Archiv für Dezember 2006

Mal wieder ein paar grundsätzliche Erläuterungen von Wulffmorgenthaler

Donnerstag, 7. Dezember 2006

zur Ausbeutung von arbeitendem Fußvolk,

zu Elternhormonen,

zum Sozialstaat.

Mal blöd gefragt

Donnerstag, 7. Dezember 2006

„BKA darf künftig Computer anzapfen“ ist eine Meldung auf der Titelseite der heutigen Süddeutschen Zeitung überschrieben:

Auch das Bundeskriminalamt soll bei Verdacht auf schwere Straftaten private Computer per Internet durchsuchen können – also ohne dass die Fahnder am Standort des Geräts sind. Dies sieht das Programm von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Stärkung der Sicherheit vor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In den Bundesländern wird diese Online-Fahnundung bereits praktiziert.

Holla, denke ich da an all die Online-Paranoiker, und die leuchtenden Pünktchen auf dem Monitor sind Überwachungskameras des BND, gell?

Nun ist es so, dass ich in Computerdingen kaum über den Kenntnisstand eines dressierten Affen hinausreiche, aber: Da baue ich Firewalls und Schutzsysteme noch und nöcher ein, verschlüssle mein WLAN auf Hochsicherheitsniveau, fange Viren, Trojaner und sonstige Spionageprogramme durch mehrere Filterstufen meines Internetzugangs ab, damit niemand an meinen Rechner kommt – und das BKA kann sich rein technisch nach Belieben einfach so in aller Ruhe umschaun? Das verstehe ich nicht.

Vielleicht steht ja im ausführlichen Artikel der Annette Ramelsberger Erleuchtendes: „Haben sich die Behörden erst einmal eingehackt, ist für sie eigentlich alles sichtbar“. Das klingt wenigstens nach ein bisschen Arbeit, um an meine Festplatte zu kommen. Dass aber deutsche Behörden (wir erinnern uns: Bei der Polizei sind nicht mal alle Arbeitsplätze mit Computern ausgestattet, und das Kommunikationssystem per Funk ist Jahrzehnte alt) fitter im Knacken von Sicherheitssystemen sein sollen als internationale Kriminelle – halte ich schlicht für unwahrscheinlich.

Weiter im Text:

Offenbar habe das Innenministerium ein ,,flächendeckendes PC-Screening vor‘‘, moniert der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Er befürchtet, dass die Fahnder demnächst regelmäßig Chat-Verbindungen zurückverfolgen und ganze Computernetze mit Dutzenden Teilnehmern überwachen könnten.
Die Polizeien der Länder betreiben diese Art der Fahndung schon lange: Sie schleichen sich zum Beispiel in Internetforen ein, wo Kinderpornohändler miteinander kommunizieren oder legen im Internet Köder aus für Täter, die der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind.

Jaja, das geht natürlich – ist aber was ganz Anderes als ein Zugriff auf meinen privaten Rechner. Dann heißt es gleich wieder:

Nordrhein-Westfalen will als erstes Land die Grauzone durch ein Gesetz ausleuchten: An diesem Donnerstag soll es verabschiedet werden und am 1. Januar in Kraft treten. Es sieht vor, dass der Landes-Verfassungsschutz über das Internet auch auf private Computer zugreifen kann.

Entweder, liebe Zuseherinnen und Zuseher dies- und jenseits der Alpen, ist mein Kenntnisstand über Computer und Internet noch viel, viel geringer, als ich je befürchtet habe. Oder der meines Gesetzgebers, der Bundespolitiker, des BKA und der von Frau Ramelsberger (ist Bernd Graff gerade in Urlaub?) bei der SZ. Da mir sofort der alte Geisterfahrerwitz einfällt („Einer? ALLE!“), bitte ich um ein fachkundiges Urteil.

Abneigungen sortieren

Dienstag, 5. Dezember 2006

(Dieses Idiosyndings-Wort will sich einfach nicht in meinen aktiven Wortschatz fügen.)

