Selbstakzeptanz versus Selbstkontrolle
Montag, 19. Februar 2007 um 12:10Ist es antifeminstisch, wenn eine Frau sich von massivem Übergewicht befreit? India Knight schreibt im Guardian über sich selbst:
Two years ago, I was a size 22. I was obese – morbidly, no less. It was absolutely horrible in every single respect. Having subsequently lost five stone*, I’m really quite hard pushed to see how regaining control of your life, and not wishing your thighs to rub together when you walk, instantly turns you into a simpering air-head. One of the things about being fat – and I’m talking about being stones overweight, not about “needing” to shrink from a size six to a size two – is that, after a certain point, it makes you invisible. It’s hard to understand how this might be considered any kind of achievement, feminist or otherwise.
via feminsting
Wer sich schrecklich in ihrer äußeren Form fühlt, kann etwas gegen das Gefühl tun oder gegen die Form. Will heißen: Sie kann daran arbeiten, sich so zu akzeptieren, wie sie ist, oder sie kann die Form verändern. Das verdammt Schwierige ist zu beurteilen, in welchem Einzelfall welche Alternative ratsam ist. Viel einfacher ist es, pauschale Urteile in die eine oder andere Richtung zu fällen; in diese Falle tappe ich regelmäßig.
(Deswegen sollte ich endlich aufhören, meiner Mutter dafür zu grollen, dass sie sich ihre wundervolle Hakennase wegoperieren ließ. Ich habe es ja genausowenig geschafft, mich in Kleidergröße 46 zu akzeptieren.)
* Nachtrag: Körpergewicht misst der Brite verwirrenderweise in stone, fünf davon entsprechen knapp 32 Kilo.
die Kaltmamsell13 Kommentare zu „Selbstakzeptanz versus Selbstkontrolle“
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19. Februar 2007 um 12:59
Nun in meinen Augen ist Feminismus eine Orientierung, keine Zustand. Deshalb lässt sich auch nicht sagen, ob etwas feministisch ist oder nicht. Eine feministische Sichtweise hilft, Strukturen unserer Gesellschaft zu analysieren – auch solche, die Frauen in extremerem Maße als Männer dazu drängen, sich dem Diktat von Moden und normierter Schönheit zu unterwerfen. Einfache Handlungsanweisungen lassen sich daraus (leider?) nicht ableiten.
Und um noch kurz wild zu spekulieren, da mir selbst das nie gelungen ist: Selbst wenn wir es schaffen sollten, genau das Gewicht zu haben, was wir uns wünschen, werden wir bestimmt immer noch genügend Aspekte finden, aufgrund derer wir uns verachten können. Der Konflikt Akzeptanz versus Veränderungswunsch betrifft ja schließlich nicht nur den Körper.
19. Februar 2007 um 14:00
Ich [männlich, Jg. ’67] habe ja selbst in den letzten beiden Jahren wieder recht viel Sport getrieben; mein Gürtel ist jetzt etwa drei Zoll kürzer und ich spüre viele veränderte Reaktionen auf meine heutige Körperhaltung. Ich denke, dass es etwas mit dem Wettbewerb zu tun hat, in dem sich die meisten Menschen jeden Tag befinden. Solange die Sorge um den eigenen Körper im gesunden Rahmen bleibt, ist sicher weder bei Frauen noch bei Männern etwas dagegen einzuwenden — und ja, ich sehe das wirklich geschlechtsneutral. Aus den Angaben im Artikel kann ich schwerlich ableiten, ob diese Gewichtsabnahme für mich übertrieben oder noch im vernünftigen Rahmen ist. Man müsste noch die Bedeutung von »size 22« und die Körpergröße der zitierten Dame kennen. Welcher Größe entspricht denn das bei uns?
PS @nevesita: Was spricht dagegen, den »Konflikt Akzeptanz versus Veränderungswunsch« positiv zu nutzen? Ich behaupte, diesen Konflikt trägt man mit sich herum, solange man sich verändert [also hoffentlich bis zum letzten Tag!] …
19. Februar 2007 um 14:50
Ich persönlich denke, daß sich die Frage nicht unbedingt stellt, wenn man von massivem Übergewicht als Ausgangsbasis ausgeht, das an sich nicht gesund ist und eine Reihe von Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann (nicht muß). Trotzdem gibt es Menschen, und da mag man nicht explizit von Frauen reden, die sich in Gewichtsüberdimensionen gemessen nach BMI durchaus zu Hause und gut fühlen. Für solche Menschen ist es Quälerei, sie zum Abnehmen bewegen zu wollen und der gesellschaftliche Druck, das “in eine Einheitsgröße Pressen Wollen”, ist hier fehlplaziert. Nur: das erste hat mit Feminismus nichts zu tun, das zweite nur bedingt. Ich denke, es stellt sich immer die andere Frage, nämlich die der Selbstakzeptanz und als zweite die der Fremdakzeptanz. Wer sich selbst akzeptiert, wird auch von anderen nicht unbedingt in Frage gestellt und Frauen mit größeren Umfängen können so unglaublich eindrucksvoll sein, daß man nie auf die Idee käme, sie sollten abnehmen.
Das Thema durch die Feminismus-Brille zu betrachten ist angesichts des fortschreitenden Körperkults in der Männerwelt wohl auch schon überholt.
