(Eine Geschichte, die ständig vom Weg abkommt, auch wenn sie immer wieder und mit einer gewissen Verzweiflung versucht, den roten Faden zu bewahren. Wundern Sie sich nicht.)
Erst mal saubere Definitionen: „Schön“ sei hier die Art von Aussehen, die zu einer auf reiner Oberfläche basierenden Karriere befähigt (Model, Muse, Hollywoodschauspielersgattin etc.).
„Zehn“ sei hier vor allem einer, nämlich dass schöne Frauen besonders großen Erfolg bei Männern haben.
Ich glaube nicht, dass es die schönen Frauen sind, denen die Männer im Dutzend zu Füßen liegen. In meiner Umgebung waren es mitnichten die strahlenden Gazellen, die Männer wie die sprichwörtlichen Motten anzogen; es waren viel eher die hübschen Flittchen (gibt’s das Wort noch?), die im Mittelpunkt männlichen Werbens standen und Männer ganz offensichtlich um den Verstand brachten. Ich gebe zu, dass mir das bereits am Anfang meines Teenageralters einigen Respekt vor männlichen Mitmenschen nahm. (Das nivellierte sich, als ich bemerkte, auf welche Männer / männlichen Signale wiederum meine Geschlechtsgenossinnen mit Hirnverlust reagierten.)
Ich weiß sogar, wann ich zum ersten Mal mit diesem komplett bescheuerten Geschlechtermechanismus konfrontiert wurde: Skifreizeit in der 8. Klasse.
Die Schule, die ich besuchte, fuhr zu diesem Behuf für sechs Tage an den Tegernsee, auf den Wallberg, und dort zu einer Skihütte. Skifreizeit gab es für 7. und 8. Klassen, je zwei Klassen zusammen. Der Geruch des Schuhkellers, eine Mischung aus schmelzendem Schnee, Sickergrube und Heizöl (sans Sockendünste, erstaunlicherweise) wird mir ewig gewärtig bleiben.
An die erste Skifreizeit in der 7. Klasse erinnere ich mich kaum, umso deutlicher an die im darauf folgenden Jahr (1981?). Die begleitenden Lehrer und Lehrerinnen teilten uns Schülerlein am ersten Bergmorgen nach kurzem Schaulaufen in vier Gruppen ein; zu meiner Überraschung landete ich in Gruppe 1, der fortestgeschrittenen. Auch wenn ich darin gründlich überfordert war, stellte sich das als großes Glück heraus: Der kursleitende Lehrer (Latein, Sport – eigentlich als harter Hund verrufen) ließ uns am Berg antreten, verkündete, uns könne er eh nicht mehr viel beibringen, und außerdem habe es Pulverschnee. Dann ließ er einen langen Juchzer erschallen und stürzte den Berg hinunter. Wir hasteten zunächst ein wenig verdutzt hinterher. Es folgte eine Woche vergnügten Rudelskifahrens bei besten Schneeverhältnissen: Wir folgten einfach immer dem Lehrer, der lediglich am Lift hin und wieder durchzählte, ob noch alle da waren. Zu diesem Vergnügen gehörte auch ein Buckelpistendurchgang (in der Schneise unterm Sessellift), eine Einführung ins Trickskifahren sowie der Spaß, den der Lehrer sich machte, als er uns dann doch mal skikursartig in Schlange hintereinander fahren ließ – mit der Anweisung „Kurzschwünge!“ (vulgo „Wedeln“). Das Besonderste aber war das Tiefschneefahren. Wir fuhren durch Wälder, über Bäche, in einsame Täler, an Futterkrippen vorbei. Diese Erleben unberührten Winterzaubers hatte allerdings seinen Preis: Es gab keinen Skilift, zurück kamen wir nur zu Fuß und mit geschulterten Skiern.
Nun begab es sich, dass wir eine recht gemischte Gruppe waren: Buben und Mädchen, ACDC-Fans, Skivereinsportlerinnen, Spießerinnen, Notarssöhnchen in damals hochmodernen und scheißteuren Jethosen, Skihaserln in noch viel moderneren Overalls. Doch vor dem Berg waren wir alle gleich: Ski abschnallen, mit Gummibändern zusammenklammern, schultern, in die andere Hand die Skistöcke – auf geht’s. Möchte man meinen.
Denn in unserer Gruppe 1 gab es zwei Skihaserln mit neuester Ausrüstung und neonfarbenen Stirnbändern (Spitzen-Skifahrerinnen, aber das nur nebenbei), die das anders machten. Sobald im Tal unser Jubel über die eben absolvierte Abfahrt (ich glaube, die damals üblichen Superlative waren „super“, „absolut“, „spitze“) verklungen war, fingen die beiden an, vor sich hin zu seufzen: „Oh mei.“ „Jetz wieder rauf.“ „Ich kann nicht mehr.“ „Puh.“ Mit deutlich hörbarer Anstrengung und unter ersterbendem Gejammer schulterten sie die Ski und stiegen langsam los. Beim ersten Überholversuch eines männlichen Grüpplings (Ausnahme: der Lehrer) ließen sie kraftlos die Ski fallen, blickten den Buben mit Rehaugen an und sagte: „Mei, die sind so schwer!“
Und dann kam das Schlimmste: Das funktionierte! Ich hatte die Szene aus dem Augenwinkel amüsiert beobachtet und erwartete, dass der angesprochene Mitschüler im besten Fall mit „Komm, dann geh ma halt a bissl langsamer“ reagieren würde, im schlimmsten mit Achselzucken. Schließlich kannte ich ihn als überlegten und klugen Kameraden. Aber nein, der bot allen Ernstes an: „Soll ich dir die Ski tragen?“
Dieses Haserl-Theater war sogar nur ein, zwei Mal in ganzer Länge erforderlich, dann griffen die halbwüchsigen Deppen von selbst zum zweiten Paar Ski, nämlich dem eines der Haserln, und trugen es bis zu einer halben Stunde nach oben.
DENEN lag der männliche Teil der Skifreizeit zu Füßen, brachte ihnen die Limo, holte die Skistiefel aus dem Stinkekeller, bekam Rüschen um die Augen, wenn sie vorbeigingen.
Na ja, dünn waren sie schon, die beiden, eine davon sogar hübsch – aber doch zu überhaupt nichts zu gebrauchen! Das waren doch nur die üblichen Flietscherl, die nur eines im Übermaß ausstrahlten: Verfügbarkeit. Gleichzeitig blieb die eine wahre Schönheit in unserer Klasse unbeachtet, groß und athletisch, mit langen dunklen Locken und einem Gesicht, das sie jederzeit auf die Castingliste für Robin Hoods Maid Marian gebracht hätte.
(Fortsetzung folgt.)