Archiv für Dezember 2006

Weitere Münchener Bloglesung dämmert herauf

Dienstag, 19. Dezember 2006

Soll keiner sagen, es läsen immer dieselben: Zufällig stolpere ich eben über die Ankündigung, dass es am Samstag, 20. Januar, in München eine Bloglesung mit ganz anderen Leuten gibt. Ab 20 Uhr lesen im Privée (München, Maximilianstraße 2)
Nilz Bokelberg
Mc Winkel
Rose
Dr. Sno*
Roman Libbertz

Die Behauptung “Die erste Blog-Lesung mit überregionalen Stars und Münchner Lokalmatadoren“ ist zwar fast neun Monate zu spät dran (hey, wenn ich das endlich richtig kapiert habe, müsste man die abmahnen können – nein?), ich freu mich aber trotzdem darauf.

Beiläufig

Dienstag, 19. Dezember 2006

S-Bahn kurz vor Petershausen, später Nachmittag. Auf den Klappsitzen die Wand entlang sitzen mir gegenüber ein paar aufgekratzte junge Burschen, wohl Schüler auf dem Weg nach Hause. Der eine am Rand ist kleiner und zierlicher als die anderen, trägt zwar wie sie Sackhüpf-Jeans, lässt aber seine honigblonden langen Haare ins Gesicht fallen, das sich still über ein Buch beugt. Ruhig schwingen er und die Locken mit den Bewegungen des Wagens.

Ich werde aufmerksam, als die Größeren ihn immer wieder ansprechen: „Jetz komm halt.“ „Mach doch mal.“ „Komm schon.“ „Komm, nur einmal.“ „Ach bittööö.“

Da steckt der Kleine ohne aufzublicken sein Buch weg, steht auf und geht zum freien Platz zwischen den Türen. Er stellt sich mit dem Gesicht nah an die rechte Tür und springt geschmeidig rückwärts einen Flickflack, ganz beiläufig.

Die Burschen johlen und applaudieren.
Der Kleine klopft sich kurz die Hände ab, setzt sich und holt sein Buch wieder hervor.

Bloggerinnenmütter

Montag, 18. Dezember 2006

Nach einem wundervollen Tag in Erlangen bei Lisa Neun und [Tümmlerkopf] hatte ich plötzlich die Vision eines Treffens von Bloggerinnenmüttern. Wie es wohl wäre, wenn wir zum Beispiel Lisamutter, Kaltmamsellmutter, Lyssamutter, Syberiamutter und Lilamutter zusammenführten?

Damals als Kinder hat man uns doch auch zum Kaffeekränzchen mitgenommen, mit anderen mitgebrachten Kindern in ein Zimmer gesetzt und erwartet, dass wir interagieren.

Vermutlich würden sie sich nicht mal über ihre Töchter unterhalten, weil ihrer aller Leben erheblich Interessanteres enthält.

Wieder ein Adventspaziergang

Montag, 18. Dezember 2006

Diesmal war es ein Eck des Altmühltals, das nicht nur durch den Rhein-Main-Donau-Kanal, sondern auch durch die neue ICE-Trasse, sagen wir mal verändert wurde. Da es sogar kalt genug für eine Mütze war, wurde das gestern ein echter Adventspaziergang der Familie Kaltmamsell.

Hier lang zur Bildershow.
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Zum Spoat

Donnerstag, 14. Dezember 2006

Doch wieder Gefallen am Schwimmen gefunden. Dank heftigem Muskeltraining während der letzten 14 Monate dabei auch keine Knieprobleme mehr. Gegen den anschließenden Chlorgeruch an Haaren und Gliedern fällt mir vielleicht noch was ein; oder ich gewöhne mich daran.
Heute Abend an einem konkurrierenden Schwimmer, der sich vermutlich kraulend wähnte, eine neue Disziplin entdeckt: 500 Meter Ertrinken.

Bond aus Kellnersicht

Donnerstag, 14. Dezember 2006

Mal wieder eine gute Gelegenheit, auf den bloggenden Kellner im Staat New York hinzuweisen:

Have you ever noticed how 007 treats waiters? I’d have to review the DVD’s but I don’t think he ever says “please” or “thank you.” If he does he’s probably trying to screw the waitress. Bond’s always barking orders, snobbily declaring Dom Pérignon needs to be served at 38 degrees Fahrenheit, ordering around bartenders, dissing wine of questionable vintages and, oh yeah, killing people.

Hier der ganze Text.

Über den angeblich geschüttelten Martini bin ich in jedem Bond-Film gestolpert: Was dem Herrn Bond da serviert wird, ist immer so ölig klar, wie ein klassischer, gerührter Martini gehört. Geschüttelt wäre er trüb. (Probieren Sie’s mal aus.)

Neue Regeln für Journalismus?

