Blumen umtopfen

Sonntag, 8. Juli 2007 um 10:55

Wir ausgebufften Prokrastinatoren finden immer Mittel und Wege, eigentlich anstehenden Pflichten auszuweichen. Der Klassiker sind die perfekt gepflegten und umgetopften Zimmerpflanzen, die in unseren Wohnungen nur zu Zeiten zu finden sind, in denen wir uns eigentlich (“eigentlich”, das zentrale Konzept) mit Hilfe von Exzerpten auf eine Prüfung vorbereiten / den gesammelten Stoff für die Hausarbeit zusammenfassen / aus all den recherchierten Informationen einen Artikel schreiben / Bewerbungsunterlagen zusammenstellen müssten.
Zu Potte kommen wir nämlich erst, wenn wirklich kein Ausweg mehr bleibt, wir vor lauter Panik seit zwei Tagen nichts mehr essen können und es uns endlich lächerlich erscheint, dass wir kurz davor sind, das Parkett abzuschleifen und neu einzulassen, nur um nicht die eigentliche Pflicht abzuarbeiten.

Dieser Mechanismus kann sehr seltsame Formen annehmen: Eben habe ich meine spanische Tante Luci angerufen und ihr zum Geburtstag gratuliert – zum ersten Mal in meinem Leben. Sie war völlig perplex, als ich sie im pueblo erreichte, wohin sie übers Wochenende gefahren war. Schließlich hatte ich mich nicht mal bei ihr gemeldet, als vor zwei Jahren ihr Mann starb.
Motiv für meinen plötzlichen Enthusiasmus: Eigentlich (da ist es wieder) müsste ich mich bei einer ehemaligen Madrider Freundin melden. Vor ein paar Jahren hatte ich versucht, die Verbindung im Sande verlaufen zu lassen (ich stellte mich ohne jeden Anlass tot, wollte meine Ruhe haben, zog mich völlig zurück – ich bin eine erbärmliche Freundin), doch sie meldete sich weiterhin eisern mindestens einmal im Jahr, per Post oder per Telefon auf dem AB – immer freundlich, immer zugetan. Jetzt ist sie mit einem Forschungsauftrag an der Münchner Uni und hat zweimal auf meinen AB eine Nachricht mit ihrer Telefonnummer hinterlassen. Die müsste ich dringend wählen und ein Treffen mit ihr vereinbaren. Denn sie ist weiterhin ein wirklich zauberhafter und liebenswerter Mensch.
Da habe ich mir von meinem Vater die Mobilnummer seiner Schwester geben lassen und ihr zum Geburtstag gratuliert.

Die Menschen sind seltsam.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Blumen umtopfen“

  1. creezy meint:

    Ist doch stark, oder? Da telefonieren wir lieber um sechs Ecken und bloggen lange Posts, anstatt einfach nur eine Nummer zu wählen und über dies und jenes beim Café zu plaudern.

    Mensch, Frau Kaltmamsell, jetzt aber ran an das Telefon. Die reizenden Freundin freut sich doch! Und ganz ehrlich: nichts ist ja wohl schlimmer als Parkett abschleifen!

  2. Sanníe meint:

    Ob ich gerade einen Eigentlich-Fall “erfolgreich” umschifft habe, kann man bei mir am Sauberkeitsgrad der Fenster ablesen. Aber vielen Dank für den Tipp mit dem Umtopfen, bei der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung komme ich darauf zurück!

  3. Lorelei meint:

    Umtopfen! Fensterputzen! Parkett abschleifen!
    Vielen Dank für all die exzellenten Ideen – ach ja, die Magisterarbeit…..

  4. rika meint:

    bügeln!
    ganz klar, wenn sich die anforderungen zu gebirgen auftürmen — bügeln!

    sollten sich in den anforderungslosen zeiten die wäscheberge zu gebirgen türmen — keller aufräumen. hilft! ganz klar!

  5. Mittelbayer meint:

    Reizende Menschen kommen im allgemeinen ganz gut alleine klar.

  6. stefan meint:

    Einige kennen vielleicht schon das Anti-Verpeil-HowTo von SuShee. Es wurde vor allem in Geek-Kreisen bekannt. Die Autorin schreibt über EDV-Themen, Politik, Kosmetik-Herstellung zu Hause und vieles andere mehr.

  7. nachtschwester meint:

    Genau, die Blumen noch! Danke.
    (Kleider- und Schuhschränke schon ausgemistet, flickr-Bilder zu 23 rübergezogen, stapelweise alte Bücher bei amazon reingesetzt, Abgabe Thesis am 19.07.)

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