Archiv für November 2006

Gleichberechtler des Tages

Mittwoch, 15. November 2006

Zum Gleichberechtler des Tages ernenne ich Dominik Wichmann, Chefredakteur des SZ-Magazins. In der Ausgabe Nr. 45 dieses Jahres schreibt er über seinen Schuhtick – was allerdings nicht Anlass der Auszeichnung ist: Obschon Wichmann damit das Stereotyp konterkariert, Frauen hätten Schuhfimmel, Männern seien Schuhe egal, weist er auf die Meinung seiner männlichen Kollegen hin, er besitze „deutlich zu viele Schuhe“; damit untermauert er das Stereotyp sogar.

Aber: In seinem Text schildert Wichmann, wie die drei für das Sonderheft zuständigen Mitarbeiterinnen des SZ-Magazins ihn zur Umsetzung einer Geschenkidee brachten: „Zehn Minuten später verließen die drei johlend mein Büro.“ Er macht damit eine Seite an Frauen öffentlich, die von Anti-Feministen seit Jahrzehnten verheimlicht wird: Viele Frauen johlen gänzlich undamenhaft, wenn sie sich triumphal freuen, gerade zu mehreren. Wie Männer eben auch. Danke, Herr Wichmann.

Alles über alles (Unterabteilung BoBs)

Montag, 13. November 2006

Ich bin immer noch ganz benommen von den vielen Eindrücken und Informationen, die ich in Berlin in den drei Tagen Jurytreffen für den BoBs-Award der Deutschen Welle gesammelt habe. Ein winziger Ausschnitt:

– Der grauhaarige Blogpionier aus Frankreich, der Geschichten aus 30 Jahren als Journalist, Fotojournalist und Schlitzohr in aller Welt erzählt; der so viel und geschickt scherzt, dass er nicht nur mancher Debatte die Schärfe nimmt, sondern dass ich nach einiger Zeit immer erst mal seine ersten Sätze abwarte, bis ich entscheide, ob er gerade ernst oder spielerisch spricht.

– Der Donnerstagnachmittag, den ich im Hotelzimmer vor den Fernseher verbrachte, um die Einweihung der neuen Münchner Synagoge mitzuverfolgen, sehr gerührt.

– Der französische Menschenrechtsaktivist, der genau so aussieht, wie ich für einen Spielfilm die Rolle des jungen, französischen Menschenrechtlers besetzen würde (und neben dem ich mich als mickrige Demokratieschmarotzerin fühle).

– Der chinesische Journalist, der wiederum überhaupt nicht wirkt, wie ich mir einen im eigenen Land zensierten chinesischen Journalisten vorstelle (keine Ahnung, wie das ausgesehen hätte).

– Das Frühstück, bei dem ich mir ausführlich erklären ließ, wie die Deutsche Welle eigentlich strukturiert ist (nebenbei: Wie cool ist denn ein Arbeitsplatz, zu dem man die Kollegin fragt „Bist du heute noch mal in der Welle?“).

– Die beiden Spanier, die zwar wie prototypische spanische Universitätsdozenten aussehen (ohne dunklen Bart kriegt man dort als Mann wahrscheinlich nicht mal einen kleinen Lehrauftrag), ansonsten aber gar nicht in mein Spanierklischee passen wollen (ich bitt’ Sie: Ein Spanier, der nach dem Abendessen eine Tasse Tee bestellt?).

– Die russische Journalistin, von der ich erst nach ihrer Abreise erfuhr, dass sie derzeit in Moskau einen Leibwächter an ihrer Seite hat.

– Umsorgtwerden von den DW-Gastgebern und sich ob all ihrer Aufmerksamkeit wirklich wichtig fühlen.

– Die deutsche Chinesin, die die asiatentypische Laktose-Unverträglichkeit hat, aber für den Verzehr eines mit Käse überbackenen Röschti einfach ihre Pille mit dem Enzym nahm, das man zur Verdauung von Laktose braucht.

– Zum Tee von Frau Gaga ins Adlon ausgeführt werden, das kleiner, dafür noch viel eleganter ist, als ich mir das vorgestellt hatte.

– Die junge Brasilianerin, die ihr Telefonat im Taxi zur Preisverleihung kommentiert „you see, today is my daughter’s twentieth birthday“. Die Stadträtin in Sao Paolo ist, gewählte Stadträtin (interessant, wie man das in sehr internationalem Umfeld extra erwähnen muss), und einige dringliche Arbeiterprojekte telefonisch von Berlin aus voran treibt.

