schnell klar, das AUSLANDSpraktikum way to sophisticated war und auch unangebracht. Also schnell das Thema etwas gedreht und über “normale” Prakitka und berufliche Perspektiven gesprochen.

    Ich hab denen gesagt, dass ein Studium “gut” ist, man nur überlegen sollte, welchen Beruf man damit mal ausüben will oder kann und ob dieser Beruf überhaupt gebraucht wird. Dass Wissen und akademische Bildung weniger schnell als andere Fähigkeiten von Chinesen und Osteuropäern adaptiert werden können. Nicht im Detail das alles, nur ganz grob. Dass man sich in gewissen Grenzen immer anpassen muss an Unternehmen, das Umfeld, sei es nun die Kleidung oder die Umgangsformen. Schlabberjeans und angesehener Job passt eben meistens nicht zusammen. Dass die Medien NICHT Recht haben mit der ständig wiederholten Aussage, dass man ja auch als Student am Ende eigentlich so gut wie sicher arbeitslos ist und das alle abrutschen und eigentlich keiner so richtig eine Chance hat, wenn er nicht alles 150%ig abreisst, wie es im Lehrbuch steht. Dass sie einen Job kriegen werden, der Ihnen Spaß macht, wenn sie Ehrgeiz entwickeln, fleissig sind und sich Mühe geben. Dass das meiste davon automatisch passiert, wenn man wirkliches Interesse und Spaß an etwas hat. Alles in Allem: ganz einfache Dinge, Binsenweisheiten.

    Eine Woche später: besagte Freundin rief mich an, ob man das nochmal machen könnte, die Klasse sei wie ausgewechselt, die hätten noch so viele Fragen, wie ich das denn alles gemacht hätte etc. pp. Sie seien motiviert, fünf von denen haben sich innerhalb einer Woche gleich auf mehrere Schulpraktika beworben.

    Also war ich nochmal da. Warum sie das so gepusht hätte wollte ich wissen. Die Antwort war ganz einfach. Ich sei glaubwürdig, so wie ich das alles rübergebracht hätte, ich hätte es ja selbst auch “geschafft” und hätte jetzt einen tollen Job, das wollten sie auch und diese Kombination aus “glaubhaft” und Motivation hat sie angespornt.

    Soll man sich nun freuen oder entsetzt sein, dass es unser Schulsystem offensichtlich nicht schafft, einfachste Motivationsmechanismen in Gang zu setzen, die offensichtlich ihre Wirkung nicht verfehlen?! Nicht einmal in Gymnasien. Seitdem wundere ich mich nicht mehr darüber, dass es an Realschulen und Hauptschulen noch schlechter läuft.

  30. DonDahlmann meint:

    Ich behaupte: kein Mensch wird ohne Träume und Hoffnungen geboren. Nur wird in dieser Gesellschaft eben im Laufe des Erwachsenwerdens etwas anderes gelehrt. Wie die meisten komme ich noch aus einer Generation, in der es hieß, dass man “was ordentliches” lernen sollte. Was mit “Zukunft”. Wegen der “Rente”. Und es gab ja auch mal die stille Vereinbarung zwischen Bürger, Staat und Wirtschaft. Die Wirtschaft stellt den Arbeitsplatz, der Bürger seine Lebenszeit und seine Gesundheit und der Staat sorgt für die Altersversorgung. Das war in den 80er Jahren schon eine Lüge, als die Arbeitslosenzahlen gerade mal die Millionengrenze überschritten. Viele Menschen haben sich aber auf die stille Übereinkunft verlassen. Weil der Großvater und der Vater und der Onkel usw. das schon machte. Also macht man halt eine Ausbildung. Irgendwas, was sicher erscheint. Arbeit ist ja kein Spaß. Dann haben sie 10 oder 20 Jahre ohne Spaß gearbeitet um dann festzustellen, dass die stille Übereinkunft, der sie brav gefolgt sind, leider einseitig von den anderen Beteilligten aufgekündigt wurde. Und erst dann haben viele festgestellt, dass sie belogen wurden. Und dann war es auch zu spät, die eigenen Wünsche in Sachen Arbeit zu erfüllen. Manche “Deppen” kann ich gut verstehen.

