Experimente mit Kindern
Montag, 23. Juli 2007 um 12:10Oder ist es doch eher ein Experiment mit den Experimentatoren?
Am Samstag eröffnete ich meinem Neffen Nr. 1 sein Geschenk zum 6. Geburtstag: Er darf sich künftig in seiner Heimatstadt jeden Monat in der ersten Buchhandlung am Platz für einen bestimmten Betrag Bücher aussuchen. Die Idee habe ich aus dem Blog von Buchhändlerausbilderin Tanja.
Als ich bei der Geschäftsführung des Buchladens angefragt hatte, war sie sofort begeistert gewesen. Die Umsetzung ist jetzt so geregelt, dass der Neffe die Bücher auf Lieferschein bekommt, ich wiederum am Monatsende die Rechnung darüber per Post.
Nur hatte ich mir das Ganze in der Praxis einfacher gedacht, als es tatsächlich wird. Als sehr kinderferner Mensch hatte ich lediglich sichergestellt, dass der Beschenkte sich tatsächlich für Bücher interessiert (ich wollte ihm auf keinen Fall etwas aufzwingen). Nun stellte sich heraus, dass da einiges mehr bedacht werden muss. Zum Beispiel kennt der Neffe das Konzept „Geld“ nicht: Das Geld, das er bisher bekam, wurde in die Sparbüchse gesteckt, fertig. Doch er hat noch nie eingekauft, sieht Geld also nicht als abstrakten Gegenwert von Ware. Die Eltern des Buben plädierten also dafür, ihm eher Kategorien wie „ein großes und ein kleines Buch“ oder „drei kleine Bücher“ als monatlichen Umfang anzubieten.
Zudem hat er noch nicht gelernt, selbst differenzierte Entscheidungen zu treffen: Um Kinder nicht zu überfordern, so ließ ich mir von seinen Eltern erklären, schränkt man die Wahlmöglichkeiten ein, lässt zwischen Apfelsaft und Traubensaft wählen oder zwischen rotem und blauem Spielzeugauto. Nun sollte er sich plötzlich zwischen hunderten von Büchern entscheiden. Obwohl ich eigentlich davon geträumt hatte, dass der Neffe durch eigene Bücherwahl mit der Zeit einen eigenen Büchergeschmack entwickeln würde, trafen also am Samstag erst mal seine Eltern eine Vorauswahl. Das klappte dann auch ganz gut, der Neffe nahm ein Wissensbuch Unsere Erde mit vielen Klapp- und Schiebemöglichkeiten sowie Text zum Vorlesenlassen.
Jetzt bin ich sehr gespannt, wie sich das weiterhin entwickelt.
Wo ich schon mal in einer Buchhandlung war, nahm ich mir im Vorbeigehen dann doch
HP VII mit; in der Provinz war die Nachfrage nach der englischen Ausgabe gering genug, dass ich noch die hübsche Spezialtüte dazu bekam. (Seite 387)
15 Kommentare zu „Experimente mit Kindern“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
23. Juli 2007 um 13:02
Das ist eine sehr gut durchdachte Geschenkidee und meines Erachtens auch nicht “zu viel” für ein 6-jähriges Kind. Es liegt dann an den Eltern, die Auswahl der Bücher eventuell subtil zu steuern. Kinder sollten viel mehr an Bücher herangeführt werden. Ich würde mir wünschen, daß sich die Paten/Tanten meiner Kinder auch mal so etwas Tolles einfallen lassen…
23. Juli 2007 um 14:59
Gut gedacht, aber eher ein Konjunkturprogramm für Buchhandlungen als eine pädagogische Unterstützung.
Um das Interesse an Büchern zu wecken eignen sich z.B. Bücherflohmärkte viel eher. Da kann der Kleine fast ohne ökonomische Zwänge nach Herzenslust auswählen und ist nicht dem Problem der “selbst differenzierten Entscheidungen” ausgesetzt, deren Folge sein kann, das Bücher nur mit “Entscheiden müssen” negativ verbunden werden.