Letzte Woche habe ich es wieder ohne große Mühe geschafft, eine Gruppe freundlicher und entspannter Menschen schlagartig aufzubringen: Ich zog in geselliger Runde beim passenden Stichwort mit meinen Ansichten über Hochzeiten vom Leder, natürlich unaufgefordert. Und schon war die entspannte Stimmung beim Teufel.
(Ja, ich kenne den Auslöser: Die Gruppe bestand aus 15 Kolleginnen und Kollegen, die ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal sah und zu meiner Bestürzung umgehend duzen musste. Und wie stellt die schlaue Frau Kaltmamsell nach solch einer erzwungenen Distanzlosigkeit reflexartig Abstand her? Indem sie renitent und böse ist, damit niemand sie leiden kann. Ganz prima.)

Worauf ich hinaus will: In dem Selbstekel, mit dem ich die anschließende Nacht verbrachte, versuchte ich eine Bestandsaufnahme, welche Traditionen ich genieße und welche ich ablehne.
Adventszeit – herrlich
Familienweihnacht – mit zusammengebissenen Zähnen, hin und wieder aber diese Anstrengung wert
Hochzeit – zum Kotzen
Fasching – wundervoll
Oktoberfest – am besten verbieten
Geburtstag – anderer Leute: sehr willkommen; eigener: problematisch
Silvester – Ablehnung bessert sich, Begeisterung will sich dennoch nicht einstellen
Taufen – fürchterlich
Beerdigungsfeiern („Leich“) – großartig, meine Erfahrung beschränkt sich hier allerdings auf genau zwei
Valentinstag, Halloween, Muttertag, Vatertag lösen bei mir gar nichts aus.

Ich finde keinen roten Faden, der meine impliziten Kriterien für Akzeptanz oder Zorn herleiten könnte.

How to annoy me

Dienstag, 5. Dezember 2006

„Da wird sich Ihr Mann aber freuen!“ sagt die uralte Nachbarin, die mir bei meiner Heimkehr vom Joggen vor dem Haus begegnet, nachdem sie festgestellt hat, dass ich in den letzten zwölf Monaten abgenommen habe.
Ich bleibe freundlich, weil ich a) sonst gar nicht wüsste, wo ich anfangen soll und b) man genauso wenig mit über 90jährigen Hutzelweiblein streitet wie man Schwächere schlägt.

Adventsdüfte

Sonntag, 3. Dezember 2006

Na, was macht eine Naturspießerin wohl am 1. Advent?

advent_gewurzblumen.jpg

Gewürzblumen; hier geht’s zum Rezept.

Mögliche Esskultur in Augsburg

Samstag, 2. Dezember 2006

Was das Essen betrifft, ist Augsburg schon seltsam. Einerseits wimmelt es von tümelnden Lokalen eher übersichtlicher Qualität, und als offiziell „erstes Lokal am Platz“ halten sich die konservativen „Ecke Stuben“ (aber hier habe ich über durchaus positive Erlebnisse dortselbst erzählt). Auf derselben Seite steht die lokale Coffee-Shop-Kette, die Augsburg sich leistet: Pow Wow. Geht zurück auf eine Kneipe, die Anfang der 90er aufmachte, schnell ein großer Erfolg wurde wegen ihrer anfangs guten Cocktails und vor allem wegen eines damals unerreicht guten Milchkaffees. Die Kneipe gibt es seit einigen Monaten nicht mehr, dafür haben über die Jahre einige Coffee-Shop-ähnliche Läden unter diesem Namen in der Innenstadt eröffnet. Auch diese werden unglaublich stark von der einheimischen Jugend und Nachjugend frequentiert – rätselhafterweise. Denn das markenschaffende Feature dieser Lokale ist, dass alles in Papp- und Plastikbechern serviert wird, sei es Milchkaffee oder fertiggerührter Erbeer-Margerita. Halten zu Gnaden: So gut kann kein Milchkaffee sein, dass ich dafür auf die Tasse verzichte.

