Ungenutzte Synergien: Kosmetikindustrie und Gehirnamputationen

Dienstag, 27. März 2007 um 9:04

Für wie bescheuert hält mich die Kosmetikindustrie eigentlich? Dass ich mitten in der Zielgruppe all der Cremchen und Mittelchen stehe, merke ich allein schon an meiner Fernsehwahrnehmung: Die Werbung scheint mir zu 80 % aus Kosmetikwerbung zu bestehen. Will heißen: Leute, die das fernsehen, was ich fernsehe, gelten als potenzielle Kosmetikkundinnen. Sind also weiblich, nicht mehr jung, finanziell unbelastet. Und in dieser Werbung erzählt man mir unter anderem, dass man wabbliges Bindegewebe „straffen“ kann, dass man durch regelmäßige Verwendung einer Körpermilch wieder in zu enge Jeans passt, dass man Falten „auffüllen“ kann. Yeah, right. Weil die Kühe so schön fliegen.

Und jetzt will mir eine Gazetten-Anzeige weismachen: „Soin Remodelant Ventre-Taille (so heißt die Creme) fördert eine besser definierte Bauch- und Taillenpartie. Spezialcreme mit der Kraft der Krähenbeere. Diese Pflanze mindert die Ausbreitung von Fettgewebe an der Bauchpartie und schützt die Kollagenfasern.“ Soso, die Creme-Moleküle der Krähenbeere (?) wissen also zum einen, dass sie es nicht etwa mit einem Oberschenkel zu tun haben oder mit einem Kinn, sondern mit meiner Taille. Und sie können auf ein Gewebe einwirken, dass sich nicht mal durch noch so gezieltes Training verschieben lässt. Sonst noch was?

Samma ma so: Wenn die Cremes und Lotions und Tonics und Gels, die man meinereiner andrehen will, tatsächlich das bewirkten, was ihre Verkäuferinnen behaupten – dann fielen sie unters Arzneimittelgesetz. Die Qualität von Haut und Gewebe ist in erster Linie Veranlagung. Den negativen Einfluss von UV-Strahlung und Mangelernährung weiß wohl jede.

Die Wirkungszusammenhänge, die man mir einredet, haben sehr den Klang, den ich mir zu Quacksalbern auf mittelalterlichen Jahrmärkten vorstelle: Eine junge Kosmetikverkäuferin informierte mich kürzlich, diese eine empfehlenswerte Handcreme enthalte den Stoff, der in Blättern von Bäumen für Stabilität sorge. Deshalb könne sie die Haut meiner Hände knackig halten. Ernsthaft! Die Krähenbeere sorgt demnach vermutlich bei Nichtkrähenvögeln nach Verzehr für Diarrhöe und verschlankt die Viecherl ungemein – woraus sich die Wirkung auf meine Taille ableiten lässt.

die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Ungenutzte Synergien: Kosmetikindustrie und Gehirnamputationen“

  1. croco meint:

    Träume zu verkaufen war immer eine Kunst. Jeder weiß eigentlich, dass das nie und nimmer stimmen kann, dass man durch Schmiere schön oder durch Pulver klug wird.
    Die Haut ist leider so dick, dass kaum größere Moleküle durchpassen. Nikotin geht, Hormone auch, alles andere muss eben als Tabletten eingenommen werden. So wäre die Krähenbeere im Müsli sinnvoller, als Kosmetik von innen.

  2. Frau Klugscheisser meint:

    Statt mich über den Unfug zu ärgern freue ich mich immer wieder, wieviel Geld ich spare.

  3. creezy meint:

    Aber Sie müssen zugeben, dass Kosmetikverkäuferinnen sonst eine sehr lustige Spezies ist. Wenn Sie mal wieder in Berlin weilen, gehen wir beide in die Parfumerie-Abteilung und lassen uns von den Kosmetikverkäuferinnen unterhalten, das ist schöner als Fernsehen gucken!

  4. Hande meint:

    Ja genau! Sehr lustig finde ich auch diese Patches, die man auf die Oberschenkeln 14 Tage lange kleben soll, dann ist cellülite weg (sagen sie). Wenn ich diese klitze-kleine Dinger auf dem Foto sehe, muss ich nur lachen und rechnen wieviele Packungen ich bräuchte, um meine Oberschenkel damit zu bedecken!

  5. bosch meint:

    Nur bei Dove funktioniert das anders. Wurde man von diesen Produkten früher nur dick, so wird man davon jetzt auch noch alt.

  6. Pathologe meint:

    So wie Sie das schreiben, Frau Kaltmamsell, muss man da zur Tiefenwirkung die Cremes aufs Frühstücksbrötchen schmieren?

  7. midori meint:

    Selbst mit noch so viel Wahrheit werden Sie wohl keinen milliardenschweren Wirtschaftszweig abknicken. Schönheit war schon immer ein gutes Geschäft und sie verkauft sich immer besser, jetzt sogar schon an die Männer.
    Dinge, die wirklich etwas bewirken, gibt es hier tatsächlich nur auf Rezept.

  8. Nur mal so meint:

    Die Krähenbeerencreme war doch bestimmt eher für die Augen wegen der Krähenfüße, oder ??(Mordskalauer…) Schön finde ich ja auch diese Unterteilung der Cremes und deren vermutlich versteckte Intelligenz in ihren raffinierten Molekülen: Unterpolsternde Gesichtsfaltencremes, Straffende Brustpasten, taillenverschlankende Gels, cellulitevernichtende und/oder röhrenjeansvorbereitende Lotions für die Oberschenkel…..da kommt man morgens ganz schön in Schweiß beim Eincremen neben den 6 bis 8 Tiegeln, das ist dann Training, davon nimmt man dann ab und schon hat die Creme gewirkt !

  9. Jens meint:

    da gibts auch irgendsone reme, die “mit der wrkung der DNS” wirbt (oder so). ich muß den Bildschirm demnächst mal einfrieren und ein Foto machen, wen ndie kommt, weil da über dem “DNS” ein Sternchen hängt und unten irgendwas Kleingedrucktes steht, was wahrscheinlich die Auflösung für die Abkürzung DNS sein soll (und sicher nicht Desoxyribonukleinsäure heißt), das wohl irgendwie einen Gentechnik-Appeal rüberbringen soll. Bei Leuten, die auf sowas reinfallen, ist Gentechnik ja eher ein Grund zum kaufen statt zum liegenlassen…

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