„Wie die Zeit vergeht? Ich weiß es nicht.
Am ehesten wie Brei.“
Samstag, 23. Dezember 2006 um 10:02
Die Textchefin des SZ-Magazins schreibt über ihre sieben Monate als Patientin auf der Intensivstation. Als erstes bin ich gestern daüber erschrocken, dass Susanne Schneider so krank war – da ich das SZ-Magazin seit der ersten Ausgabe gelesen habe, gehört die Redaktion ein bisschen zu meinem Haushalt.
Ich hatte ein Schwannom, einen Tumor des Nervensystems. Normalerweise besteht die Aufgabe der sogenannten Schwann-Zellen darin, die Nerven zu umhüllen. Aber manchmal machen sie sich selbstständig und finden sich zu einem Klumpen zusammen. Am Tag, als ich ins Krankenhaus kam, war der Tumor groß wie ein Handball und drückte meinen linken Lungenflügel zusammen und mein Herz nach rechts.
Und dann habe ich sehr bewegt ihre Geschichte gelesen. Habe Antworten auf Fragen bekommen, die ich mir schon lange gestellt habe, zum Beispiel: Ist es langweilig, wenn man monatelang im Krankenhaus liegen muss? Die Antworten sind nicht überraschend, aber sehr interessant.
Als ich etwa am 20. März aus dem Koma zurück war, lebte ich die ersten Wochen zwischen Tag und Traum, das lag an den vielen Medikamenten. Ich wähnte mich in New York, und was nicht in diese Vorstellung passte, wurde passend gemacht: Das Personal sprach Deutsch? Ist eben eine Dependance von Großhadern in Manhattan.
Frau Schneider schreibt unpretentiös in Kapiteln, die Chronologie und Themenblöcke vermischen, und beim Lesen ein bisschen von der verwischten und gleichzeitigen luziden Wahrnehmung erzeugen, die sie in all den Monaten gehabt haben muss. Über das, was sie über ihre Zimmernachbarn mitbekommen hat, was diese vermutlich über sie mitbekommen haben. Wie sie eine Sprechform entwickelte, mit der sie sich trotz Loch im Hals halbwegs verständlich machen konnte. Über den unglaublichen Einsatz des Pflegepersonals. Und in einem langen Absatz, was sie alles gelernt hat über das Funktionieren einer Intensivstation.
Heute verstehe ich nahezu komplett Intensivstationsdeutsch. »Tobi hat heute Hintergrund« bedeutet, außer dem Stationsarzt ist für kritische Fragen auch noch ein Oberarzt erreichbar, abends und am Wochenende per Handy. Und weil sich alle duzen, heißt der Arzt eben Tobi. Für den Patienten ist das weniger geschickt, er kann ja schlecht »Doktor Tobi« sagen.
Ich bin froh, dass Susanne Schneider so viel Raum im Magazin bekam, diesen Bericht zu veröffentlichen (innige Lesempfehlung). Und wünsche ihr unbekannterweise alles, alles Gute.
die Kaltmamsell5 Kommentare zu „„Wie die Zeit vergeht? Ich weiß es nicht.
Am ehesten wie Brei.““
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23. Dezember 2006 um 10:41
Habe es auch gelesen. Bin sehr betroffen. Schließe mich deinen guten Wünschen für sie an.
23. Dezember 2006 um 14:26
Habe den Bericht ebenfalls gelesen und bin sprachlos.
Auch von mir alle guten Wünsche für sie, dass sie wieder ganz gesund wird.
24. Dezember 2006 um 15:35
Vor Allem hat mich berührt, die Beschreibung von Wahrnehmungen wenn die Umwelt glaubt, der “Mensch” meist noch mehr die ……. (medizinische Fallnennung) nehme nichts wahr. Bei aller Hochachtung für Menschen in medizinisch-pflegerischen Berufen muß diese Sensibiltät des Patienten doch immer wieder durch entsprechende Kommunikation innerhalb dieses Kreises bewußt gemacht werden. Dafür ist auch der Verfasserin zu danken.
27. März 2007 um 18:05
Ich danke allen, die mir so gute Wünsche zukommen ließen. Es hat gewirkt, ich bin fast wieder gesund. Danke
Sehr herzlich
Susanne Schneider
28. März 2007 um 8:34
Wie mich das erleichtert und freut, Frau Schneider! Ich drücke weiter die Daumen.