Noch mehr zum H des B
Mittwoch, 18. Juli 2007 um 8:46Hölzchen / Stöckchen – Sie wissen schon. Angekommen bin ich letztendlich beim Grübeln, woher mein Kulturpessimismus rührt. Vermutlich war es die tiefe und wiederholte Enttäuschung über die Welt, die mir schon in einstellig jungen Jahren klar machte, dass Menschen ihr Verhalten nicht verändern, nur weil sie erkannt haben, dass es schlecht oder schädlich ist. Am besten sah ich das ja an mir selbst: Meine Mutter hatte mir wieder und wieder überzeugend auseinandergesetzt, wie schrecklich der ausgiebige Verzehr von Kuchen, Marmeladesemmeln, Marzipan für meinen Kinderkörper war („Du könntest so eine hübsche Figur haben!“) – und doch war das Verlangen danach stärker. Meine katholischen Religionslehrer hatten alle Argumente auf ihrer Seite, wenn sie unter Androhung von Höllenfeuer davor warnten, den Eltern nicht zu gehorchen – und doch las ich lieber Bücher als meiner Mutter beim Abspülen zu helfen. Die Beobachtung, dass Einsicht keineswegs zur Besserung führt, setzt sich bis heute fort: Der Mensch raucht, der Mensch brät in der Sonne, der Mensch ist eklig zu Mitmenschen. Möglicherweise besteht meine persönlichkeitsbildende Lebensaufgabe darin, mit diesem Konflikt fertig zu werden. Noch aber unterliege ich dem paradoxen Zwang, regelmäßig klugscheißende Belehrungen weiterzugeben und verzweifelt zu versuchen, damit die Welt zu verbessern.
Angefangen hat dieser Gedankengang bei BHs.
Einerseits habe ich den Eindruck, Tipps zur Bestimmung der idealen BH-Größe würden regelmäßig in praktisch allen Medienformen veröffentlich. Andererseits legen die sommerlichen Temperaturen offen, wie erschreckend hoch der Prozentsatz an Frauen ist, die diese Tipps entweder übersehen oder sich nicht darum scheren. Also versuche auch ich mich an dieser Form der Weltverbesserung im Detail. (Größere Projekte überlasse ich Herrn Nilzenburger.)
Die häufigsten Indizien für die falsche BH-Größe:
1. Das Unterbrustband sitzt hinten weit oberhalb der Brusthöhe. (Dass es seit einigen Jahren schick ist, BH-Träger vorscheinen zu lassen, habe ich inzwischen verwunden. Aber dass ich an den Halswirbeln von Spaghettiträgershirt-Trägerinnen regelmäßig die hochgewanderte Rückseite des BHs samt Verschlussart besichtigen kann, beklemmt mich.)
2. Die Brüste schwappen über den Rand des Körbchens. (Wenn der Ausschnitt des Oberteils mit dem oberen Rand des BHs abschließt, mag das noch angehen, bei folkloristischer Kleidung ist das zum Teil sogar gewünscht. Drückt sich der schwappende Busen aber durch Shirts und Blusen, nimmt der Gesamteindruck Schaden.)
Die meisten Frauen neigen dazu, eine zu große Unterbrustweite und zu kleine Körbchen zu wählen. Denken Sie einfach mal physikalisch: Damit das Kleidungsstück den B auch H kann, muss er Zug auf die Träger bringen. Damit das Brustband, an dem die Träger befestigt sind, diesen Zug auch halten kann, muss es fest sitzen, je mehr H, desto fester. Wenn Sie sich dadurch beengt fühlen, probieren Sie es mal mit einem breiteren Unterbrustband.
Wie also muss ein BH richtig sitzen? Einer der besten BH-Hersteller Europas (hoppla, schon wieder Werbung) stellt die richtigen Fragen.
1. Das Muss:
– Sitzt der Rückenteil schön tief am Rücken? Unter den Schulterblättern und zirka auf der gleichen Höhe wie die Bügel an der Vorderseite des BHs?
– Füllt der Busen den Cup schön aus? Ist der Übergang zwischen Cup und Busen fließend?
2. Für Fortgeschrittene noch die Extras für den nicht nur richtigen, sondern sogar perfekt passenden BH (allerdings ist perfekter Sitz der Kleidung heutzutage keine Priorität, den meisten sind Bequemlichkeit, Preis, Marke oder modische Aussage wichtiger – ist ja auch in Ordnung):
– Liegen die Bügel und der Steg schön flach am Körper (und nicht auf dem Busen)?
– Liegen die Träger schön auf den Schultern, ohne zu schneiden oder zu rutschen?
Hier noch ein paar Beispielfotos.
Abschließend, wie auf Bestellung, die Geschichte eines bra fitting (BH-Maß-nahme) aus New York (die zweite Texthälfte erzählt eine Mammografie, nicht erschrecken).
die Kaltmamsell10 Kommentare zu „Noch mehr zum H des B“
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18. Juli 2007 um 10:11
Warum Sie der Welt zuweilen erzaehlen wollen, was sie zu tun und zu lassen hat, hat mich schon eine Weile gewundert, jetzt weiss ich es. Danke. (Die Welt nimmt sich natuerlich die Freiheit, sich einen Dreck drum zu scheren, aber das wissen Sie sicher auch ohne mich.)
