Archiv für Dezember 2006

Dezember nach Dienstschluss

Dienstag, 12. Dezember 2006

Das Lokal trägt einen amerikanischen Namen aus den 30ern, der Prince of Wales ist mehr als ordentlich, es spielt Swing aus den 40ern, der Kellner mit großer weißer Schürze und Krawatte ist entweder sehr britisch oder sehr schwul, ich lese zufrieden in Alan Hollinghursts The Line of Beauty, gleich wird sich eine wunderbare Freundin neben mich setzen – eines davon wird doch zum Teufel gegen meine frische Weihnachtsdepression helfen.

Leserin

Dienstag, 12. Dezember 2006

Es bereitet mir unangemessen große Freude, dass ich als Bucheinmerker derzeit – ursprünglich aus einer Notlage heraus – den Abziehstreifen einer Slipeinlage (Marke Jessa) verwende.

Geschenktipp

Montag, 11. Dezember 2006

Selbst tue ich mich dieses Jahr mit Geschenkideen für Weihnachten so schwer wie schon lange nicht mehr. Vielleicht kann ich jemand anderem in dieser Lage das Leben erleichtern – zumindest wenn die zu Beschenkenden in Bayern wohnen.
Die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung bietet nämlich Jahreskarten an, die für Einzelpersonen 45 Euro kosten, für Familien (2 Erwachsene samt ihren Kindern) 65 Euro. Damit kann man vom Erstbesuchstag an ein Jahr lang alle Schlösser, Burgen, Residenzen dieser Verwaltung besuchen, alle alle.

Das habe ich vor zwei Jahren meinen Eltern zu Weihnachten geschenkt und damit einen Volltreffer gelandet: Sie freuten sich sehr und erzählten später begeistert über ihre Ausflüge – nicht nur, weil sie schöne Sachen gesehen hatten, sondern auch wegen der ungeheuren Eintrittspreise, die sie gespart hatten. Ich bin mir bis heute nicht sicher, welche Freude überwog.

(Ideen für ein Papa-Geschenk? Nicht schon wieder Schnaps, Grappagläser, Spanienbildbände, Wandersocken, medizinische Massagen, Rasierwasser, Gartenhandschuhe, Profiküchenmesser, Fahrradtacho, Saunatuch, Brotzeitbrettl, Flachmann, Pulsmesser, Don-Camillo-und-Peppone-DVDs, Ledergürtel, Radlershirt… Das hatten wir alles schon. Nein, er liest nicht.
Irgendwer?)

So ungefähr

Montag, 11. Dezember 2006

Mit Freunden im Scaglietti durch Berlin zu fahren ist etwa so, als ob man einen schwarzen Panter an einer Hundeleine ausführt.

Katja Nicodemus, ZEIT-Redakteurin im Feuilleton, im Ferrari Scaglietti 612.
(Via a.more.s, der weiterhin Deep Links verweigert.)

Verstehen Sie jetzt vielleicht, warum ich mir eine weitere Bahncard 100 gekauft habe, obwohl ich wusste, dass sie sich diesmal nicht amortisieren würde? Hey, dachte ich mir nämlich, fragt sich jemand beim Porschekaufen, ob sich der Wagen rechnet? (Ferrari wäre die Netzkarte 1. Klasse gewesen, so weit bin ich noch nicht.)

Food-Tagebüchliches

Sonntag, 10. Dezember 2006

brombeerbusserl.jpg

Schon am Donnerstagabend hatte ich die Brombeer-Busserl von Missees Deliciees, Nicky, ausprobiert, die sich als genauso hinreißend herausstellten, wie sich das Rezept gelesen hatte. (Gelernt: Als Marmeladefüllung lieber nicht einen dieser fancy Brotaufstriche mit besonders viel Frucht verwenden; in diesem Fall enthielt das Produkt eine Menge knallharter Mini-Brombeeren, die sich überhaupt nicht als Plätzchenfüllung eigneten.)

Die entzückende Frau Nicky und ihren Meester Deliciees, Oliver, lernte ich dann auch gleich am Freitag in Person kennen, nämlich auf der Food & Life.
Ich bin versucht anzumerken, dass diese Fressmesse auch nicht informativer ist als eine gut sortierte Kaufhaus-Feinkostabteilung, aber im Kaufhaus komme ich nicht ins Gespräch mit den Erzeugern der Produkte. Wobei ich auch auf der Messe vor Schüchternheit ein solches Gespräch sicher nicht begonnen hätte. Doch angesichts der Ehrlich-Smoothies trompetete ich meinem Begleiter meine Meinung über das Etikett (da hatte ich mich so gefreut, dass das Konzept innocent endlich auch bei uns auftaucht, und dann spricht das Produktdesign die völlig falsche Zielgruppe an) sehr hörbar zu. So hörbar, dass mich der Erzeuger (habe auf der Website nachgeschaut, es war Klaus Löhner), der hinter den Smoothies stand, ziemlich gekränkt ansah und ich meine Einschätzung hastig ausführte. So kamen wir ins Gespräch, und ich erfuhr unter anderem, dass er innocent halt nicht einfach kopieren konnte, das Ehrlich-Konzept sehr gut ankommt, dass das Hindernis für einen Vertrieb über Coffee-Shop-Ketten die Frische der Smoothies und damit ihre begrenzte Haltbarkeit ist und dass Ehrlich derzeit in Berlin unterwegs ist. Die Verkostung auf der Messe rief rundum Begeisterung hervor.

