Zusagen zwischen zwei versus Hochzeit

Dienstag, 14. August 2007 um 8:50

Zupf ich das Thema also aus den Kommentaren zu etwas ganz Anderem.

Herr Mo hatte seine Gründe für eine Heirat aufgeschrieben. Ich reflexhaft gegengeredet, eine Heirat sei eine Misstrauenserklärung: Das Vertrauen reiche offensichtlich nicht, eine einfach Zusage für verlässlich zu halten. Auf Mos Bitte also die Erläuterung meiner Gegenrede:

Die „einfache Zusage“ ist eine sehr individuelle Abmachung zwischen zwei Leuten, die sich ganz unterschiedlich gestalten kann – je nach dem, wie sich diese beiden ihr gemeinsames Leben vorstellen. Wie viel davon festgelegt wird (zusammen gemietete Wohnung, gemeinsamer Hauskauf, Affären in Ordnung oder nicht), wie viel unausgesprochen vorausgesetzt wird (das Rührgerät gehört mir, Affären in Ordnung oder nicht), was wichtig ist und was nicht – auch das ist ganz individuell. Dass diese beiden Leute dieses Einverständnis oder den Beginn des gemeinsamen Lebens anlässlich u.a. ihres Zusammenziehens feiern wollen, kann ich verstehen, das finde sogar ich romantisch.

Eine Eheschließung hingegen besiegelt einen Standardvertrag, der mit Hilfe des Staates möglichst alle Eventualitäten abdecken soll – egal, wer beteiligt ist. Dieser Vertrag klopft rechtlich eine Sache fest, die so wenig mit Recht und Gesetz zu sichern ist, wie man eine Sandburg an die Wand nageln kann: Gefühle und die Beziehung zwischen zwei Menschen. In erster Linie bedeutet er deshalb einen Misstrauensantrag: Ich vertraue dir nicht genug, dass ich mich auf die einfach Zusage zwischen uns beide verlasse, unterschreibe erst mal hier auf der gestrichelten Linie. Sehr unromantisch. Und das soll „der schönste Tag meines Lebens“ sein? Mit „dem größten Fest meines Lebens“ gefeiert werden?

Religiöse Heiratsrituale gehen an mir als Ungläubiger noch weiter vorbei. Vielleicht erklärbar mit einem ähnlichen Misstrauen, das durch einen überirdischen Segen beruhigt wird? Im entsprechenden religiösen System handelt es sich wohl einfach um die Befolgung einer Vorschrift. Oder sie bilden die Kulisse für die Inszenierung des “größten Festes meines Lebens” (s.o.).

Ganz pragmatisch gesehen tun bei der heutigen Gesetzeslage prospektive Väter sehr gut daran, diesen Vertrag zu unterzeichnen, da sie sonst bei einer später möglichen (und durchaus wahrscheinlichen) Trennung schlechte Karten haben. Diese Absicherung kann man schon feiern, wie halt eine neue Wohnung oder den unterzeichneten Arbeitsvertrag. Was daran eine „Hochzeit“ veranlasst, bleibt mir schleierhaft, wie ich bereits komplett humorlos und uncharmant dargelegt habe.

Selbst war ich ja auch mal auf dem Standesamt, ich brauchte damals das Geld. Würde ich heute nicht wieder tun, weil ich es inzwischen als reichlich unehrenhafte Art der Geldbeschaffung ansehe. Dem Mitbewohner ein gemeinsames Leben zusagen, das tue ich allerdings immer wieder.

die Kaltmamsell

16 Kommentare zu „Zusagen zwischen zwei versus Hochzeit“

  1. Helga meint:

    Ja, es gibt sie. diese Tüll-Sahne-Veranstaltungen, die Brautmütter in Landgasthöfen veranstalten aus lauter Freude, dass Töchterchen unter der Haube ist. Die bekommen leicht den Touch eines Misstrauensvotums – der Versorger könne doch abspringen. Also soweit gebe ich Ihnen recht.

