Die alte Feindschaft zwischen Bloggern und… Restaurants!

Samstag, 13. Oktober 2007 um 9:03

Sie können es schon nicht mehr sehen, wenn ein Blogger mit Fingern auf gelernte Journalisten zeigt, weil sie nicht perfekt, makellos, arielnichtsaubersondernrein-westig sind, und klicken augenrollend weg? Sie mögen auch nicht zum vieldutzendsten Mal in der Zeitung lesen, dass Blogger das Internet verstopfen, keine Ahnung vom anständigen Informieren haben, überhaupt ganz offensichtlich mit zu viel Zeit ausgestattet sind?

Ha! Wie immer sind uns in Mediendingen die Vereinigten Staaten um Nasenlängen voraus. Dort hackeln sich bereits Nahrungsmittelblogger und Restaurants.

Es gibt mehr Leute in den USA als hier, es gibt mehr Blogger, es gibt mehr Foodblogger. Und laut Wall Street Journal werden letztere immer mächtiger. Während hierzulande immer noch ein paar Blogger an der Wand ihres Zimmes stehen und rhythmisch ihre Stirn daran schlagen, weil einige Blogger gegen Spesenzahlung ein Auto gefahren und darüber geschrieben haben – bestechen im Amerika neu eröffnete Restaurant Foodbloger bereits vorsichtshalber mit Preisnachlässen oder gleich kostenlosen Mahlzeiten.

Among those using the tactics are some of the biggest names in the business. Terrance Brennan, co-owner and chef of New York’s Artisanal Bistro and Picholine, hosted a cheese class for bloggers last year, waiving the usual $75-a-person fee. Bill Telepan, chef and co-owner of Telepan in New York, donated a $200, four-course meal to one influential blogger’s online contest. And in Washington, the Park Hyatt’s Blue Duck Tavern says it invited a customer back for a free Father’s Day meal after she posted a negative comment on the Washington Post’s Web site. (In a follow-up post, the diner wrote, “We will definitely return to Blue Duck Tavern,” not mentioning that she had been invited free.)

Oder:

Tom Walton, a San Francisco Bay Area restaurant publicist, says he encourages his clients to enlist their staff, friends and family to “stuff the ballot box to counter bad Web reviews.” It is the only way, Mr. Walton says, to fight back against anonymous reviews that assail a business, whether justified or not.

Zwar werden hier Bewertungsplattformen und Blogger in einen – äh – Topf geworfen (wenigstens darin sind US-amerikanische Journalisten den deutschen nicht voraus), aber schlimm sind die beschriebenen Verhältnisse so oder so. Und schon gibt es Wind von vorn aus Blogrichtung.

Mir ist es vor Jahren tatsächlich mal passiert, dass mich der Bedienerich eines Restaurants identifizierte, über das ich geschrieben hatte (mich hatte wohl der sehr spezielle Wein verraten). Ich hatte das Lokal zwar gelobt und empfohlen (für mich der einzige Anlass, über ein Restaurant zu schreiben: Wenn ich enttäuscht wurde, schreibe ich gar nichts), dennoch war mir das eher unangenehm. Ohne, dass ein Bestechungsversuch gefolgt wäre.

Via David Lebovitz

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Die alte Feindschaft zwischen Bloggern und… Restaurants!“

  1. walküre meint:

    Ich denke, dass sich Foodblogging eher in den Staaten halten und hierzulande – im Sinne von Restaurantbewertungen – eine Marginalie bleiben wird. In Europa ist die Restaurantszene viel konstanter und die diversen Restauranführer sind größtenteils ernstzunehmen, sodass für Foodblogging einfach keine Nachfrage in großem Stil vorhanden sein dürfte.

  2. Schwarz meint:

    Generell sind ‘amerikanische Blogger’ den Deutschen nicht voraus.
    Zunaechst einmal gibt es in den USA etwa 260 Millionen Seelen. Ungleich mehr als in der Bundesrepublik. Somit ist der prozentuale Anteil Deutscher Blogger im Vergleich zu den USA gar nicht so sehr gering wie Medien uns manchmal glauben machen wollen.
    Des Weiteren halte ich den Informationsgehalt US-amerikanischer ‘Durchschnittsblogs’ fuer zweifelhaft bis hin zu fragwuerdig.
    Die Deutsche ‘Internetlandschaft’ ist, meiner Ansicht nach, recht informativ und qualitativ gar nicht schlecht … nur eben ein bisschen ‘Deutscher’ als anderswo.

    tata
    MiMo

  3. rosa meint:

    Aber bitte auch nict Foodblogging mit Restaurantbewerting in einen Topf werfen! Von den englischsprachigen Foodbloggern schreiben zwar mehr gelegentlich mal Restaurant-Reviews als von den deutschsprachigen. Aber der Schwerpunkt liegt eigentlich bei fast allen auf Geschichten rund um Rezepte und Produkte.