Mittwoch, 13. Dezember 2006

„Ich will nur fröhliche Musik“ heißt die Reportage von Bartholomäus Grill, die dieses Jahr mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet wurde und sich um Sterbehilfe dreht.
Ein wichtiges, kontroverses Thema. Ein emotional nahe gehender Artikel, gattungstypisch am Einzelfall beschrieben.

Das Unbehagen, das mich beim Lesen der Geschichte beschlich, hat allerdings nichts mit dem heiklen Thema zu tun, sondern mit der journalistischen Technik der Reportage: Die ist löchrig wie eine Hauswand im Zentrum von Baghdad. Grill gibt keinerlei Quellen an.
Der Artikel ist geschrieben wie eine Kurzgeschichte mit auktorialem, also allwissendem Erzähler. In der Fiktion ist das gar kein Problem: Der Erzähler kann sich als Schöpfer der Geschichte so omniscient darstellen wie er will. Im Journalismus, dachte ich, braucht es Belege.

Zunächst erweckt Grill den Eindruck, er habe den Protagonisten des Artikels, Urban, selbst begleitet:

Urban steht noch einen Augenblick in der Hofeinfahrt, ein warmer, bernsteingelb leuchtender Spätherbsttag. Er trägt seinen schwarzen Ledermantel, hat seine Sonnenbrille auf. Er schaut sich noch einmal um. Das Bauernhaus. Der Obstanger. Der Hühnerstall. Der Getreidespeicher mit dem leeren Storchennest auf dem Dachfirst. Dann steigt er ins Auto. Seine letzte Reise beginnt, die Reise in den Tod, von Oberbayern in die Schweiz, nach Zürich, zu den Sterbehelfern von Dignitas. Es ist 8.35 Uhr morgens, am 25. November 2004, als das Auto in die Bundesstraße 15 einbiegt. Urban weiß, dass er in ungefähr dreißig Stunden tot sein wird.

Doch dann geht es weiter:

Der Tag, an dem er die Reise ohne Wiederkehr beschlossen hat, war der 30. Oktober. Er war mit seiner Schwester in Augsburg gewesen, bei einem Heilpraktiker, der mit biologischen Zytostatika arbeitet, mit »einzigartigen Mitteln«, wie er betonte.

Und da stutzte ich: Woher weiß Grill das? Urban ist tot, der kann es ihm nicht erzählt haben. Aber wer dann? Hat er den Mann seit Jahren begleitet? So geht es mit aller folgenden Information: Wessen Perspektive ist das? Die des heute toten? Eines Arztes? Die persönliche Perspektive des Bartholomäus Grill? Doch war der überhaupt dabei?

Gegen Ende des Artikels kippt dieser Konflikt ins Absurde, als der Autor an zwei Orten gleichzeitig zu sein scheint: Bei Dignitas in der Nähe von Zürich und im Heimatort des Totkranken.

Die Geschwister sind fassungslos, aufgewühlt, am Rande des Verzagens. Sie halten sich fest am unerschütterlichen Gleichmut ihres Bruders. Er lehnt am Auto und blinzelt in das schwache Licht der Novembersonne. Was bedeuten schon sechzig Minuten mehr oder weniger Leben und Leiden? Er bündelt den versiegenden Rest seiner Lebensenergie fürs Sterben.

Daheim, in der Küche des Elternhauses, haben sich zur Todesstunde die Mutter und die nächsten Verwandten versammelt, um gemeinsam mit dem katholischen Diakon einen Rosenkranz zu beten. Auch er verwirft, wie es das Dogma befiehlt, jede Form der Sterbehilfe, es ist eine Todsünde. Doch er verteufelt Urbans Entscheidung nicht und tut, was ein wahrer Seelsorger tut: geistlichen Beistand leisten. Der Barmherzigkeit ist Zürich näher als der Vatikan.

Wieder: Eine Kurzgeschichte darf das natürlich – in einer Reportage ist das mehr als unsauber.

In einem journalistischen Text muss der Autor transparent machen, woher er seine Information hat (selbst wenn er die Identität der Quelle schützt), welche Rolle er als Rechercheur im Geschehen spielt, um seine Glaubwürdigkeit zu sichern. Doch in diesem Fall gibt allein der Vorspann einen kleinen Hinweis auf die Genesis der Geschichte:
„In den letzten Stunden gibt er den Geschwistern Kraft und bittet sie, seine Geschichte aufzuschreiben.“

Heißt das, alles Geschilderte basiert auf den Aussagen der Geschwister? Hat Grill die sachliche Korrektheit der Aussagen überprüft? Dann bestünde die journalistische Sorgfalt darin, das klar zu machen und zu belegen, von welchem Geschwister welche Information kommt.

Ich war sehr verwundert über die hohe journalistische Auszeichnung.