Alles über alles (Unterabteilung BoBs)

Montag, 13. November 2006 um 13:48

Ich bin immer noch ganz benommen von den vielen Eindrücken und Informationen, die ich in Berlin in den drei Tagen Jurytreffen für den BoBs-Award der Deutschen Welle gesammelt habe. Ein winziger Ausschnitt:

– Der grauhaarige Blogpionier aus Frankreich, der Geschichten aus 30 Jahren als Journalist, Fotojournalist und Schlitzohr in aller Welt erzählt; der so viel und geschickt scherzt, dass er nicht nur mancher Debatte die Schärfe nimmt, sondern dass ich nach einiger Zeit immer erst mal seine ersten Sätze abwarte, bis ich entscheide, ob er gerade ernst oder spielerisch spricht.

– Der Donnerstagnachmittag, den ich im Hotelzimmer vor den Fernseher verbrachte, um die Einweihung der neuen Münchner Synagoge mitzuverfolgen, sehr gerührt.

– Der französische Menschenrechtsaktivist, der genau so aussieht, wie ich für einen Spielfilm die Rolle des jungen, französischen Menschenrechtlers besetzen würde (und neben dem ich mich als mickrige Demokratieschmarotzerin fühle).

– Der chinesische Journalist, der wiederum überhaupt nicht wirkt, wie ich mir einen im eigenen Land zensierten chinesischen Journalisten vorstelle (keine Ahnung, wie das ausgesehen hätte).

– Das Frühstück, bei dem ich mir ausführlich erklären ließ, wie die Deutsche Welle eigentlich strukturiert ist (nebenbei: Wie cool ist denn ein Arbeitsplatz, zu dem man die Kollegin fragt „Bist du heute noch mal in der Welle?“).

– Die beiden Spanier, die zwar wie prototypische spanische Universitätsdozenten aussehen (ohne dunklen Bart kriegt man dort als Mann wahrscheinlich nicht mal einen kleinen Lehrauftrag), ansonsten aber gar nicht in mein Spanierklischee passen wollen (ich bitt’ Sie: Ein Spanier, der nach dem Abendessen eine Tasse Tee bestellt?).

– Die russische Journalistin, von der ich erst nach ihrer Abreise erfuhr, dass sie derzeit in Moskau einen Leibwächter an ihrer Seite hat.

– Umsorgtwerden von den DW-Gastgebern und sich ob all ihrer Aufmerksamkeit wirklich wichtig fühlen.

– Die deutsche Chinesin, die die asiatentypische Laktose-Unverträglichkeit hat, aber für den Verzehr eines mit Käse überbackenen Röschti einfach ihre Pille mit dem Enzym nahm, das man zur Verdauung von Laktose braucht.

– Zum Tee von Frau Gaga ins Adlon ausgeführt werden, das kleiner, dafür noch viel eleganter ist, als ich mir das vorgestellt hatte.

– Die junge Brasilianerin, die ihr Telefonat im Taxi zur Preisverleihung kommentiert „you see, today is my daughter’s twentieth birthday“. Die Stadträtin in Sao Paolo ist, gewählte Stadträtin (interessant, wie man das in sehr internationalem Umfeld extra erwähnen muss), und einige dringliche Arbeiterprojekte telefonisch von Berlin aus voran treibt.

– Der Amerikaner, der während eines Gesprächs über die Entwicklung des Buchhandels im Nebensatz die Zeiten erwähnt, als er sein Büro im Hinterzimmer eines Buchladens in San Francisco hatte (genau da müsste ein Roman anfangen, finde ich).

– Die freundliche, zugewandte und wohlwollende Unterstützung, die ich von allen Seiten bekam und die mir sehr die Seele streichelte (wir wurde uns übrigens nicht einig, wie man „Befindlichkeitsbloggen“ auf Englisch sagt).

Substanziellere Details zu den Jurydebatten, den BoBs-Gewinnern und der Lage der Weltbloggerei folgen.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Alles über alles (Unterabteilung BoBs)“

  1. Greenbay meint:

    Da scheinen die 280 Mio. Euro, die die DW dem Steuerzahler kostet, ja gut angelegt zu sein.

  2. Gerd Brunzema meint:

    Deutsche Welle, Deutschlandfunk, Deutschlandradio. Mal ganz ehrlich. Das sind Sachen, über die man sich so freuen kann, daß es schon fast wie Patriotismus aussieht. Sicher kosten die Geld.
    Aber lieber so als diese zwangsglücklichen Mikrofonbediensteten auf den Werbesendern, die manchmal Inhalte senden. So zwischen Quiz, Telefon”scherz” und Blitzerwarnung.

  3. Huflaikhan meint:

    Hi Greenbay, bei manchen fehlen dafür 280 Mio. Gehirnzellen. :-(

  4. Remington meint:

    Ach Gerd…Amen, in Dreiteufelsnamen…Amen.

  5. stattkatze meint:

    @ befindlichkeiten: emo blogging should do the job.

  6. Tanja meint:

    Endlich! Dank Ihnen die Replik auf den “Gutmenschen” gefunden. “Demokratieschmarotzer!”

    Yeah, die Amerikaner haben schon mehr vom Buchhandelsnetz verloren und kämpfen ziemlich beeindruckend. Gerade die an der Westküste: Indies Under Fire.

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.