Abends führte mich der Mitbewohner ins Cohen’s aus, das so besonders ist, dass ich bei anderer Gelegenheit im Detail darüber erzählen werde. Vorab die Zusammenfassung: Empfehlung. Wir hatten zur Vorspeise eine köstliche Borschtsuppe (ich) und einen leckeren, interessanten gemischten Vorspeisenteller (Mitbewohner). Zur Hauptspeise nahm der Mitbewohner die Fleisch-Piroggen mit grünem Salat (wie sich das gehört mit gekochtem, durchgedrehtem Fleisch gefüllt), ich ein Beinfleisch (gekochtes Rind) mit einer wunderbaren Karotten-Knoblauch-Beilage.

mokkaplaetzchen.jpg

Gestern nachmittag backte ich dann Mokkaplätzchen, zu denen hier das Rezept steht. Während dessen verarbeitete der Mitbewohner den großen Beutel voll Boskop-Äpfel, die meine Eltern bei Freunden gepflückt und uns gebracht hatten, zu Mus. Er gab lediglich eine Tasse Wasser dran (Nachtrag: und Zitronensaft, betont er) und erhielt ein wunderbar aromatisches Apfelmus, das mir fast schon zu süß war. Es bildete auch gleich ein Drittel unseres Abendessens: Blutwurst, Apfelmus, Sauerkraut – in Anlehnung an Himmel un Äd. Das schmeckt sehr gut zusammen, machen wir wieder.

Ich war nicht dabei

Samstag, 9. Dezember 2006

Als ich eben Don Dahlmanns Reminiszenzen anlässlich des Tempo-Wiedergängertums las, wurde mir schlagartig klar: Ich habe die 80er verpasst. Oder, genauer: Meine 80er Jahre waren höchstens drei Jahre lang, etwa von 1983 bis 1986, als ich Hitparade hörte und mit Tiramisu unterm Arm auf Partys ging. Das Styling, das heute mit den 80ern verbunden wird, das gab es durchaus in meinem Sichtfeld: riesige aufgefönte Dauerwellen, klappernder Plastikschmuck am Ohr, über die Schultern hängende Pulliausschnitte, Robin-Hood-Stiefel aus rosafarbenem Wildleder. Aber wer so aussah, ging höchstwahrscheinlich auf die Hauptschule, wohnte in der Goethestraße, interessierte sich für Bravo, rauchte und war für mich Bildungssnob auch sonst komplett uninteressant.

Als Tempo 1986 rauskam, hatte ich gerade Abitur gemacht und fing als Volontärin bei der Lokalzeitung an. Ich war als Arbeiterkind so gut wie ohne Printmedien großgeworden, hatte mit 16 die Zeit entdeckt, und jetzt erforschte ich erst mal gründlich die Kanoniker Spiegel und Neue Zürcher Zeitung, dazu die FAZ, die SZ (nur daraus wurde eine Liebe fürs Leben), dazu gute Boulevardmedien wie die Münchner Abendzeitung. Dass es Tempo gab, bekam ich aus den Augenwinkeln mit, doch das Blatt sah für mich aus wie eines der damals entstehenden Stadtmagazine und interessierte mich nicht die Bohne.
Im Anschluss an meine Zeitungszeit ging ich studieren und war umgehend vom akademischen Leben und der Geistenwissenschaft eingenommen. Mein Lesestoff als Literatur-Nerd war neben englischen Romanen des 18. und 19. Jahrhunderts gerade mal die tägliche SZ. Auf dem Zeitschriftenmarkt fiel mir nur die Amica mit ihrer damals angenehm anderen Sprache und Perspektive auf. (Ich vermisse die Amica von damals.)

MTV, ja, das bekam ich mit: Weil die ungeheuer flotte Sekretärin, die mit mir beim Lokalradio arbeitete, das in ihrer ungeheuer schicken Wohnung ständig laufen hatte, statt Radio. Und Leggins besaß ich auch mal, weiß mit bunten psychodelischen Kreisen. Sollten meine Neffen und Nichten dereinst nach typischer Kleidung oder auch nur Fotos aus der Zeit bei mir stöbern, werden sie auf hallende Leere treffen.

Man nennt ihn auch den Wulffmorgenthaler der Wörter

Freitag, 8. Dezember 2006

Abschließende Erläuterungen zu Killerspielen bei Herrn banana.