– Der Amerikaner, der während eines Gesprächs über die Entwicklung des Buchhandels im Nebensatz die Zeiten erwähnt, als er sein Büro im Hinterzimmer eines Buchladens in San Francisco hatte (genau da müsste ein Roman anfangen, finde ich).

– Die freundliche, zugewandte und wohlwollende Unterstützung, die ich von allen Seiten bekam und die mir sehr die Seele streichelte (wir wurde uns übrigens nicht einig, wie man „Befindlichkeitsbloggen“ auf Englisch sagt).

Substanziellere Details zu den Jurydebatten, den BoBs-Gewinnern und der Lage der Weltbloggerei folgen.

Congratulations, Lila!

Sonntag, 12. November 2006

This is what I said yesterday at the ceremony in Berlin, Museum für Kommunikation, announcing the winners of the Deutsche Welle Bobs Award and explaining the decision of the international jury:

“The award for Best German Weblog goes – to Israel. The author, writing as ‘Lila’, is German and emigrated to Israel some 18 years ago to live in a kibbuz. For some years now she has been blogging about kibbuz life, about her work as an historian of art, about her family with four children – becoming an authentic source of information about these aspects of Israel for the German speaking world.
This year the life Lila writes about includes a war. About this she wrote comparing in a very critical way the media reports from Israel, Germany and the US, pointing out one-sidedness, double standards, contradictions and manipulative language. She added descriptions of everyday life in Israel and how it was affected by the war. This made hers a unique voice and a unique source of information that was used and quoted even in the established media.
The award for Best German Weblog goes to Letters from Rungholt to honour the author for this achievement and to encourage her to go on providing her insights and analyses from Israel.”

Ab nach Berlin zu den BoBs

Donnerstag, 9. November 2006

Eigenartig, wie viele Fehlannahmen zu den Best-of-Blogs-Awards der Deutschen Welle durchs Web und seine Blogs geistern. So kompliziert sind die Modalitäten doch gar nicht.

Ich jedenfalls mache mich jetzt auf den Weg zum Treffen der internationalen Jury und freue mich schon sehr aufs Kennenlernen. Jeder / jede von uns hat vor vier Wochen für seine Sprache 10 Blogs nominiert (aus den Vorschlägen des Publikums), aus denen wiederum die Jury in langen und heißen Diskussionen den Gewinner bestimmt. Auch für die sprachübergreifenden Kategorien haben die Jurymitglieder je ein / zwei vorgeschlagene Blogs aus ihrer Sprache nominiert, aus denen wir in noch viel längeren und viel heißeren Diskussionen den Gewinner oder die Gewinnerin festmachen (hier konkurrieren wir schließlich ein wenig miteinander). Für diese Gewinner und Gewinnerinnen gibt es Preise: Ein Apple MacBook für das beste Weblog überhaupt, für die Sieger oder Siegerinnen der anderen Kategorien je ein iPod Video.

Präsentiert werden die Best of the Blogs
am Samstagabend, 11. November,
um 20 Uhr
im Museum für Kommunikation.

Präsentator des Abends ist Don Dahlmann, als Spezialgast hat die Vorjahresgewinnerin des deutschen Blog-Awards zugesagt: Katharina Borchert, aka Lyssa.

Ihr seid herzlich zu dieser Präsentation eingeladen, Ihr Blogger und Bloggerinnen da draußen, das ganze enthält neben Grußworten und Verkündung auch einen Party-Teil. Eintritt ist frei. (Dress Code: Alltag. Obwohl ich so auf eine Gelegenheit gehofft hatte, endlich mal wieder die Abendrobe zu lüften.)

Daneben gibt es einen Publikumspreis pro Kategorie. Dafür könnt Ihr noch bis 11.11., 24:00 Uhr hier abstimmen.

Sunset in Nowhereland

Mittwoch, 8. November 2006

sonnenuntergang_buero.jpg

Es mag im Nirgends liegen, mein Büro, aber die Aussicht kann klasse sein.

Hilflosigkeit ist sexy

Mittwoch, 8. November 2006

Heute weiß ich: Hilflosigkeit macht Frauen sexy und umschwärmt, nicht Schönheit.

Ein kleiner Test für heterosexuelle Männer: Wen finden Sie in Blondinen bevorzugt attraktiver, Marilyn Monroe oder Jane Russel?

Wenn Ihr erster Gedanke „Jane wer?“ war, gehören Sie zur männlichen Mehrheit. Die Jane-Russel-Figur kommt blenden allein zurecht, danke vielmals. Frau Monroe ist die anerkannte Sexbombe in diesem Film, denn sie ist die Hilflose, und in unserer Gesellschaft macht Hilflosigkeit Frauen sexy.