  31. DonDahlmann meint:

    Achja, was ich schreiben wollte: Lösung -> Pfändungssicheres Bürgergeld. Wer es damit immer noch nicht auf die Reihe bringt….

  32. Richard meint:

    @sannie
    Hallo sannie, danke für deinen hinweis zum zeitartikel den ich auch kenne. wenn diese diskussion, in die ich heute durch zufall über den blog “rettet-das-mittagsessen” kam einen sinn für mich gibt, dann diesen daß wir uns alle bewußt die frage stellen, ab wann glaubten wir oder wurde uns glaubend gemacht, daß wir angst vor der zukunft haben müssen und uns nichts mehr leisten können? das sparen und abzwacken am entgelt für die leistung eines anderen brachte letztendlich auch unsere eigene einkommenssituation aus dem gleichgewicht. machen wir uns frei von neid und missgunst durch fehlersuche bei den anderen und gestalten wir unser leben durch bewußtes handeln und das beginnt bereits beim einkaufen und vorbereiten, kochen und dann essen. 1kilo kartoffel kreativ gekocht gibt mehr freude als das verschlingen von industrienahrung. auch für den geldbeutel. meine hoffnung ist, daß diese nun medialgeführte diskussion eines bekannten zustandes die berufsmäßig mit der unterschicht befassten auffordert ihre schutzmantelmentalität umzuwandeln in eine hilfe zur selbsthilfe.

  33. hb meint:

    statt steak eben täglich ein kilo kartoffeln kreativ gekocht, ist das nicht sehr marie antoinette?

    1890 bis 1920 hießen die politischen Folgen Anarchosyndikalismus (die Erfinder des Dynamitanschlags), Bolschewismus oder Sozialdemokratie, in den 30 Jahren Stalinismus, Faschismus oder New Deal….

    Nachdem wir die industrielle Moderne hinter uns gelassen und in den 90ern mit Bill Gates den verbesserten (?) Großen Gatsby produziert haben, sehen wir die neuen 30er Jahre am Horizont heraufziehen:

    Chinesisches und indisches Arbeitssklaventum ist wieder zum Avantgardewettbewerbsvorteil mutiert, im Radio habe ich letztens gehört, wie ein ostdeutsches Unternehmen angepriesen wurde, das statt Maschinen aufzustellen ihre Fertigpizzen arbeitsintensiv verpacken läßt !!!!! Rückschritt ist der neue Fortschritt und es würde sich mal wieder lohnen, in ‘Die Weber’ von Hauptmann zu gehen.

    Die Frage ist doch nicht, ob ‘wir’ uns ‘unsere Deppen’ noch leisten wollen, sondern in welcher Form uns unsere Epoche und unser System um die Ohren fliegen wird, wenn wir nicht uns nicht selbst als ‘die Deppen’ begreifen können.

    Ossis verstehen das wahrscheinlich besser.

    Und zur Kaltmamsellschen Ausgangsfrage: Sie machen einen Kurzsichtigkeitsfehler, wenn sie nach einer betriebswirtschaftlichen Lösung suchen:

    Wenn 7% Rendite ausreichen, können sich Firmen einen ‘Wagerlschieber’ leisten, aber auch Zeitungen etwa festangestellte Auslandskorrespondenten.

    Müssen es 15% Rendite sein, wird der Wagerlschieber zum Sozialamt geschickt, die Artikellänge gekürzt, damit die neuen verbesserten Überschriften mehr Platz haben und die PR gesponserte Wohlfühlseite verdoppelt.

    Manche fühlen sich aber schon bei weniger als 25% Rendite nicht mehr international wettbewerbsfähig, meistens nicht ohne Grund.

    Und es erzähle mir doch bitte keiner, dass die 15% Rendite sich auf das Gehalt der Angestellten durchschlagen, damit die sich dann teurere Couchtische kaufen können.