18. Juli 2007 um 16:04
Ich kann Ihren Äußerungen bezüglich der Paßform von BHn nur zustimmen und glaube, dass die vielen Kleidersünden, die uns tagtäglich begegnen [wer möchte da nicht oberster Bekleidungsminister sein?] zum großen Teil mit zwei Phänomenen zusammen hängen: Zum einen lautet dieses “Billig ist toll”
und zum anderen “Ich schwaches Rehlein brauche nur Größe 70B, s. auch “downsizing”.”
Über die Ursachen und Auswirkungen eines schlechten Körperverständnisses wird ja gerade hier oft sehr klug gesprochen, dem ist da nichts mehr hinzuzufügen. Für den geizigen Anteil möchte ich noch einmal einen BH-Kauf in einem Dessous-Geschäft des Vertrauens nachdrücklich empfehlen. Man will nie wieder so ein kratzendes zuppelndes Billichdings tragen. Das Geschäft meines Vertrauens heißt übrigens “Elfi-Moden”. Find ich auch noch schön.
Beste Grüße
Milla
18. Juli 2007 um 20:09
solange die idioten nicht schaffen a) unterbrustweiten ueber 95cm mit b-koerbchen zu kombinieren, dies b) auch ohne buegel und c) polsterung und das womoeglich auch noch in einem material das weder d) beiges omapolyester noch microfaser, sondern einfach baumwolle, wie soll frau da wohl einen passenden bh tragen?
dazu pasen dann auch blusen in groesseren groessen, die zwar am ruecken spannen, aber vorne solche sackartigen brustaufnehmer haengen hat…
was ziehen eigentlich schwimmerinnen obenrum an?
18. Juli 2007 um 21:04
Ich war zuversichtlich, Ihnen einen Tipp anbieten zu können, Frau mutant, bis ich zu d) kam: Baumwolle? Nee, funktionsfähige BHs wurden erst durch moderne Materialien möglich. Bauwolle ist nicht dehnbar genug. Sie haben leider Recht: Den gibt es nicht. Sollten Sie zum Zugeständnis Kunstfaser bereit sein, hat Triumph einiges Passendes für Rugby-Kreuze anzubieten. Wie Milla schrieb: Am besten in ein schön altmodisches Wäschegeschäft gehen (Indizien: uncoole Auslagen und Namen, übergewichtige Verkäuferinnen über 50 mit osteuropäischem Akzent) und Beratung einfordern.
18. Juli 2007 um 23:20
Och nööö, die altmodischen Wäschegeschäfte müssen nicht sein. Seit ich meinen persönlichen Lieblingsladen mit entsprechender Beratung gefunden habe, kaufe ich sie sogar gerne, diese unsäglichen Bs zum H, egal ob für Sport, Spaß oder Spiel.
[Darf ich? Kompetenz in Schwabing]
19. Juli 2007 um 15:50
@frau mutant: Keine Bs zum H sondern schlicht enge Sportunterhemden, gern solche mit eingearbeitetem Bustier. Bei 95A hält das alles was zu halten ist ;-)
19. Juli 2007 um 16:41
@ angel: das ist aus microfaser, da krieg ich leider plaque von und zieh das nur an, wenn es nicht anders geht (klimahemd beim sport im winter zb). mein old-school sportbustier von nike trage ich gerne, 95% cotton, rest lycra und superbequem, aber das muss noch paar jahre halten.
derweil behelfe ich mich mit einem guenstigen modell von nurdie (diese drogeriemarke), in weiss und schwarz und ohne buegel zu haben.
20. Februar 2008 um 16:24
Ich kenne das Problem von Mutant. Ich habe es genau andersherum.
Meine Bh-Größe ist 65 F. Können Sie sich vorstellen wie schwer es ist in dieser Größe was zu finden? Ich war schon in allen Dessousläden der Stadt. Keiner führt diese Größen. Ich bin dann im Internet fündig geworden, nur da ist das Problem das man nichts anpassen kann. Den eigentlich möchte man mehrere Modelle ausprobieren, geht aber nicht da ja auch per Vorauskasse bezahlt werden muss und wenn ein BH 70 -100 euro kostet ist dies kein günstiger Spaß. Ich apelliere auch mal an die Hersteller auch andere Größen zu produzieren, denn ich denke Nachfrage ist schon da. Auf jeden Fall von meiner Seite.
20. Februar 2008 um 20:52
Dafür weiß ich was, Larentia: In den 80ern war das Angebot in meiner Größe und in Schön praktisch nicht-existent. Also kaufte ich mir in guten Wäschegeschäften BHs mit der passenden Körbchengröße und ließ mir das Brustband am Rücken enger nähen. Wenn Sie also etwas in 70 F finden, kann eine Schneiderin an den Rückenschließen etwas wegnehmen, vielleicht sogar bei 75 F.
24. Februar 2008 um 10:54
Daran habe ich auch schon gedacht und vielen Dank nochmal für den Tip.