    Und dann gibt es Menschen, die diese Zusage aneinander einfach feiern wollen. Ich finde es nach wie vor schön, dem anderen zu sagen: Ich liebe dich. Und ich stehe zu dir. Und ich verspreche dir jetzt auch, nicht beim nächsten Problem abzuhauen. – Das nennt man in unserem Kulturkreis gemeinhin Hochzeit.

  2. walküre meint:

    Solange es zwei erwachsene Menschen betrifft, die gesund, finanziell voneinander unabhängig und im Vollbesitz ihrer Arbeitskraft sind, ist Ihren Worten nichts entgegenzusetzen. Der kritische Punkt wird erreicht, sobald es um die Absicherung einer Familie geht. Nicht nur Väter können ohne Trauschein schlechte Karten haben …

  3. frau generator meint:

    Meine Rede, Frau Kaltmamsell… Danke!
    Siehe Trackback.

    “Die romantische Liebe ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, heißt es. Ebenso die bürgerliche Ehe. Vielleicht ein bisschen veraltetes Betriebssystem für liebevolles Miteinander im heutigen Sozialgefüge? Obwohl alle Gesetze noch auf 1900 stehengeblieben sind, wenn es um die Versorgungsehe geht, das Ehegattensplitting zugunsten besserverdienender Männer, die besserverdienenden Männer, das Kindschaftsrecht, das kindische Verhalten zeugunsfähiger Enddreißiger im Falle von ungeplanten Zeugungen etc…
    (…)
    Früher ließen sich die Frauen in ihren Hochzeitskleidern am Ende auch noch begraben. Zur Not wurde der Sissi-Kittel hinten zwecks Passform aufgeschnitten. Soweit zur Romantik. Ich finde, Romantik geht anders.”

  4. Susanne meint:

    Also, für mich bedeutet eine Hochzeit keine Misstrauenserklärung. Für mich bedeutet sie – neben einem staatlichen Standardvertrag – eine öffentlich Erklärung, zusammen bleiben zu wollen. Im Gegensatz zu der privaten Zusage. Deswegen ist das Ganze staatlich geregelt und findet vor Freunden und Verwandten statt: weil es weniger um die Stellung zueinander als um die in der Gemeinschaft geht.

    (Heiraten aus Geldgründen finde ich auch ziemlich schofelig. Allerdigns auch nachvollziehbar.)

  5. creezy meint:

    Meine Rede, sowas von! Aber einmal im Jahr bei schlechtem Wetter muss ich ehrlich und echt fürchterlich abdrifften. Ist schlimm, ich weiß. Wobei mir der Kommentar von Frau Generator Mut macht, so’n schickes Bestattungskleid schon mal im Vorfeld kaufen …

    Für mich ist dieser staatlich geregelte Ehevertrag vor dem Staat nicht einmal mehr ein Misstrauensantrag, es ist ein Eingriff in mein privates Leben in Voraussicht darauf irgend etwas regeln zu wollen, was niemals regelbar ist.

  6. Burgdorfer meint:

    wie bitte? Die Ehe als “Und ich verspreche dir jetzt auch, nicht beim nächsten Problem abzuhauen.”-Schwur? Wer nach dem nächsten Problem gehen will, geht, ob verheiratet, oder nicht, und wenn man noch etwas gemeinsam hat, bleibt man, egal, ob verheiratet oder nicht. Und eine Ehe, die bestehen bleibt, nur weil man verheiratet ist, obwohl man nichts mehr gemeinsam hat, ist ja wohl auch nicht erhaltenswert. Oder etwa so, wie alte, nicht mehr gebrauchte Fabrikhallen.

  7. Rob meint:

    Haben Sie einen Arbeitsvertrag aus Papier?

  8. L9 meint:

    Hach Hochzeit!. Heiratsgrund bei uns: Aufenthaltsgenehmigung (ich Ö er D) und Name (ich Pichler er Neun). Was haben wir 80er mäßig bescheuert ausgesehen… Aber ist ja auch schon wieder 20 Jahre her. Gehalten hats trotzdem.

  9. L9 meint:

    Ups – ich wollt jetzt nicht den ganzen letzten Beitrag mit Link hinterlegen. Es fehlt ein sorry.

