Leben am Starnberger See
Samstag, 30. Dezember 2006 um 8:48Stephan Lebert und Stefan Willeke schreiben in der Zeit über die Millionärsgemeinden am Starnberger See. Im Mittelpunkt steht ein Aspekt, über den ich mir noch nie Gedanken gemacht habe: Welche Auswirkung diese Bevölkerungsstruktur auf das kommunale Leben hat. Denn die Kassen der Kommunen füllen sich in erster Linie durch Gewerbesteuer, nicht durch reiche Bürger. Zudem ist der Bürgermeister, dessen Gemeinde fast nur aus ungeheuer einflussreichen Menschen besteht, eine arme Sau. (Die Leser-Kommentare zu dem Artikel sind sehr vorhersehbar, aber dennoch hochkomisch.)
Ich erinnerte mich an eine Freundin, die ein paar Jahre an einem Gymnasium in einer dieser Millionärsgemeinden unterrichtete. Sie erzählte damals, die meisten Schülerinnen und Schüler in ihren Klassen hätten ein solch großes Ego anerzogen bekommen, dass sie schier nicht durch Türe passten; ein selbstherrlicher, mit Luxusgütern behangener Haufen. So sehr es ihr widerstrebe: Um diese Menschen aufnahmebereit für Unterricht zu machen, müsse sie ihnen erst mal eine auf den Deckel geben. Sie müsse ihnen erst mal aufzeigen, dass es auch noch Dinge gebe, die sie nicht wissen. Weil es ihr sehr viel mehr Freude bereitete, junge Menschen zu motivieren und ihnen Selbstvertrauen zu geben als zu nehmen, bewarb sie sich schon nach einem Jahr weg.
Aber schön ist es da wirklich, am Starnberger See. Zum Beispiel gestern auf der Ilkahöhe.
die Kaltmamsell12 Kommentare zu „Leben am Starnberger See“
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30. Dezember 2006 um 11:01
Zu der Freundin: Da haben die mit Luxusgütern behangenen Haufen aber Glück gehabt, dass sich die Dame wegbeworben hat.
Zwar ists ausserhalb der Starnberger Gegend sicherlich leichter, über den Beamtenstatus das Alphatier zu spielen, seis nun als Bürgermeister oder Lehrerin. Aber den Anspruch- als Lehrerin!!- den Schülern “lieber Selbstvertrauen zu geben als zu nehmen” find ich weit frivoler als ein selbstherrliches Ego in der Pubertät.
Ich war im Internat zusammen mit einigen Starnberger Töchtern. Das einzige, worin die sich von anderen unterschieden, war eine gewisse Uniformität. Mabeperlen in den Ohren, Pferdeschwanz mit Samtschleife, Collegeschuhe, Burlington- Socken, Sade hören (Damals war grad das ein bisschen Britische chic, “Popper”-Zeiten, lang her…)
Die mussten genauso ihre guten Noten schreiben wie wir, ein grosses oder kleines Ego hatte darauf keinen Einfluss. Ich bezweifle, dass das heute anders ist.
30. Dezember 2006 um 11:32
Liebe Fr. Kaltmamsell,
schaun`s doch mal in die Kommentare zur Reprise v.” wohin mit den Deppen” (21.12.), mein Vorschlag gilt nach wie vor sowie auch die Begründungen. Insbesondere erscheint mir in dem Zeit-Artikel der Ansatz “wehe dem der mir meine Vorurteile nimmt” stark gegriffen zu haben. Dies empfinde ich deswegen so, weil als geborener Münchner für den der Starnbergersee von Kindesbeinen an die Plattform für schöne Momente war wie z.B. Firmungsausflug 1955 oder mit Kind und Kegel im “überörtlichen Erholungsgebiet” ja so hieß die Bautafel als in den 70ziger Jahren zwischen St.Heinrich und Ambach die Ufer neugestaltet wurden und seitdem zu einem viel benutztem Badegelände mutierte oder wunderbare Winterwanderungen bzw. 2-3malige Radumfahrungen pro Jahr auch heute noch viel Freude aufkommen lassen. Freude auch darüber, daß es Familien gibt, welche die aus der Jahrhundertwende (Jugendstil) überkommenen Sommervillen! mit viel Liebe und Aufwand erhielten und ausbauten. Auch wenn ich nur Aussenbetrachter bin kann ich mich doch an dieser Kulturlandschaft erfreuen, die sowohl von bodenständigen Handwerkern und Bauern aber eben auch von “Besitzenden” erhalten und gepflegt wird.
30. Dezember 2006 um 12:17
;-))
30. Dezember 2006 um 13:00
Ob der Tatsache, dass sich DIE ZEIT vom Organ der Linksliberalen oder liberalen Linken langsam zum linken Klassenkämpferblatt entwickelt, bin ich zunehmend am Überlegen, ob mein Abo nicht langsam gekündigt werden sollte. Als gebürtiger Gräfelfinger (in ZEIT-Augen vermutlich eine ähnlich bösartige Umgebung) kenne ich Starnberg recht gut, mein Onkel wohnt und mein Großonkel wohnte bis zu seinem Tod in Berg, ich war als Rechtsreferendar am AG Starnberg und beim Landratsamt Starnberg und ich verbringe im Sommer viel Zeit auf dem Starnberger See.