Auf der anderen Seite stehen das immer wieder erwähnte August und die Osteria Kuckuck, unter anderem. In letzteres lotste mich kürzlich ein Freundin, was ich ihr sehr danke: Ich hatte das Lokal nämlich vergessen. Vor vielen Jahren hatte mich eine andere Augsburger Freundin hierher mitgenommen, und hier hatte ich zum ersten Mal Vin Santo mit Cantuccini gekostet (danach immer wieder selbst gebacken).

Allein die Räumlichkeiten sind wundervoll: Das Kuckuck ist ein ehemaliges traditionelles Vorstadt-Wirtshaus, so behutsam renoviert, dass den Eckbänken die Sitzmulden und dutzende Lackschichten gelassen wurden. Die Wände der großzügigen Räume modisch weinrot verschmiert, um die schönen Rundbogenfenster Deko-Bänder gemalt. Vor dem Haus liegen schmückend gigantische Kürbisse, die auch innen ein Eck dekorieren.

Die kleine Karte mit Vorspeisen, Hauptspeisen, Desserts wechselt alle paar Wochen (hier die aktuelle), darauf sind immer auch interessante offene Weine.
Die aufmerksame und freundliche Bedienung, eine junge Frau mit frisch polierter Glatze, beriet uns kundig. Ich nahm trotzdem den Wein mit dem interessantesten Namen (ein Viertel Verrazano, wegen der New Yorker Brücke – dann werde ich halt nie eine Weinkennerin).

Die Freundin stellte ihr Menü aus Kürbistarte, Penne mit weißem Trüffel und dem gemischten Nachtischteller zusammen, ich hatte die Sauerkrautsuppe, das Bollito misto und den Pecorino mit Kastanienhonig. Die Speisen waren köstlich und wurden mit angenehm langen Pausen zwischen den Gängen serviert. Ich liebe es, wenn ein Restaurantbesuch eine abendfüllende Veranstaltung ist.

Wenn Foodies meerschaumpfeifen

Freitag, 1. Dezember 2006

Der Mittagesser erinnert sich.

Das war noch b.g. (before glykol), als die Weine im Seewinkel vor allem im Doppler daherkamen und man sich beim Heurigen gerne eine Rotweincola bestellte (geht heute natürlich auch noch), wofür ich aber noch zu klein war. Viele Straßen waren noch Feldwege und die zehn Kilometer geradeaus durch die von Starfightern (= Propellerflieger zum Verscheuchen der Stare) überflogen Weingärten zwischen Illmitz und Podersdorf hatten für den Jungen aus dem Rhein-Main-Gebiet schon australische Weite, die aber zwei echte Attraktion besaß: Bodenwellen, auf denen wir Kinder jedes Mal jauchzend La Ola (hieß damals nicht so) machten, wenn der Vater extra für uns den Opel mit Karacho drüberfleigen ließ und die Mutter belustigt bis entrüstet „HANS!” rief! Jetzt ist das nur noch Piste für Traktoren neben der neuen, begradigten Straße.

Unsere „Zur Dankbarkeit” hieß damals „Zum fröhlichen Arbeiter” in Apetlon, wo ich einmal einen alten Mann seinen Kopf auf den Tisch legen und den Mund öffnen sah, in den er sich den neben den Teller gefallenen Reis zum Schnitzel schob – Apetlon war der Ursprung des Glykolskandals. Nach Frauenkirchen fuhren meine Eltern, um Bettlerschnaps zu holen, einen Pepperonibrand, mit dem mein Vater seinen preisgekrönten flambierten Camembert auf dem Grill mitten im Lokal entflammte. Auch die Jausenwurst in der Florianizeche kam aus Frauenkirchen, ein mit meinen Eltern befreundeter Spediteur und früherer Metzgermeister aus Hessen hatte seinen Kollegen dort extra eingewiesen ins Herstellen von Presskopp und Schwaddemagen.

Das eigentliche Posting und die anderen Kommentare sind aber auch sehr lesenswert.