19. Februar 2007 um 14:54
Tja, Körperkult und Schönheitswahn, da liegst du doch voll im Trend. Ich akzeptiere diese neue Heilslehre, die mir von mir verlangt, dass ich meine paar Haare auf dem Rücken rasieren soll, (noch) nicht.
19. Februar 2007 um 15:10
Wichtig ist doch, sich die Frage überhaupt gestellt zu haben und überzeugt zu sein, sich mit seiner Entscheidung nicht in die Tasche zu lügen. Egal, ob man danach an seinem Körper arbeitet oder an seiner Einstellung.
19. Februar 2007 um 15:20
Der Bereich, welches Aussehen akzeptabel ist und welches nicht, hat sich in den letzten Jahren doch stark verengt. Man schaue sich einen vor fünfzig bis sechzig Jahren gedrehten Film an und achte besonders auf die Nebenrollen. Da gab’s Große, Kleine, Dicke, Dünne, absolute Typen… Heute können derartige Gestalten einem durchaus extrem vorkommen, damals traf man sie im täglichen Leben. In heutigen Filmen dominieren die Menschen mit Durchschnittsgröße und Normalgewicht, wohl nicht zuletzt, weil es der Mehrheit mittlerweile schwerzufallen scheint, Menschen abseits des Durchschnitts zu akzeptieren.
19. Februar 2007 um 16:22
Diät machen oder nicht ist nicht feministisch oder antifeministisch. Anderen Frauen zu sagen, dass sie keine Diät machen sollen, finde ich antifeministisch, weil es die Frau auf den Umgang mit ihrem Körper reduziert (genauso wie in anderen Kreisen Frauen auf den Körper selbst reduziert werden) und sie in eine Rolle zwingt – und genau das will der Feminismus doch verhindern.
Ganz allgemein glaube ich mich an psychologische Untersuchungen zu erinnern, die bei Selbstwertstörungen aufgrund von z.B. Übergewicht untersuchten, ob der Selbstwert nach dem Abnehmen tatsächlich nach oben ging: es war nicht so, jedenfalls nicht bei Leuten, die an Body Dysmorphic Disorder litten. Insofern scheint mir Abnehmen dafür das falsche Mittel (zumal die große Mehrheit der Abnehmer nach ein paar Jahren alles oder viel wieder drauf haben: da sinkt der Selbstwert dann wohl wieder auf weit unter Null?)
Es gibt ja noch andere Gründe dafür, sein Eßverhalten zu ändern – wer aufgrund von Unzufriedenheit oder Unausgeglichenheit zu viel isst, sollte darüber vielleicht mal nachdenken – aber dann ist der Fokus ja eh auf dem ausgeglichener werden, nicht auf dem dünner werden, und damit sollten selbst die oben genannten kritischen Damen kein Problem haben.
Hakennase wegoperieren finde ich eh nicht so wild, das liefe bei mir glaub ich eher unter der gleichen Kategorie wie neue Brille kaufen. Behalte aber die Erbnase, weil man das Geld für eine OP doch wesentlich besser anlegen kann.
19. Februar 2007 um 21:35
Massives Übergewicht ist Ausdruck einer Essstörung und führt ebenso wie Magersucht unweigerlich zu gesundheitlichen Problemen bis hin zum Tod. Es ist kein primär ästhetisches oder feministisches Problem, auch keines der Identitätsfindung oder Fremdakzeptanz.
Betrachtungen in dieser Richtung gehen stets am Thema vorbei. Es hilft einer Frau mit 5 stone Übergewicht nicht, Folgeerkrankungen zu vermeiden, wenn sie daran arbeitet, sich so zu akzeptieren, wie sie ist. Letzteres würde der 35-Kilo-Magersüchtigen schließlich auch niemand vorschlagen.
19. Februar 2007 um 22:45
Hä?
20. Februar 2007 um 10:47
Naomi Wolf: “Der Mythos Schönheit”. Kaufen, lesen.
20. Februar 2007 um 13:06
Tsja: sein oder nicht sein, das ist hier die Frage? Ich plädiere für einfach sich sein.
20. Februar 2007 um 19:48
@nachtschwester: Ich denke schon, dass Essstörungen ein Problem der Identitätsfindung sind. Eine Störung lässt sich nicht einfach beheben indem man sich vornimmt sich zu ändern, weil man Folgeerkrankungen vermeiden will. Mögliche Krankheiten, ausgeläst durch Fettleibigkeit oder Mangelernährung, spielen im Bewusstsein des Gestörten keine Rolle. Das Wissen darum ist zwar da, wird aber verdrängt oder gar nicht auf die eigene Situation bezogen.
Deswegen denke ich auch, dass Abnehmen (oder auch Zunehmen) feministisch sein kann, falls die Frau dadurch zu einem positiven Selbstbild findet, sich von einer “Sucht” befreit.
Andererseits finde ich es absurd, dass Menschen duch gesellschaftliche Umstände in Essstörungen getrieben werden und dann das Ergebnis dieser Störung von der Gesellschaft als abstoßend empfunden wird.
21. Februar 2007 um 9:26
Nichtrauchen führt auch definitiv zum Tod. Wichtig ist doch, ob man sich mit dem Gewicht “wohl fühlt”, ob man gesund ist, was die Checkups ergeben, und das lässt sich seltenst über einen Kamm scheren. Der eine hat schon mit 5kg Diabetes und Hochdruck, der andere kann 20 kg mehr haben und fit wie ein Turnschuh sein. Man sollte sich nur nicht vom Schönheits-/Aussehen-Ideal anderer leiten lassen.