Bitte recht freundlich

Dienstag, 31. Juli 2007 um 13:48

Nachdem ich sowohl im Museum des Holocaust-Mahnmals in Berlin als auch im Jüdischen Museum am längsten vor den Familiengruppenbildern stand, habe ich mir vorgenommen, ab sofort bei Feiern und Zusammenkünften meiner eigenen Familie Gruppenfotos zu machen (im Lokaljournalisten-Jargon gerne „Erschießung im Morgengrauen“ genannt). So richtig mit „stellt euch doch bitte mal alle da zusammen, die Kleinen vor, und jetzt bitte alle zu mir schauen“. Denn mir wurde bewusst, dass bei diesen Gelegenheiten zwar viel fotografiert wird, von allen möglichen Beteiligten, dass für die Familiendokumentation aber die Gruppenfotos am Wichtigsten sind – die meinem Eindruck nach gerade durch die Demokratisierung des Fotografierens aus der Mode geraten sind. FrüherTM wurde ein Fotograf bestellt oder der einzige wertvolle Fotoapparat der Familie hervorgeholt, dann die Familie für ein, zwei kostspielige Bilder zusammengetrieben. Heute bedaure ich, dass ich solche Bilder von meiner eigenen Familie nicht besitze.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Bitte recht freundlich“

  1. Tim meint:

    Die Digi-Cams helfen auch nicht, diese Tradition wieder zu beleben. Weitwinkel ist ein Problem bei den Digiknipsen. Und wenn, dann sollen ja auch alle irgendwie auf das Foto.

  2. chatts meint:

    Beim nächsten bald anstehenden Sippentreffen werde ich das nicht versäumen – steht schon auf der todolist! Es hat den Anschein, je einfacher das Foftgrafieren geworden ist, desto weniger wird inszeniert. Wenn ich alte Familienfotos anschaue sehe ich wunderbare Szenen: Vier Damen (Cousinen) sind in eine Leiter gruppiert. Die Herren verkleidet mit eben Greifbarem (Es wurden wohl Sketche gegeben). Die Kinder aufgereiht wie die Orgelpfeifen- sie hatten sichtlich Spass dabei. Das schönste Familienbild hängt in meinem Treppenhaus: Meine Grosseltern mit ihren 11 Kindern, anlässlich ihrer goldenen Hochzeit aufgenommen. Natürlich von einem Fotografen.

  3. croco meint:

    Diesen Mangel habe ich auch bemerkt, als ich kürzlich für Famlienfeiern Rückblicke zusammengestellt habe. Jeder hatte früher sein bestes Kleidungsstück an, gab sich sichtlich Mühe ordentlich auszuschauen und wirkte so zeitlos. Diese Grimassen beim Mittagessen sind doch nichts für die Ahnenforschung.
    (Ich habe es übrigens auch dieses Mal nicht geschafft, die Familienbande auf ein Foto zu bringen)

  4. walküre meint:

    Hach, ich stelle einmal mehr fest, dass ein bissl konservativer Lifestyle auch seine guten Seiten hat: Für die “besseren” Familienbilder (Gruppe und einzeln, gerne mit dem passenden floralen Hintergrund in diversen üppig blühenden Gärten) bin seit vielen Jahren ich zuständig, und erjage selbige bei Geburtstagsfeiern und ähnlichen Gelegenheiten. Und mir scheint, ich mache meinen Job gut, weil sich sogar eher fotoscheue Verwandtschaftsexemplare nicht ungerne von mir ablichten lassen.

    Der von Ihnen erwähnte zeitgeschichtliche Kontext ist ein besonders tragischer; jedoch habe auch ich schon erlebt, dass jemand verstarb und zur Trauer um diesen Menschen noch das Bedauern der Tatsache kam, dass die letzte aussagekräftige Porträtaufnahme des/der Verstorbenen mindestens 20 Jahre alt war, sodass mitunter nicht einmal ein Foto für den bei uns noch üblichen Partezettel bzw. die Totenbildchen vorhanden war.

  5. Heike meint:

    Stimmt …Gruppenbilder habe ich mein letztes bei der letzten Hochzeitsfeier gemacht!
    Ich mache aber immer mal wieder Bilder mit der Digicam auf den Familienfeiern..da sind recht gute Schnappschüsse dabei und die sind auch prima!. Ich finde es schön, das die Bilder dann so einfach zu verteilen sind. Und ich kann immer mal wieder schnell Bilder ausdrucken und neue Motive aufhängen..das mache ich besonders gerne!

  6. L9 meint:

    Stimmt. Bzw. um Isa zu zitieren .
    Ich werde das ab jetzt auch wieder kultivieren!

  7. Indica meint:

    Bei Omas 100. kürzlich habe ich das als offizielle Familienfotografin gemacht, aus gutem Grund. Wohl wissend, dass diese Gelegenheit wahrscheinlich die letzte sein wird. Nun suche ich gerade Erinnerungsbilder an sie heraus, um eines bei ihrer Trauerfeier aufzustellen. Bin froh, dass ich immer wieder auch die offizielleren Fotos gemacht habe. Allerdings vergesse ich heutzutage oft, mal Abzüge zu machen. Auch Festplatten und CDs sind vergänglich und auch das Blog ersetzt das Papier nicht.

    Glücklicherweise gelte ich immer als die Fest-Fotografin, dummerweise muss ich oft nachdrücklich darauf achten, dass ich auch auf den Bildern bin.

  8. Milla meint:

    Guten Morgen, Frau Kaltmamsell,

    sicher sind Familienfotos, die alle Beteiligten versammeln, eine feine Sache. Die Kehrseite dieser Medaille sind bei uns seit Äonen Feste mit kaltem Essen, verschmurgeltem Weihnachtsbraten, zäh gewordenem Filet, zerfallenem Fisch usw. Der Mann, der meinem Herzen am nächsten steht, ist ein akribischer Sortierer und Positionierer der Festgemeinde und natürlich fotografieren wir ohne Blitz, weil wir dann schöner aussehen, was dann aber heißt gaaanz lange stillhalten, was wiederum schon mal das Lächeln gefrieren läßt und dann machen wir noch eins, zur Sicherheit, oder weil das andere doch nicht scharf genug ist…
    Schnappschüsse sind auch schön.
    Liebe Grüße
    Milla

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