  10. robson meint:

    Frau Kaltmamsell, was kommt Euch an, was ereifert Ihr Euch?

    Unterstellen Sie nicht ein bißchen viel bei den Stichworten Heirat und Hochzeit?

    Fraglos hat die Angelegenheit vorwiegend mit einem für beide Seiten folgenreichen Vertrag zu tun und halbwegs kalkulierbaren Verhältnissen, unterschiedlichen Vor- und Nachteilen für die beiden Partner und vielleicht auch was mit Vertrauen, Mißtrauen und Romantik.

    Wenn sich zwei Leute für die staatlich geregelte Ehe entscheiden, haben sie entweder hinreichend darüber nachgedacht oder halt nicht …

    In jedem Fall gilt nach Gaby Köster: Jeder macht, wie er meint, dass er muss.

    robson – das zweite Mal glücklich verheiratet und auch mit den Erfahrungen aus wilden Beziehungen hinreichend gesegnet.

  11. Gaby Barg meint:

    Huch, jetzt bin ich aber geplättet! Ich heirate nämlich auch demnächst, und zwar schon im September. Obwohl ich mit ollen 48 aus dem romantischen Alter eigentlich raus bin. Aber es gibt trotzdem Gründe zum Heiraten. So ist z. B. mein Mann UN-Polizist und lebt manchmal nicht ganz ungefährlich. Deshalb wollen wir beide, dass ich abgesichert bin, falls ihm etwas zustoßen sollte und dass ich mich dann ohne rechtliche Probleme weiter um seine Kinder kümmern kann – und außerdem freuen wir uns ganz jugendlich-romantisch darauf, vor allen zu bekunden, dass wir kein Bratkartoffelverhältnis auf Dauer wollen, sondern uns ganz deutlich für das Gemeinsamaltwerden und Fürimmerzusammenbleiben entschieden haben.

    Klar ist eine Heirat keine Garantieerklärung – von dem her seh ich’s auch nicht als Ausdruck des Misstrauens, denn ich unterschreib zwar die Trauungsurkunde, aber ich schmeiß ja deswegen meine Koffer nicht weg … ;o) Gehen kann jeder – egal, ob mit oder ohne Trauschein – irgendwann mal, davor ist man NIE abgesichert.

    Wie auch immer, ich heirate am 22. September – zwar ohne kirchlichen Pomp und ganz diskret und leise, aber freuen tu ich mich trotzdem drauf, denn irgendwie ist es ja doch auch total romantisch, oder …? ;o)

    Herzliche Grüße,
    Gaby Barg

    13.27 Uhr: Mitgepostete Werbung gelöscht von Kaltmamsell. Wie immer.

  12. mo meint:

    frau kaltmamsell

    hier ist die welt noch in ordnung. hier findet der mo immer noch einen blauen punkt an seinem sams, hier ist ein kleiner wunsch noch ein befehl!

    grossen dank für mamsells “einfache zusage”.

    ich muss zugeben, dass ich mich mit den rechtlichen folgen einer ehe und dem staatlichen zugriff auf die beziehung zu meiner süssen überhaupt gar nicht auseinandergesetzt habe. fahrlässig vielleicht, da noch himmelsgeigende chemikalien im blut toben, aber die vorstellung zu heiraten, nur um mir einen besuchsschein für noch zu zeugende blagen zu sichern, lässt mich ungläubig naiv kichern.

    und ich gebe zu, dass “heiraten” immer ein wesentlicher bestandteil vom bürgerlichen epos “mo – der film” war, in der klassischen deklination: abi – zivi – uni – job – heirat – kind 1 – usw bis der mo dann mit mitte 70 in der mitte des familienportraits sitzt, sein clan um ihn vereint, wie in einer ralph lauren reklame mit grossem haus in den hamptons im hintergrund. und – oh je – diese great gatsby fantasien jagen mir immer noch wohlige schauer des glücks über den noch geraden rücken.