23. Juli 2007 um 15:03
Genau, Tim: Für “pädagogische Unterstützung” sind ja auch die Eltern zuständig. Onkeln und Tanten sind für den Spaß da, den in diesem Fall der Neffe von selbst schon an Büchern hat. Seine Geschwister bekommen beizeiten auch sowas – wenn sie sich nicht für Bücher interessieren, wird das eben ein Konto im Spielzeugladen oder Perlenmarkt.
23. Juli 2007 um 20:05
Dass Bücherflohmärkte ein guter Weg sind, Kinder an Bücher heranzuführen, stelle ich offen in Abrede, da naturgemäß auf einem Flohmarkt viel Schrott angeboten wird (ich gehe hier vom ländlichen Raum aus) und sich die Quantität der angebotenen zeitgemäßen Kinder- und Jugendbücher sehr in Grenzen hält. Mit 6 Jahren beginnt ein Kind gerade erst mal zu lesen und ist insofern nicht in der Lage, ein Buch umfassend zu bewerten, sondern lässt sich nur zu gerne von bereits bekannten Bildern (z.B. aus Zeichentrickserien) beeinflussen, worunter der Text meist leidet, auf dessen Qualität dann kein Augenmerk mehr gelegt wird – wie denn auch, wo doch das Kind den Inhalt noch nicht abschätzen kann. Sobald Kinder lesen können, ist ein Bücherflohmarkt grundsätzlich eine feine Sache, obwohl ich als Mutter einer absoluten Leseratte festgestellt habe, dass sie dort bislang nur ausnahmsweise Bücher gefunden hat, die ihren Ansprüchen genügten; ich vermute, das liegt daran, dass Lieblingsbücher (die auch zugleich meist ein bestimmtes Niveau haben) nur selten verramscht werden, sondern sich Kinder von diesen eher nicht trennen wollen (Bei uns gibt es einen Schrank mit ihren “alten” Bilderbüchern, die sie auch jetzt noch, mit 13 Jahren, ab und zu gerne ansieht (“Mama, weißt du noch, diese Geschichte hast du mir oft vorgelesen, weil sie mir so gut gefallen hat!”).
Übrigens, Frau Kaltmamsell: Das ausgewählte Buch bzw. die gesamte “Wieso ? Weshalb ? Warum ?”-Reihe gehört zu den besten Sachbüchern für Kinder in diesem Alter – der Neffe hat ein gutes Gespür !
PS: Er wird auf diese Weise sehr schnell lernen, seinen Büchergusto zu entwickeln und zu verfeinern !
23. Juli 2007 um 21:02
Ich finde die Idee super!
Über ein solches Geschenk würde ich mich auch in meinem hohen Alter ;-) riesig freuen!
Und ein Kind auf den Bücherflohmarkt zu schicken, halte ich für wenig sinnvoll. In einem Bücherladen können die Eltern eher nochmal Einfluss nehmen oder auch einfach mal ein bischen helfen. Ich werde mir die Idee jedenfalls gut merken!!
23. Juli 2007 um 21:39
Hervorragende Idee. Nach dem Kinderkino noch in die Buchhandlung. Merke ich mir fürs Patenkind.
23. Juli 2007 um 23:46
Hihi, das betreibe ich mit den Nichten und dem Nefferich schon seit einem Jahr, mit unterschiedlichem Erfolg. Der Neffe ist schnell auf diese Wie?Wer?Was?Reihe eingestiegen und bittet laufend um Vervollständigung. Er kann noch nicht richtig lesen, aber bald, sagt er. Die Nichte wollte ein Ponybuch mit rosa Stoffeinband haben, ebenso das Nachfolgemodell, wegen der Glitzersteinchen. Das zweite hat sie noch nicht gelesen. Die nächste Nichte liest, seit sie vier ist. Sie hat sich jetzt mit sieben selbst von den Bilderbüchern zu den ohne Bilder vesetzt, da sie ja nun richtig lesen könne. Ich musste so lachen. Damals hatte ich es genau so gemacht und in der Stadtbücherei selbstständig das Regal gewechselt.
