Einfach Schluss machen
Donnerstag, 20. September 2007 um 10:06Zunächst habe ich das ja als eine Vision von Hanns Dieter Hüsch kennengelernt: „Nur mal angenommen“, so beginnt er meiner Erinnerung nach seine Schilderung einer Menschheit, die beschlossen hat, Schluss zu machen. Die einfach aufhört sich fortzupflanzen, langsam immer weniger wird, sich damit abfindet, das 100-jährige Bestehen des Tennisclubs Grün-Weiß eben nicht mehr zu feiern. Der Letzte begräbt den Vorletzten, und endlich senkt sich Ruhe herab auf die Erde. Mir gefällt das Unapokalyptische an Hüschs Vision, und so spannend ich diese Menschheitssache meist finde – es geht auch ohne.
Zudem mehren sich die Hinweise, dass es sich beim selbst gewählten Aussterben der menschlichen Art um den einzig wahren Altruismus handelt. Daniel Engber berichtet in Slate über Alan Weisman, der das in seinem Buch The World Without Us genauer durchdacht hat.
Weisman geht zwar nicht so weit wie The Voluntary Human Extinction Movement, rechnet aber vor, dass zum nachhaltig umweltbewussten Leben eine Beschränkung der eigenen Fortpflanzung gehört. Slate fasst zusammen:
Let’s cut the birth rate to one child per couple, for a few generations at least. The population would dwindle by about 5 billion people over the next century, he says, ensuring the habitability of the Earth for the 1.6 billion who remained. At that point, they could all reap the rewards of a more spacious planet, sharing in “the growing joy of watching the world daily become more wonderful.” It seems like a notion from the fringe, but Weisman’s book has become a mainstream best seller. Could population control be the next big thing in green culture?
Denn, so geht die Argumentation weiter: Welche Umweltauswirkungen hat denn das eigene Kind? Im Grunde hat man eine weitere Version seiner selbst in die Welt gesetzt und damit seine CO2-Emission verdoppelt. Dafür könnte Mutti ganz schön lange in einem benzinfressenden SUV durch die Gegend schaukeln. Zudem könnte der eigene Nachwuchs (im Gegensatz zum Auto) auf die Idee kommen, sich wiederum fortzupflanzen – zack! Noch mehr CO2.
Selbstverständlich lässt sich das leicht ad absurdum führen und widerlegen (siehe Rest des Artikels). Aber endlich habe ich für meine Kinderlosigkeit einen sympathischeren Grund parat als das ehrliche „Ich kann Kinder halt nicht ausstehen“: „Ich verlangsame den Klimawandel.“
die Kaltmamsell15 Kommentare zu „Einfach Schluss machen“
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20. September 2007 um 12:38
Konsequenterweise müssten Kinderlose eine Art Öko-Prämie bekommen und nicht die Familien das Geld in den Ar.. gesteckt.
20. September 2007 um 13:39
@Tim
Jetzt weiß ich wenigstens, wo ich das Geld suchen muss, das mir aus beruflichen Gründen gefehlt hat, als meine Tochter zur Welt gekommen ist und welches auch in den Jahren danach aufgrund mangelhafter Kinderbetreuungsmöglichkeiten mehr als knapp war: Der Staat muss es mir unbemerkt in den A**** gesteckt haben.
20. September 2007 um 13:45
@walküre: treffende Antwort ;-)
20. September 2007 um 14:08
Sie sind beiden sind ja doch bloß egoistische Umweltverschmutzer mit Ihrer Fortpflanzerei! Her mit meiner Öko-Prämie!
20. September 2007 um 14:13
Nix da, Frau Kaltmamsell, ich bin mit meiner Ein-Kind-Familie voll im Trend !
20. September 2007 um 14:45
Wir sind mit unseren beiden »Einzelkindern« sicher nicht im Trend, dafür atmen wir aber alle vier nur noch ganz langsam und verringern dadurch unseren Kohlendioxyd-Ausstoß ;-)
20. September 2007 um 14:52
Die radikalere Form davon findet man in
http://www.amazon.de/Welt-ohne-uns-Reise-unbev%C3%B6lkerte/dp/3492051324
Interessant ist, welche Haustiere die Menschheit überleben würden. Kühe und Schweine würden relativ rasch verschwinden, da der Wolf und andere Raubtiere wieder heimisch würden. Vögel würden sich (mindistens in der nördlichen Hemisphäre) sehr rasch sehr stark vermehren, da sich deren Nahrungsbasis aufgrund der nicht mehr ausgebrachten Insektizide massiv verbessern würde. Was wiederum unseren Hauskatzen eine Überlebenschance geben würde…
20. September 2007 um 14:56
Das ist wohl, lieber Burgdorfer, die deutsche Version des oben besprochenen Buches.