    Was passiert, wenn ich als Kunde den guten teuren deutschen Qualitätsstrom kaufe? Eon geht in Europa auf Einkaufstour und der Vorstand erhöht die Bezüge.

  34. Ingo Vogelmann meint:

    Meiner bescheidenen Ansicht nach ist das Konzept von Prof. Götz Werner genau das Richtige:

    http://www.unternimm-die-zukunft.de

  35. Richard meint:

    Lieber hb
    die Assoziation von Kartoffel auf Kuchen ist doch etwas sehr populistisch – oder?

  36. Sebastian meint:

    Wenn ich jetzt gerade nebenan erlebe, wie die Ur-Heimat der Spänekehrer Siemens sich im Hauruck-Verfahren auch auf Kosten ihrer Fachleute neu erfindet, dann kommt mir noch eine andere Frage: Wohin mit den Chefdeppen? Also jenen sozial immer schwerer integrierbaren Menschen, die ihr Entscheiderstellung im Betrieb mühsam mit Kraftrethorik, Machtmobbing und Unwissensmanagment erhalten? Die innerhalb ihrer Systeme (Firmenhierarchie, Börsenwelt, Medienzirkus) durchaus funktionieren nach dem Bürospruch “geheilt ist, wer die Anstaltsordnung kapiert” – die aber an der frischen Luft schnell zu Autisten verkümmern, die selbst nicht zum Spänekehren taugen, weil ihnen das zu niedrig ist? Wie lange können wir uns solche Leute noch in der Oberschicht leisten? (Was nicht heißt, dass alle Leiter und Macher so sind, längst nicht. Dass das dann aber vor allem Männer sind, haben jetzt Sie gesagt.)

  37. Jens meint:

    ich kenne eine frau. daß das vornehmlich männer sind liegt daran, daß die in diesen ebenen einfach generell noch in der überzahl sind.

  38. hb meint:

    Richard, ich meine das überhaupt nicht zynisch und erklär Ihnen gern wie: Der Mensch lebt vom SELBSTWERT und ein paar Kalorien.

    Armut kann ertragen, wer sich für wichtig halten kann; wegen eines aristokratischen Habitus (stichwort stilvoll verarmen), aus einer postmaterialistischen Selbstbestimmung heraus wie Don Dahlmann, oder weil man einem religiösen, kulturellen, historisch sozialdemokratischen; freidenkerischen Paralleluniversum angehört etc.

    Solche Leute VERSTEHEN, was Sie mit den kreativen Kartoffeln meinen, genauso wie Ludwig 16 ein ‘stell dich nicht so an und nimm halt einen Kuchen, wenn sie kein Brötchen haben.’ verstanden hätte.

    Aber an der Realität eines 20jährigen Vollprolls aus Meckpomm, der im finsteren Wald seiner Überflüssigkeit und Wertlosigkeit steht und wahlweise auf einen Ausländer oder den Führer wartet, um da herauszukommen, geht das vollkommen vorbei. Auf den wirkne SIE zynisch. Sein Problem ist nicht das Mittagessen, sondern dass er Luft ist. Bis er gefährlich wird.

    Und genauso kapseln sich offensichtlich die Lebenswelten der sogenannten selbsternannten Gewinnmaximierungseliten ab.

    Wobei es nicht der Vollproll aus Meckpomm war, der den Gesellschaftsvertrag der sozialen Marktwirtschaft aufgekündigt hat.

    Das mit dem Bürgergeld finde ich auch ein interessantes Modell, gespickt mit einigen Fragwürdigkeiten, würde ich gern mal näher diskutieren.

  39. lebowski meint:

    oh mann. stefan hat entweder den text nicht gelesen oder überhaupt nicht kapiert.
    für den blogeintrag klatsche ich hiermit mal ganz doll beifall. wegen sowas lese ich blog. diese mutige ehrlichkeit bekommt man in zeitungen nie.

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