Noch ein Blogtipp: Hatice Akyün
Mittwoch, 7. März 2007 um 11:31Sie ist „Türkin, Deutsche, Muslima, Journalistin. Nicht zwangsverheiratet, trägt kein Kopftuch und kann bestätigen, dass es Töchter aus traditionell-türkischen Familien gibt, die vorehelichen Sex haben.“
Hatice Akyün schreibt als Gastbloggerin auf Westropolis und hat Einiges zu erzählen – mitten aus einer riesigen deutschen Bevölkerungsgruppe: den integrierten türkischen Einwanderern und ihren Familien. Wie wenig diese sonst Thema sind, merke ich schon an meinen eigenen Reaktionen beim Lesen: Ich komme aus dem Staunen kaum raus. In den deutschen Medien tauchen türkische Einwanderer und ihre deutschen Nachkommen fast ausschließlich auf, wenn sie als the other Schwiergigkeiten machen. Das hat auch mein Bild so geprägt, dass mir meine Arbeitskollegin mit türkischen Vorfahren exotisch erscheint, wenn sie Geschichten aus der schwäbischen Provinz erzählt, in der sie aufwuchs: Wie ihre Eltern sie zum Kinderfasching in die Dorfwirtschaft begleiteten, durchaus mit dem Hinweis, dass sie als Muslime eigentlich keinen Fasching kennen, aber sie wollten halt ihre Tochter glücklich machen. Oder wie ihre Mutter einen Kredit aufnahm, damit ihre Älteste ein Semester in Irland studieren konnte.
Nur ist das eben gar nicht exotisch, sondern repräsentativ für viele tausend Deutsche. Frau Akyün schreibt also über ihre heimatlichen Gefühle Duisburg gegenüber, über türkischen Besuch auf der Wöchnerinnen-Station („Knoblauch, Gold und Blumensträuße“) oder über Kopfbedeckungen gegen Winterkälte. Ich freue mich schon auf mehr.
Deutschland ist nunmal ein Einwanderungsland, schon seit Jahrzehnten. Ich halte es bereits für einen Akt der Ausgrenzung, eine Deutsche mit fremdem Nachnamen zu fragen: „Woher kommen Sie?“ Als ich einem solchen Frager mal korrekt mit meinem oberbayrischen Geburtsort antwortete, blaffte er mich auch noch an: „Das wollte ich nicht wissen.“ Wie wäre es statt dessen mit: „Woher kommt Ihr Name?“
die Kaltmamsell13 Kommentare zu „Noch ein Blogtipp: Hatice Akyün“
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7. März 2007 um 14:23
Uuhh, Madame. Immer schön pc bleiben, gelle? “Woher kommt Ihr Name”. Das ist wie “Geflügel mit erhöhtem Eiweißbedarf” als PC-Bezeichnung für einen Adler. Glücklich kann sein, wer nicht in den Focus solcher Leute kommt (auch wenn ich den Grund für die Umformulierung gut verstehen kann).
Aber die Blogempfehlung ist wirklich eine. Danke dafür. Der Tellerrand ist manchmal höher als mir lieb ist …
7. März 2007 um 15:23
Wenn Sie mir einen Beleg nennen, dass jemand beim Namen “Huber” fragt: “Ah, woher kommen Sie denn?” – dann höre ich auf zu behaupten, dass mit dieser Frage impliziert wird: “Sie gehören nicht zu uns.”
7. März 2007 um 16:32
Ich komme aus Wuppertal. Einen Huber würde ich, aber absolut, nach seiner Herkunft fragen. Könnte ja Rosenheim sein. Vielleicht ergeben sich Anknüpfpunkte für Gemeinsamkeiten. Aber Sie haben ja genau so Recht wie Unrecht. Wenn ich jemanden nach seiner Herkunft frage, will ich nicht Ausgrenzen sondern Anteil nehmen. Mit “Ignorieren” kann ich jemanden viel besser ausgrenzen. Schwingt da vielleicht ein latentes Gefühl von Ausgegrenztheit mit?
PS: Wenn Sie nicht alle paar Beiträge Ihrer Eltern Herkunft beschreiben würden, übrigens sehr zu meinem Vergnügen, dann kann eine Herkunftsherleitung außerhalb von “deutsch” diesem Blog nicht entnommen werden (den Satz muss ich bei Gelegenheit mal wieder gerade biegen, bitte entschuldigen Sie). Ich habe mir meinen Geburtsort genau so wenig ausgesucht wie meine Arbeits-Kollegen, oder Sie Ihren. Es lohnen sich daher keine pauschalen Vorwürfe, nur weil sich einer dafür interessiert. Ist doch schön wenn sich einer kümmert. Oder?
PPS: Habe gerade das Wortspiel “poetic licence” erklärt bekommen. Bin begeistert.
7. März 2007 um 16:49
Danke für den Post. Ich stamme aus Zürich (Schweiz), hier liegt der Ausländeranteil über 20% und steigt weiter. Uch finde das positiv, denn die Vielfalt lehrt mehr als die Einfalt. Tatsächlich, wie du im Post beschrieben hast finde ich es acuh wichtig, wenn die AusländerInnen, die schon lange hier leben auch im Bloggen partizipieren würden und so ihre Haltungen, Schwierigkeiten und Lebensumstände kommunizieren würden.
7. März 2007 um 17:55
Danke für den interessanten Blogtip.
Noch lästiger als die Frage, woher ich bzw. mein nichtdeutscher Name denn kommen, finde ich allerdings Kommentare zu meinen Deutschkenntnissen: Sätze wie “Sie können aber erstaunlich gut Deutsch,” oder “Wo haben Sie denn so gut Deutsch gelernt?” könnten mich regelmäßig zur Weißglut treiben…
7. März 2007 um 21:53
Mein Nachname weckt ebenfalls die Spekulationslust der Menschen. Zu Zeit höre ich öfters: ” Der Name ist doch jüdisch, und du siehst auch ein bißchen so aus.”