Langsam Atmen und keinen Sport treiben wäre vermutlich auch sehr CO2-freundlich.
20. September 2007 um 14:58
Ach ja, und politisch interessant ist diese Diskussion auch:
Heute ist es politisch akzeptiert, darüber zu diskutieren, dass Kinderlose höhere Rentenbeiträge zu bezahlen hätten. Wenn man nur wagt, über das umgekehrte nachzudenken, erntet man blankes Entsetzen. Dabei sind es meine nicht-gebohrenen Kinder, welche zukünftig keinen Ausbau der örtlichen Schule verlangen, welche zukünftig niemandem einen Platz in der Uni wegnehmen, welche zukünftig nicht die öffentlichen Strassen verstopfen, welche zukünftig nicht tonnenweise CO2 emittieren. Und welche anderseits mir und meiner Partnerin ermöglichen, bis zur Rente 100% arbeitstätig zu sein und damit wohl kumuliert einige hunderttausend Franken mehr Steuern zu bezahlen. Aber weil meine nicht-gebohrenen Kinder zukünftig nicht in ein umlagenfinanziertes Rentensystem einzahlen können, soll ich heute mehr Rente bezahlen?
Macht das Sinn?
20. September 2007 um 15:24
Über das Umgekehrte kann man eigentlich nicht diskutieren, weil kinderlose Paare nie beweisen können, wie viele Kinder sie nicht bekommen haben ;-)
20. September 2007 um 15:33
Bis vor einem Jahr war ich, wenn man es so will, ein stolzer AntiCO2ist, der jetzt, angesichts der bald sich vollendenden Reproduktion, ein bisschen anders darüber denkt…
Andererseits lese ich gerade in der heutigen SZ (ich kam erst jetzt dazu) etwas Passendes von Doris Lessing: “Für mich gibt es keine größere Langeweile als die Gesellschaft kleiner Kinder, auch wenn sie süß sind”
20. September 2007 um 17:57
@stefanolix
Bin ich nicht ??? Ich dachte, obigem Ausschnitt (“Let’s cut the birth rate to one child per couple”) nach zu urteilen würde ich zum richtungsweisenden Teil der Menschheit gehören ! ;-)
20. September 2007 um 20:07
Liebe Frau Kaltmamsell,
im Prinzip haben Sie doch recht! Es leuchtet doch leicht ein, daß selbst in einem gemäßigt temperierten und freuchtbaren Land wie Deutschland eine Bevölkerungsdichte von höchstens 100 pro Quadratkilometer nicht nur eine nachhaltigere Entwicklung, sondern auch eine höhere Lebensqualität ermöglichen würde. (Gegenwärtig sind es hierzulande über 250. Umweltverschmutzung, Zersiedelung der Landschaft und Verkehrsprobleme sind die Folge.)
Warum sind wir nicht froh, wenn die Bevölkerung zurückgeht? Einen sachlichen Grund gibt es: Wir haben ein Rentensystem, das auf stetes Bevölkerungswachstum angewiesen ist, und niemand traut sich, es durch ein sinnvolleres zu ersetzen. (Ersetzen – reformieren würde nicht dauerhaft weiterhelfen!) Und einen emotionalen: Neulich titelte eine Zeitung, in wenigen Jahren werde Frankreich uns im BIP (und in der Bevölkerungszahl, aber das war schon deutlich kleiner gedruckt) überholt haben. Warum schürt man da die Angst? Ja und … allein deswegen geht’s den Leuten in Frankreich dann auch nicht besser als uns!
20. September 2007 um 20:08
OK, es war missverständlich. Ich wollte sagen: meine Gattin und ich, wir sind mit unseren beiden »Einzelkindern« (12 Jahre Unterschied) sicher nicht im Trend. Hier in den bürgerlich-grünen Stadtteilen Dresdens gibt es inzwischen so viele Schwangere und Kinderwagen (und Schwangere mit Kinderwagen), dass man schon verkehrsberuhigte Zonen einrichten musste ;-) Insofern geht von hier die wahrscheinlich größte Bedrohung des Weltklimas aus.
22. September 2007 um 9:38
Nein, ich habe kein schlechtes Gewissen mit meinen drei (!) Söhnen. Das sind gute Kerle. Wenn ich mich aber umschaue, befürworte ich sogar einen Bevölkerungsrückgang um 90%. Das ist egoistisch, aber ehrlich.