Bürosprech
Donnerstag, 20. September 2007 um 17:13Ab welchem Punkt wurde eigentlich das gute deutsche Wort „bald“ in den Büros der Freien Wirtschaft™ konsequent durch das hässliche deutsche Wort „zeitnah“ abgelöst?
„Das sollten wir möglichst zeitnah erledigen.“
„Wenn das nicht zeitnah passiert, bekommen wir ein Problem.“
„Dann brauchen wir zeitnah ein Angebot.“
etc.
Weiß das jemand?
14 Kommentare zu „Bürosprech“
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20. September 2007 um 17:32
Soweit ich weiß, trat dieses Phänomen ungefähr auf, als auch im Fernsehen “gleich” die Bedeutung von “nach 25 weiteren Werbespots” einnahm.
20. September 2007 um 17:37
Interessanter Artikel zu dem Thema..
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,414175,00.html
gruß Heike
20. September 2007 um 19:38
Das Grimmsche Wörterbuch und das Wörterbuch der Akademie des Wissenschaften der DDR von 1977 verwenden den begriff jedenfalls in einem anderen Sinne:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GA00001
http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=zeitnah
Ist für mich auch ein Westwort. Als ich klein war, haben alle “bald” gesagt. War auch nicht so eine hektische Zeit.
20. September 2007 um 20:12
Herr Stefan, nicht jedes Wort, das sich im “Osten” (oder eher Norden, je nachdem von wo gesehen) seit 1990 ausgebreitet hat, ist ein “Westwort”. Denn manche von diesen Wörtern haben sich auch im “Westen” erst nach 1990 ausgebreitet!
20. September 2007 um 20:25
Erst nach 1990? Erstaunlich zeitnah. ;-)
(Für mich ist das ja “Berger&McKinsey-Deutsch” und hielt mit den großen Beratungswellen Einzug ins Abteilungsleiter- und Dienstleisterdeutsch. Aber wann… puh.)
20. September 2007 um 20:41
Ich meinte Westen nicht so sehr geographisch, sondern mehr, nun ja, als Beginn der modernen Zeiten hierzulande. Der Westen kam ja sehr schnell, als wir danach riefen.
Grausam, eine lokale Präposition temporal zu gebrauchen. Geht wahrscheinlich mit dem Siegeszug des “wo” einher (“damals, wo die Mauer fiel” – um im Bild zu bleiben).
20. September 2007 um 23:20
Soweit ich mich erinnere, bezeichnet Wolf Schneider in einem seiner Deutsch-Bücher das Wort »zeitnah« als Teil der bürokratischen Sprache. Ich kann aber leider keine genaue Quellenangabe bieten.
Ich kann mir das aber gut vorstellen: mit »zeitnah« kann man einen anderen Bürokraten drängen, endlich mit irgendeiner Sache fertig zu werden, ohne dass es allzu undiplomatisch klingt. Von dort mag das Wort wohl in die Politik und in die Wirtschaft gekommen sein.
Ich kenne einige junge Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, die das Wort sehr oft und sehr gern verwenden. Sie wollen damit wohl Lebenserfahrung vortäuschen ;-)
21. September 2007 um 0:00
Zeitnah hab ich damit NICHT WIRKLICH ein Problem. Wer weiß, woher diese NICHT WIRKLICHEN UnWÖRTER der deutschen Sprache kommen? Frühe Spuren finde ich in “Der Schwarm”, dem tatsächlich, also ganz WIRKLICH schon diese UnWÖRTER in die Tinte fließen.
Freundlich grüßt
Dokse
21. September 2007 um 11:39
“zeitnah” ist immer “auf augenhöhe”. geschwafel aus politik, unternehmensberatung und ähnlichem.
21. September 2007 um 13:48
Hat es etwa damit zu tun, dass wir alle “im Thema” sind? (Früher wußte man Bescheid) Oder sind es einfach schlechte Übersetzungen wie “am Ende des Tages” oder “Allzeithoch”? (Grusel)
21. September 2007 um 14:48
Oft suppen auch Ausdrücke aus einer Branche, wo sie sinnvoll sind, angeberisch in eine andere: Hierzubüro gibt es zum Beispiel seit einiger Zeit Dinge, die “bilateral” besprochen werden. WTF?
21. September 2007 um 15:38
puh da müssen wir nochmal “aufschulen”
21. September 2007 um 17:15
“Wie war dein Tag, Liebling?”
“Der vielleicht schönste Tag meines Lebens!”
Ich hab ja so eine Theorie, und die hat mit der Synchronisation englischer Serien zu tun. Die Übersetzter, diese armen Tere, mussten was finden,
was lippensynchron auszusprechen war. Und so wurde aus perhaps “vielleicht”, statt “vermutlich”.
Übrigens, wer kann dieses “auf jeden Fall” auch nicht mehr hören? Ja oder nein sagt wohl keiner mehr, oder?
22. September 2007 um 9:48
Es muss zeitnah zu dem Zeitpunkt gewesen sein, an dem ich kürzlich in einem Vortrag “roundabout” eine Stunde lang mir einen ganz lockeren Berater-Vortrag zu Wirtschaftskriminalität anhören musste…
Hoch lebe der Schwafel-Sprech!