Hölzchen / Stöckchen – Sie wissen schon. Angekommen bin ich letztendlich beim Grübeln, woher mein Kulturpessimismus rührt. Vermutlich war es die tiefe und wiederholte Enttäuschung über die Welt, die mir schon in einstellig jungen Jahren klar machte, dass Menschen ihr Verhalten nicht verändern, nur weil sie erkannt haben, dass es schlecht oder schädlich ist. Am besten sah ich das ja an mir selbst: Meine Mutter hatte mir wieder und wieder überzeugend auseinandergesetzt, wie schrecklich der ausgiebige Verzehr von Kuchen, Marmeladesemmeln, Marzipan für meinen Kinderkörper war („Du könntest so eine hübsche Figur haben!“) – und doch war das Verlangen danach stärker. Meine katholischen Religionslehrer hatten alle Argumente auf ihrer Seite, wenn sie unter Androhung von Höllenfeuer davor warnten, den Eltern nicht zu gehorchen – und doch las ich lieber Bücher als meiner Mutter beim Abspülen zu helfen. Die Beobachtung, dass Einsicht keineswegs zur Besserung führt, setzt sich bis heute fort: Der Mensch raucht, der Mensch brät in der Sonne, der Mensch ist eklig zu Mitmenschen. Möglicherweise besteht meine persönlichkeitsbildende Lebensaufgabe darin, mit diesem Konflikt fertig zu werden. Noch aber unterliege ich dem paradoxen Zwang, regelmäßig klugscheißende Belehrungen weiterzugeben und verzweifelt zu versuchen, damit die Welt zu verbessern.
Angefangen hat dieser Gedankengang bei BHs.
Einerseits habe ich den Eindruck, Tipps zur Bestimmung der idealen BH-Größe würden regelmäßig in praktisch allen Medienformen veröffentlich. Andererseits legen die sommerlichen Temperaturen offen, wie erschreckend hoch der Prozentsatz an Frauen ist, die diese Tipps entweder übersehen oder sich nicht darum scheren. Also versuche auch ich mich an dieser Form der Weltverbesserung im Detail. (Größere Projekte überlasse ich Herrn Nilzenburger.)
Die häufigsten Indizien für die falsche BH-Größe:
1. Das Unterbrustband sitzt hinten weit oberhalb der Brusthöhe. (Dass es seit einigen Jahren schick ist, BH-Träger vorscheinen zu lassen, habe ich inzwischen verwunden. Aber dass ich an den Halswirbeln von Spaghettiträgershirt-Trägerinnen regelmäßig die hochgewanderte Rückseite des BHs samt Verschlussart besichtigen kann, beklemmt mich.)
2. Die Brüste schwappen über den Rand des Körbchens. (Wenn der Ausschnitt des Oberteils mit dem oberen Rand des BHs abschließt, mag das noch angehen, bei folkloristischer Kleidung ist das zum Teil sogar gewünscht. Drückt sich der schwappende Busen aber durch Shirts und Blusen, nimmt der Gesamteindruck Schaden.)
Die meisten Frauen neigen dazu, eine zu große Unterbrustweite und zu kleine Körbchen zu wählen. Denken Sie einfach mal physikalisch: Damit das Kleidungsstück den B auch H kann, muss er Zug auf die Träger bringen. Damit das Brustband, an dem die Träger befestigt sind, diesen Zug auch halten kann, muss es fest sitzen, je mehr H, desto fester. Wenn Sie sich dadurch beengt fühlen, probieren Sie es mal mit einem breiteren Unterbrustband.
Wie also muss ein BH richtig sitzen? Einer der besten BH-Hersteller Europas (hoppla, schon wieder Werbung) stellt die richtigen Fragen.
1. Das Muss:
– Sitzt der Rückenteil schön tief am Rücken? Unter den Schulterblättern und zirka auf der gleichen Höhe wie die Bügel an der Vorderseite des BHs?
– Füllt der Busen den Cup schön aus? Ist der Übergang zwischen Cup und Busen fließend?
2. Für Fortgeschrittene noch die Extras für den nicht nur richtigen, sondern sogar perfekt passenden BH (allerdings ist perfekter Sitz der Kleidung heutzutage keine Priorität, den meisten sind Bequemlichkeit, Preis, Marke oder modische Aussage wichtiger – ist ja auch in Ordnung):
– Liegen die Bügel und der Steg schön flach am Körper (und nicht auf dem Busen)?
– Liegen die Träger schön auf den Schultern, ohne zu schneiden oder zu rutschen?
Hier noch ein paar Beispielfotos.
Abschließend, wie auf Bestellung, die Geschichte eines bra fitting (BH-Maß-nahme) aus New York (die zweite Texthälfte erzählt eine Mammografie, nicht erschrecken).