Dann lass ich sie erklären, “wie man denn jüdisch aussieht”.
“Na , halt anders als die anderen”. So ist das!
7. März 2007 um 23:15
Als Schwabenkind fragt man mich nach über 20 Jahren Ruhrgebiet immer noch, wie es kommt, daß ich so gut Deutsch gelernt habe. Ja, fast aktzentfrei.
Zu Frau Hatice: in ihrer Nebelwolke ist Bochum größer als Düsseldorf, das gefällt mir sehr und erinnert mich an die grandiose Zeit mit meiner “Schwester” Sevim, die mit 20 aus Trabzon (schwarzes Meer, siehe Trabzon Spor) kam, bei Goethe fast genauso aktzentfrei Deutsch lernte wie ich (allerdings ohne Goethe). Studierte mir nix dir nix Medizin, heiratete dazwischen einen Landsmann inclusive der zugehörigen bombastischen Hochzeit. Das hielt sie aber nicht davon ab die Allgemeinmedizin zu machen, zwei Kinder zu bekommen, die halbe Sippschaft zu beherbergen und sich mit einer Praxis niederzulassen. Der Gatte, inwzischen ebenfalls Facharzt, ist bei ihr angestellt. Sie hat mir einen ganz anderen Zugang zum muslimischen Glauben gegeben und erklärt, was der Koran zuläßt und was nicht. So modern sind/waren nämlich Musliminnen, die nicht durch fundamentalistische Organisationen beeinflusst worden sind.
Was sie nach so langer Zeit immer noch wundert: dass ich aus ökumenischen Beweggründen beim Unifest solange mit dem Essen gewartet habe, bis die Sonne untergegangen ist. Aber da war ich ja noch schwäbisch-katholisch.
Aus Respekt mache ich das heute noch, wenn ich mit Muslimen zusammen bin. Ich achte immer darauf, wann Ramadan ist und erhoffe mir dafür eine Süssigkeit zum Zuckerfest.
8. März 2007 um 11:09
Ich werde mit “Albertsen” als Nachnamen in Bayern natürlich auch oft gefragt, woher ich komme. Stört mich aber nicht. denn ich frage auch gerne Leute mit auswärts klingenden Nachnamen oder auswärts klingendem Akzent, woher sie kommen. Das ist nämlich nicht unbedingt Ausgrenzung, sondern meinerseits Interesse an Geschichten. Denn Menschen, die selbst oder deren Eltern herumgekommen sind, haben oft etwas zu erzählen.
8. März 2007 um 11:29
Poetic license ist ein Wortspiel? Kann mir das auch mal jemand erklären? I don’t get it….
8. März 2007 um 12:33
Hmmm, mein Tschechisch klingener Nachname und mein Französischer Vorname reizt auch häufig zu Nachfragen. Aber ich empfinde das durchaus nicht als Ausgrenzung sondern als Interesse.
Ebenso habe ich auch keine Skrupel jeden neuen Mitarbeiter – egal ob mit typisch Deutschem Namen oder nicht – zu fragen wo er herkommt. Bisher hat mir auch jeder, egal ob Franzose, Türke (aus der Türkei), Türke (aus Deutschland) oder Bayer brav geantwortet und fühlte sich keineswegs augegrenzt.
Vermutlich ist es auch der Ton der die Musik macht. Wie man fragt und was für ein Gesicht man dabei macht. PC ist mir ein Greul. Es klingt so falsch und verlogen wenn man jemanden fragt wo der Name herkommt wo doch jeder genau weiß was man eigentlich wissen will.
11. März 2007 um 21:14
Also vielleicht bin ich blöd, vermutlich!, aber ich habe immer Spaß, wenn mir Leute erklären, mein Deutsch sei aber gut.
17. Juli 2008 um 22:56
Ich finde es nicht verwerflich, zu fragen, woher ein Name kommt. Wenn ich z.B. als Deutsche Türkisch sprechen will, dann kann ich das ja nur mit jemandem, der türkische Wurzeln hat – mit einer Chinesin weniger. ;-)
Auch gibt es in meiner Familie 7 verschiedene Nationalitäten, so dass ich es generell interessant finde, wessen Ursprungsfamilie woher kommt.
Daß es ärgerlich ist, wenn man gönnerhaft zu guten Deutschkenntnissen beglückwünscht würd, kann ich aus umgekehrter Warte auch nachempfinden. Mich nervt es auch häufig, wenn ich mir anhören darf “Sagen Sie doch mal etwas auf Türkisch. Sagen Sie mal “ich heiße Andrea”.” Das hört sich dann an wie “Kann Klein-Andrea schon brav ein auswendig gelerntes Sätzchen aufsagen.”
Ich weide mich dann regelmäßig an den verblüfften Gesichtsausdrucken meiner Gesprächspartner, wenn sie merken, daß es bei mir nicht nur um ein paar Sätzchen geht. Ja, auch eine Ausländerin kann Türkisch lernen.
15. Januar 2009 um 21:02
Hatice Akyün erhält den Preis für Toleranz und Zivilcourage der Duisburger Aktionsgemeinschaft für Toleranz und Zivilcourage. Der Preis wird – dieses Jahr zum achten Mal – an Personen oder Gruppen verliehen, die sich in besonderer Weise für Toleranz, Zivilcourage und einem friedlichen Zusammenleben engagieren.
Die Preisverleihung findet am Dienstag, 27. Januar 2009, um 17.00 Uhr in der Jüdischen Gemeinde Duisburg statt.