24. Juli 2007 um 16:15
Das sind aber zaghafte Eltern – es klingt fast so, als trauten sie ihrem Sohn gar nichts zu. Das ist doch eine optimale Gelegenheit, erstens den Umgang mit Geld zu lernen, zweitens das Sichberatenlassen. Die Eltern werden ihn ja ohnehin in dem Alter nicht allein in die Buchhandlung schicken, dann können sie doch prima mit ihm zusammen die Buchhändlerin fragen, was sie empfehlen kann. Und er kann selbst sagen, ob er lieber Rittergeschichten oder Fußballgeschichten oder Sachbücher mag.
Er lernt, was ein Buch wert ist, er lernt, seine Wünsche zu formulieren, er lernt, dass man mal etwas empfohlen bekommt, auf das man selbst nicht gekommen wäre, und er wird merken, dass die Buchhändlerin ihn schon ganz bald kennen wird und fragen wird, wie ihm das letzte Buch gefallen hat, und schon eine neue Idee hat.
Das ist ein wunderbares, supertolles Geschenk, in jeder Hinsicht.
24. Juli 2007 um 17:46
Daß der Neffe mit seinen sechs Jahren noch nicht beim Einkaufen war, irritiert mich. Meinereiner wurde in dem Alter schon samstags zum Semmelnholen geschickt..
Ich finde diese Geschenkidee wunderbar! Und nach einigen Monaten wird er (mit Unterstützung seiner Eltern) herausgefunden haben, wie das funktioniert.
24. Juli 2007 um 18:21
Unser jüngerer Sohn ist im Juni sechs Jahre alt geworden. Wir schicken ihn auch schon auf dem Wochenmarkt zu ausgewählten Händlern und er erfüllt ganz stolz unsere Aufträge. Aber der Unterschied zur beschriebenen Situation in der Buchhandlung ist folgender: Auf dem Markt oder beim Bäcker gibt das Kind unser Geld weiter. In der Buchhandlung soll er mit eigenem Geld umgehen. Der Tausch des eigenen Geldes gegen eine Ware ist für uns selbstverständlich, aber für das Kind noch nicht …
24. Juli 2007 um 18:35
Die Idee finde ich sehr gut. Eine Alternative (allerdings ohne den Umgang mit Geld) wäre sonst ein Abo zu einer Kinder-Zeitschrift, aber anders als in Frankreich, wo es sehr viele populäre und gute Zeitschriften schon für Babies gibt, scheint es in Deutschland nicht gerade der Fall zu sein. Oder habe ich etwas verpasst?
24. Juli 2007 um 22:31
Geolino und Mickey Mouse? es muss ja nicht gleich der Kleine Tierfreund sein, den hatte ich nämlich.
25. Juli 2007 um 19:58
Das ist eine wirklich wunderbare Geschenkidee. Aber war das Kind denn noch nie in einer Bücherei, dass er sich nicht aus einem Regal mit Kinderbüchern eines aussuchen kann? Für mich war das jede Woche ein Höhepunkt in die Bücherei zu gehen und mit meinen gesammelten Schätzen heimzukehren, um sie umgehend zuverschlingen.
30. Juli 2007 um 23:05
Was für eine grandiose (und großzügige) Geschenkidee! Damit könnte ich meine zwei Kleinen (7 und 8 Jahre alt) auch glücklich machen, die Große (10) dagegen wüßte damit nichts anzufangen, leider!
Wie toll, daß Dein Neffe gleich zu so einem tollen Buch greift! Er wird seinen “Bücherweg” schon machen, wenn SO toll dabei unterstützt wird! Diese Idee werd ich mir auf jeden Fall merken!
5. August 2007 um 21:19
Ich bin begeistert! Wunderbar!
Man spricht miteinander, man redet über Bücher, man lernt verhandeln, was Geld und was Wert ist und gleich noch die Buchhandlung, eine tolle Kindersachbuchreihe und die Erde kennen.
Der Neffe hat nicht nur die besten Voraussetzungen fürs Lesen, sondern auch für die Diplomatie. Für beides wird es seiner Generation an Bedarf nicht mangeln.