Mir musste das ein lieber Freund vor Jahren mal explizit sagen, dann erst wurde mir Vieles klar. Also befragte ich mein damals überwiegend männliches Agenturteam dazu: „Findet Ihr Hilflosigkeit bei Frauen attraktiv?“ Kurzer Blickwechsel untereinander, dann heftiges Nicken.

Hey, dachte ich mir, wenn ich ganz offensichtlich von Experten umgeben bin, kann ich mir das vielleicht für Notfälle beibringen lassen. Die Herren meines Teams bekamen also den Auftrag, mich ein wenig in Hilflosigkeit zu coachen. Einfach mal zum Ausprobieren und zum Spaß.

Kam ich mit großen Kisten im Arm zur Türe herein, baute sich kopfschüttelnd Mitarbeiter 1 vor mir auf, bis ich Atemlosigkeit vortäuschte, die Augen ängstlich aufriss, ein wenig stolperte und „Ach, ist das schwer!“ hauchte.

Begann ich den Arbeitstag mit schmieröligen Händen, weil ich auf dem Weg in die Agentur mal wieder eine herausgesprungene Fahrradkette hatte einfädeln müssen, hielten mir zwei Mitarbeiter einen Vortrag, dass mich bei so viel Handfestigkeit nie Dutzende von Männern anhimmeln würden. („Aber sonst wäre ich doch wie der letzte Depp dagestanden!“ war ganz offensichtlich kein valides Gegenargument.)

Es half nichts: Ich merkte immer erst im Nachhinein, welche Gelegenheit für gelebte Hilflosigkeit ich mal wieder verpasst hatte. Wenn ich zum Beispiel quer durchs Großraumbüro einem Kollegen die Lösung für sein Computerproblem zugerufen hatte, bevor er auch nur die Frage fertigformuliert hatte, sah ich schon, wie der beste aller Trainees traurig den Kopf senkte und langsam schüttelte (Klugscheißerei ist anscheinend noch weniger sexy als mangelnde Hilflosigkeit).

Jetzt, Jahre nach der Erkenntnis zum Zusammenhang zwischen weiblicher Attraktivität und Unselbständigkeit, denke ich allerdings zurück an die Skifreizeit und mir wird mit Erleichterung bewusst: Männer, die auf die Hilflosigkeitsmasche hereinfallen, würde ich gar nicht zu Füßen haben wollen.

Zehn Irrtümer über schöne Frauen

Dienstag, 7. November 2006

(Eine Geschichte, die ständig vom Weg abkommt, auch wenn sie immer wieder und mit einer gewissen Verzweiflung versucht, den roten Faden zu bewahren. Wundern Sie sich nicht.)

Erst mal saubere Definitionen: „Schön“ sei hier die Art von Aussehen, die zu einer auf reiner Oberfläche basierenden Karriere befähigt (Model, Muse, Hollywoodschauspielersgattin etc.).
„Zehn“ sei hier vor allem einer, nämlich dass schöne Frauen besonders großen Erfolg bei Männern haben.

Ich glaube nicht, dass es die schönen Frauen sind, denen die Männer im Dutzend zu Füßen liegen. In meiner Umgebung waren es mitnichten die strahlenden Gazellen, die Männer wie die sprichwörtlichen Motten anzogen; es waren viel eher die hübschen Flittchen (gibt’s das Wort noch?), die im Mittelpunkt männlichen Werbens standen und Männer ganz offensichtlich um den Verstand brachten. Ich gebe zu, dass mir das bereits am Anfang meines Teenageralters einigen Respekt vor männlichen Mitmenschen nahm. (Das nivellierte sich, als ich bemerkte, auf welche Männer / männlichen Signale wiederum meine Geschlechtsgenossinnen mit Hirnverlust reagierten.)

Ich weiß sogar, wann ich zum ersten Mal mit diesem komplett bescheuerten Geschlechtermechanismus konfrontiert wurde: Skifreizeit in der 8. Klasse.
Die Schule, die ich besuchte, fuhr zu diesem Behuf für sechs Tage an den Tegernsee, auf den Wallberg, und dort zu einer Skihütte. Skifreizeit gab es für 7. und 8. Klassen, je zwei Klassen zusammen. Der Geruch des Schuhkellers, eine Mischung aus schmelzendem Schnee, Sickergrube und Heizöl (sans Sockendünste, erstaunlicherweise) wird mir ewig gewärtig bleiben.

