Blogs: Bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.

Mittwoch, 4. April 2007 um 11:16

Und wieder taucht eine Nachricht in meinem elektronischen Postfach auf, die den Betreff „Weblogs als Marketinginstrument“ ausruft. Nein, diesmal keine Umfrage (bekomme ich mindestens alle zwei Wochen auf den Schreibtisch / Bildschirm), diesmal sind es bereits die Ergebnisse in Buchform.
Ich hab da einen Verdacht: Die größte Marketingbedeutung haben Blogs inzwischen auf der Metaebene, nämlich als Untersuchungs- und Beratungsobjekt. Das begann meiner Beobachtung nach Anfang 2006 und hat mittlerweile eine Tendenz zur Metametaebene (auf die auch ich soeben geklettert bin).

Blogs sind immer noch in der frühen Formations- und Sondierungsphase, sortieren sich in kommerzielle und private, in Tagebücher, Fotoarchive, Journale, Linksammlungen, Interessensforen, Feuilletons, Vernetzungsplattformen, Gesprächstherapie, Geschäftsakquise, Rezeptsammlungen, Reiseberichte – durch wenig mehr verbunden als das Medium WWW sowie die umgekehrt chronologische Reihung der Einträge.
Gleichzeitig müssen sie bereits als ausschlaggebende Faktoren für Geschäftsentwicklungen herhalten, werden zu Kennzahlen verarbeitet, man abstrahiert ihre Rezeption bis zur Tortendiagrammierbarkeit, und sowohl bieten Medienbeobachtung ihre Lektüre als auch Agenturen das Füllen mit Inhalten als Dienstleistung an.
(Liebe entsprechende Firmen: Wenn meine Freundinnen in der PR-Branche mich fragen, ob sie eine teure Blogbeobachtung beauftragen sollen, habe ich ihnen noch jedesmal abgeraten. „Ich kenne deine Kunden“, argumentiere ich, „wenn sich über denen eine Blogwolke zusammenbraute, bekäme ich es mit und gäbe dir Bescheid.“ Dazu ist die Blogwelt übersichtlich genug.)

Wenn Blogs in Zeitungsartikeln auftauchen, werden sie durch Ausrufen ihrer mangelnden Bedeutung erst richtig wichtig gemacht oder dienen anhand der immer gleichen beiden Beispiele (Krypton-Fahrradschloss, Jamba / Spreeblick) als Beweis für eine neue Form des publizistischen Einflusses. Zudem ist eines dieser beiden Beispiele unweigerlich in der Einleitung von Umfragen zu finden, mit denen Lehrstühle ihre Studenten und Studentinnen, Institute und Agenturen ihre Praktikanten auf Unternehmenskommunikatoren hetzen. Es scheinen die einzigen Beispiele auf der Welt zu sein, denn in der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse müssen sie schon wieder herhalten (Auszug aus dem eingangs erwähnten Fall: „An dieser Stelle sei auf die PR-Krise des Unternehmens Jamba! hingewiesen, die aus einem Artikel des Bloggers Johnny Haeusler im Weblog ‚Spreeblick.com’ resultierte.“)

Der Tanz von Beratern, Universitäten, Medien und Instituten ums Thema Blog ist dabei, an Momentum die eigentliche Blogaktivität in Deutschland deutlich zu übertreffen.

Warum geht Ihr nicht einfach alle rüber zu Second Life und spielt dort weiter…?

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Blogs: Bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.“

  1. Thinkabout meint:

    Danke sehr! Das trifft den Kern der Diskussion. Lasst uns also weiter Bloggen und die Frage nach “unserer” Bedeutung das sein, was sie ist: Ablenkung und netter Zeitvertreib. Aber bitte nicht alle zwei Wochen, sondern alle paar Jahre. Denn eines ist klar: Die Möglichkeit, ganz easy ein Blog zu eröffnen, sprich eine Internet-Seite zu haben ohne Provider, Programmierkenntnisse etc., DAS ist die wirkliche Revolution und an der ganzen Sache das Herrliche (und Frauliche).

  2. maz meint:

    Wenn es nach mir ginge, würde ich den markettingtenden Teil der Menschheit einfach in die Produktion schicken, damit er ein für alle mal einsieht, dass mit der Beschäftigung über die mannigfaltigen Nuancen des Nichts irgendwann Schluss sein muss…
    Zum Glück will niemand von meiner Weisheit was wissen…

  3. Joel meint:

    Mir entwich grad ein tief beruhigter Seufzer. Danke, dass sie es so treffend und prägnant in Worte gefasst haben.

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.