Aus dieser Perspektive kann ich zwar bestätigen, dass die Konzentration von Schnöseln in dieser Gegend deutlich höher ist als der Bundesdurchschnitt – vor dem Jugendgericht aber z.B. waren die höheren Töchter und Söhne, bei denen die häusliche Erziehung gewisse Defizite aufwies, gegenüber Jugendlichen, bei denen man diese eh nicht vermutet hätte (die Erziehung, nicht die Defizite) immer noch in der Minderheit. Auch waren deren Eltern keineswegs alle so schlimm wie im Artikel beschrieben. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen (nach dem Tod der Mutter bei Geburt seiner Zwilingstöchter) alleinerziehenden Chefarzt, der mit den beiden zwischenzeitlich 16jährigen nicht recht fertig wurde, aber bei Gericht durchweg freundlich war und sich dafür entschuldigte, dass er die beiden nicht so im Griff habe.
Ich kann von daher auch nicht finden, dass die Bevölkerungsstruktur nachhaltige Auswirkungen auf das öffentliche Leben hat. Dass Starnberg relativ wenig Gewerbe hat, ist im übrigen richtig, es ist auch richtig, dass Starnberg zu Zeiten in denen der Aufbau Ost mit Steuersubventionen für Besserverdienende bestritten werden sollte, aufgrund des niedrigen Einkommensteueraufkommens ein echtes Problem hatte. Das hat sich aber gelegt und auch wenn die Einkommensteuer natürlich erstmal an den Bund geht, kriegen die Kommunen davon per Umlage etwas zurück und zwar abhängig vom Steueraufkommen ihrer Einwohner. Klaus Wowereit würde sicher gerne mit jedem Bürgermeister einer Starnberger See-Gemeinde tauschen.
Aber gut, wenn das öffentliche Leben in Berlin Neukölln in den Augen der ZEIT besser ist, bitte schön. Starnberg ist dem deutschen Mittel an Sozialstruktur mutmaßlich näher, als derartiges Umfeld – leider aber ist letzteres in der Überzahl.
30. Dezember 2006 um 13:23
croco: ;-))
30. Dezember 2006 um 15:00
Die Zeit-Reportage mag nicht ganz objektiv zu sein, aber man kann das wirklich nicht mit vor 10 oder 20 Jahren vergleichen. Die Einkommensschere hat sich weiter geöffnet. Der Starnberger See ist nur ein Synonym. Ähnliches könnte sich auch am Chiemsee, Ammersee oder in München-Grünwald zutragen.
Da hat sich eine Schicht von der Gesellschaft abgekoppelt – global people. Ohne materielle Ängste, gut vernetzt, international mobil. Aber auch ohne Verantwortung für den Staat, der für sie nur ein lästiges Überbleibsel der Zeit vor Internet, Globalisierung und grenzenlosen Möglichleiten darstellt.
Oft wird sowas auf eine Sozialneid-Debatte reduziert. Das geht am Kern vorbei, da es vorraussetzt, dass es gemeinsame Werte gibt, die man beneiden und diskutieren kann. Dies ist nicht mehr der Fall. Alle relevanten Debatten unserer Zeit: EU, Gesundheit, Rente, Arbeitslosiglkeit, Demographie, Bildung, usw. gehen an diser “Schicht” vorbei. Und wenn es unerträglich ist, dann gibt man eben die Villa am Starnberger See auf und zieht nach Dubai in einer der neuen Reichen-Ghettos.
30. Dezember 2006 um 18:23
…am meisten hat mich in dem zeitartikel die beschreibung des kindes beeindruckt…dieses kind, welches 500 euro taschengeld pro woche bekommt…das ist doch voellig krank!!!!
30. Dezember 2006 um 19:00
Nicht krank, sondern standesgemäss. Diese Kinder gehen dann spätestens in der Oberstufe auch nicht auf ein öffentliches Gymnasium, sondern in ein Internat – mit Kosten von 5000 Euro im Monat aufwärts.
Mit den üblichen erlernten Massstäben kann man dies nicht messen. Wie endet der Artikel: Die Grundstückspreise am See seien noch lächerlich niedrig, vom Niveau des Comer Sees weit entfernt. Viele Reiche seien noch gar nicht hier, die Zukunft von Starnberg habe gerade erst begonnen.
30. Dezember 2006 um 21:30
Diese reichen Kinder nehmen dann halt das Taxi zur Jugendherberge und lassen sich das Essen dorthin kommen. Aber was erzähl ich gross….
31. Dezember 2006 um 20:38
Hieß der Starnberger See nicht früher einmal offiziell Würmsee? Passte doch irgendwie.
1. Januar 2007 um 15:04
@Tim:
Solche Reichen-Ghettos enstehen auch in deutschen Großstädten. Man betrachte nur das “Kap am Südkai” am Kölner Rheinufer, wo den Bonzenkindern derzeit Luxusbuden mit “unverbaubarem Panoramablick” angeboten werden – und Privat-Pool auf dem Dach: http://www.rhein3.de
Weiterhin soll wohl in Köln, irgendwo da in City- und Ringnähe, ein Bonzenviertel hinter Mauern und mit Sicherheitsdienst und allem PiPaPo entstehen, inklusive Diensten wie heute in diversen Berliner Neubauten a la Sony-Center, also Putze, Bettmachdienst, Einkaufs-, Koch- und Cateringdiensten – Noblesse für die Erbelite der satten und selbstgerechten Kapital-Verbrecher.
Gruß
Alex
28. Januar 2007 um 10:36
gelöscht von Kaltmamsell: Anzeigen / Werbung gibt es hier nicht.