An die erste Skifreizeit in der 7. Klasse erinnere ich mich kaum, umso deutlicher an die im darauf folgenden Jahr (1981?). Die begleitenden Lehrer und Lehrerinnen teilten uns Schülerlein am ersten Bergmorgen nach kurzem Schaulaufen in vier Gruppen ein; zu meiner Überraschung landete ich in Gruppe 1, der fortestgeschrittenen. Auch wenn ich darin gründlich überfordert war, stellte sich das als großes Glück heraus: Der kursleitende Lehrer (Latein, Sport – eigentlich als harter Hund verrufen) ließ uns am Berg antreten, verkündete, uns könne er eh nicht mehr viel beibringen, und außerdem habe es Pulverschnee. Dann ließ er einen langen Juchzer erschallen und stürzte den Berg hinunter. Wir hasteten zunächst ein wenig verdutzt hinterher. Es folgte eine Woche vergnügten Rudelskifahrens bei besten Schneeverhältnissen: Wir folgten einfach immer dem Lehrer, der lediglich am Lift hin und wieder durchzählte, ob noch alle da waren. Zu diesem Vergnügen gehörte auch ein Buckelpistendurchgang (in der Schneise unterm Sessellift), eine Einführung ins Trickskifahren sowie der Spaß, den der Lehrer sich machte, als er uns dann doch mal skikursartig in Schlange hintereinander fahren ließ – mit der Anweisung „Kurzschwünge!“ (vulgo „Wedeln“). Das Besonderste aber war das Tiefschneefahren. Wir fuhren durch Wälder, über Bäche, in einsame Täler, an Futterkrippen vorbei. Diese Erleben unberührten Winterzaubers hatte allerdings seinen Preis: Es gab keinen Skilift, zurück kamen wir nur zu Fuß und mit geschulterten Skiern.

Nun begab es sich, dass wir eine recht gemischte Gruppe waren: Buben und Mädchen, ACDC-Fans, Skivereinsportlerinnen, Spießerinnen, Notarssöhnchen in damals hochmodernen und scheißteuren Jethosen, Skihaserln in noch viel moderneren Overalls. Doch vor dem Berg waren wir alle gleich: Ski abschnallen, mit Gummibändern zusammenklammern, schultern, in die andere Hand die Skistöcke – auf geht’s. Möchte man meinen.
Denn in unserer Gruppe 1 gab es zwei Skihaserln mit neuester Ausrüstung und neonfarbenen Stirnbändern (Spitzen-Skifahrerinnen, aber das nur nebenbei), die das anders machten. Sobald im Tal unser Jubel über die eben absolvierte Abfahrt (ich glaube, die damals üblichen Superlative waren „super“, „absolut“, „spitze“) verklungen war, fingen die beiden an, vor sich hin zu seufzen: „Oh mei.“ „Jetz wieder rauf.“ „Ich kann nicht mehr.“ „Puh.“ Mit deutlich hörbarer Anstrengung und unter ersterbendem Gejammer schulterten sie die Ski und stiegen langsam los. Beim ersten Überholversuch eines männlichen Grüpplings (Ausnahme: der Lehrer) ließen sie kraftlos die Ski fallen, blickten den Buben mit Rehaugen an und sagte: „Mei, die sind so schwer!“

Und dann kam das Schlimmste: Das funktionierte! Ich hatte die Szene aus dem Augenwinkel amüsiert beobachtet und erwartete, dass der angesprochene Mitschüler im besten Fall mit „Komm, dann geh ma halt a bissl langsamer“ reagieren würde, im schlimmsten mit Achselzucken. Schließlich kannte ich ihn als überlegten und klugen Kameraden. Aber nein, der bot allen Ernstes an: „Soll ich dir die Ski tragen?“
Dieses Haserl-Theater war sogar nur ein, zwei Mal in ganzer Länge erforderlich, dann griffen die halbwüchsigen Deppen von selbst zum zweiten Paar Ski, nämlich dem eines der Haserln, und trugen es bis zu einer halben Stunde nach oben.

DENEN lag der männliche Teil der Skifreizeit zu Füßen, brachte ihnen die Limo, holte die Skistiefel aus dem Stinkekeller, bekam Rüschen um die Augen, wenn sie vorbeigingen.

Na ja, dünn waren sie schon, die beiden, eine davon sogar hübsch – aber doch zu überhaupt nichts zu gebrauchen! Das waren doch nur die üblichen Flietscherl, die nur eines im Übermaß ausstrahlten: Verfügbarkeit. Gleichzeitig blieb die eine wahre Schönheit in unserer Klasse unbeachtet, groß und athletisch, mit langen dunklen Locken und einem Gesicht, das sie jederzeit auf die Castingliste für Robin Hoods Maid Marian gebracht hätte.

(Fortsetzung folgt.)