    aber mit den kirchlichen ritualen habe ich auch grosse probleme. auch wenn ich oft in hochzeitsgottesdiensten gute und kluge gedanken zur ehe und beziehungen finde, gibt es in gottesdiensten für mich immer wieder sollbruchstellen, wo ich merke, da kann ich nicht mit (“denn das was gott zusammengeführt hat, kann nur er trennen”). und deshalb gibt es mit dem mo auch keine kirchliche trauung, auch wenn damit ein feierliches fest und eine tolle “photo op” verloren geht.

    aber das heisst ja nicht, dass man sich nicht seine eigene zeremonie strickt. und da steckt der mo mittendrin (und ja: ein teil der anfrage hier war es natürlich auch, nach weiteren klugen, romantischen und weisen gedanken). und die damit unvermeidliche auseinandersetzung mit der eigenen beziehung, das offene ansprechen von vielen stillen vereinbarungen und auch von all den fragen, die man sich selbst stellt (und sich dann quält, weil man sie sich stellt).

    und das schöne ist, was passiert, wenn mann und frau (in diesem fall) darüber sprechen. wirklich reden und nicht nur still voraussetzen oder annehmen. und die nähe die entsteht, wenn beide dann ja sagen – auch zu den unsicherheiten und der tatsache, dass sich viele dinge nicht versprechen lassen, sondern allein der ehrliche umgang damit.

    braucht es dafür eine hochzeit oder gar einen trauschein? wohl nicht.

    aber dann ist es doch ein gutes fest und schöne photo op!

    (muss dringend bald wieder west wing gucken)

    mo

  13. simetra meint:

    ich möchte mich dem kommentar von susanne anschliessen, obwohl ich auch ihre argumentation, werte frau kaltmamsell, gut verstehen kann. schliesslich waren das auch bei uns diskussionspunkte, die es vor der hochzeit zu klären galt.

    letztendlich haben wir uns für die hochzeit entschieden, sogar kirchlich… aber das brauthormon scheint bei mir zu fehlen, denn ich wollte keine “traumhochzeit, von der ich schon als kind geträumt hatte”, sondern einfach eine gute party (und das war es!), ich hatte weder ein sissi-kleid, noch bin ich nach dem ersten jahr schwanger geworden… ;-)

    eine misstrauenserklärung finde ich hingegen einen ehevertrag. der mag manchmal aufgrund bestimmter gegebenheiten sinnvoll sein, aber für mich wäre so etwas nie in frage gekommen – denn damit impliziere ich für mich, dass ich von vorne herein nicht an die beziehung glaube.

  14. Till meint:

    Sehe das fast durchgehend auch so wie die Frau Kaltmamsell; als tatsächlicher Vater frage ich mich allerdings, was “Ganz pragmatisch gesehen tun bei der heutigen Gesetzeslage prospektive Väter sehr gut daran, diesen Vertrag zu unterzeichnen, da sie sonst bei einer später möglichen (und durchaus wahrscheinlichen) Trennung schlechte Karten haben.” heißen soll — inzwischen gibt’s so Dinge wie ein gemeinsames Sorgerecht auch für unverheiratete Kindseltern …

  15. die Kaltmamsell meint:

    Immer noch, Till, gibt’s so Dinge wie Familienrichter, die unverheiratete Mütter nicht davon abhalten, den biologischen Vater (und dessen Familie) von ihren Kindern fern zu halten. Der Status des verheirateten Vaters ist in der tatsächlichen Rechtsprechung erheblich sicherer.

  16. frauniepi meint:

    ich versteh nicht, warum sich unverheiratete paare so oft angegriffen fühlen. ich werte deren beziehung nicht ab, nur weil ich verheiratet bin. und, daß der staat in meiner ehe irgendetwas zu sagen hätte ist mir noch nie in den sinn gekommen.
    wir haben für uns geheiratet. komplett allein, weil wir finden, dass es niemanden außer uns etwas angeht. wer nicht heiraten will, soll es einfach nicht tun. ich möchte aber im gegenzug auch bitte nicht ständig rechtfertigen müssen, warum ich es gemacht habe.

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