  4. albertsen meint:

    Ein wunderbarer Satz, beste Kaltmamsell: Während hierzulande immer noch ein paar Blogger an der Wand ihres Zimmes stehen und rhythmisch ihre Stirn daran schlagen, weil einige Blogger gegen Spesenzahlung ein Auto gefahren und darüber geschrieben haben […]

  5. creezy meint:

    Foodblogger auf der Blogher – eine eigene Majorität. Da waren alleine 40 Foodbloggerinnen, die sich an einem Abend außerhalb der Konferenz zum Essen trafen. Und das waren nur die alten Hasen äh Häsinnen der Zunft. Mich würde nicht wundern, wenn es für die bald eigene Messen gäbe. Die Workshops zu dem Thema waren voll. Und da wurde alles diskutiert, die ganz radikalen Vegetarier sogar mit dem Vorwurf wie sich die Food-Workshops der Messe von einer Firma/Blog finanzieren lassen könnten, die Truthahnverkauf als Geschäftsziel haben?

    Das war schon sehr ulkig zu sehen. In einem der Workshops saß Shuna Fish Lydon (The Art of Foodblogging), eine Pastry Chefin, die vor zwei Jahren nur auf dieser Messe als Gast war, dann anfing selber zu bloggen und inzwischen in den USA so etwas wie eine Blogkarriere hingelegt hatte und eine interessante Frau, die uns alle fast zu Tränen rührte (weil sie nämlichselber dabei fast zu weinen anfing) als sie leidenschaftlich erklärte, wie schlimm das für die Köche teilweise sei, wenn die Restaurants in Grund und Boden in den Blogs gedisst würden – nur weil vielleicht ein Fleck auf dem Tischtuch zu finden war. Während vor allem die Köche von früh morgens bis abends in den Küchen stehen, sich die Seele aus dem Laib kreiieren, so gut wie nichts verdienen (ist ja bekannt) und dann kämen Gäste, die bloggen und die mit ihren Kritiken – einfach weil bei denen der Pups quer saß – die Restaurants schlecht besprechen würden. Dabei dann nicht einmal mehr auf das Essen eingingen. Die Frau hatte deutlich gemacht, wie sehr engagierte Köche darunter leiden – in der Realität. Zumal so manches Blog in den USA da offensichtlich auch schon die Macht hat, es Restaurant wirklich schwer zu machen. Shuna machte mit ihren Ausführungen von anderer Seite sehr deutlich, was Foodblogs oder Restaurantbesprechunsblogs dort schon anrichten in der Wirtschaft. Spannend.

    Diese Foodbloggerinnen sind da so etwas wie Heldinnen, die haben regelrecht Fans und – wer von ihnen eigentlich anonym bloggen will – hat teilweise ernstahfte Probleme das zu bleiben, weil Fans das nicht respektieren wollen.

    Ich teile nicht Schwarz’ Meinung. Die Blogger in den USA sind den Deutschen schon voraus. Erstmal bloggen sie einfach länger, haben hierzu schon ein ganz anderes Verständnis (vor allem die kommerzielle Ausrichtung betreffend) und sei es die Selbstverständlichkeit mit der sie das tun. Von hier über die qualitativen Inhalte dort zu richten, das halte ich für nicht machbar – dafür gibt es einfach zuviele US-Blogs als das man das beurteilen könnte. Natürlich gibt es dort mehr Mainstream, genauso gut aber auch sehr viel Qualität in den Blogs. Und ja, die nehmen Geld für’s Bloggen.

  6. Schwarz meint:

    Uh-Ah-Oh … also, einfaeltig wie ich ja nun mal so bin muss ich da doch noch mal. :)
    @creezy … *raeusper*
    Also ich denke schon, dass eine ‘Beurteilung’ von ‘hier’ moeglich ist, da das Internet ja witziger Weise, ebenso wie seinerzeit Rom, in der kleinsten Huette steckt. Zu ‘richten’ lag mir allerdings fern. Ich stelle lediglich fest, dass die Inhalte Deutscher Blogs ‘in der Regel’ eine Information abdecken, die ‘hier’ absolut in Ordung erscheint. Ich/Wir/Du/Sie/Es koennen dann doch also schon daherkommen und entscheiden ob die Masse der US-Amerikanischen Blogs geeignet ist unser Lebensbild zu beeinflussen. Und das sind sie schlicht und ergreifend nicht, da ich auf US-Blogs teilweise, insbesondere im Lebensmittelbereich, auf Marken stosse, die es hier gar nicht gibt. Generell werden ja Angehoerige einer Gesellschaft zunaechst einmal ueber das schreiben, was sie selbst in ihrer eigenen Umgebung belangt. Und da unterscheidet sich die USA von Deutschland in etwa so wie Bayern und Schleswig-Holstein: naemlich ganz gewaltig. Ipso Fakto ist dann das, worueber ein ‘durchschnittlicher’ Amerikaner ausfuehrlichst bloggt hier voellig uninteressant – und umgekehrt genauso.
    Das ‘globale’ Lesen von Blogs, gleich welcher Art, ist selbstverstaendlich positiv um ‘andere Laender und Menschen’ besser zu verstehen.
    Wie Du selbst ja schreibst ist dir bekannt, dass in den USA kommerzielle Belange beim bloggen mit eine Rolle spielen. Wie wunderbar … somit ist dann also zudem noch ein vermeindlicher ‘privater Blog’ gar kein solcher, sondern der verlaengerte Arm der Werbeindustrie und somit in sich schon voellig voreingenommen, wenn nicht sogar unsachlich und irrefuehrend, da Werbung ja schliesslich nur das Produkt bewirbt fuer welches der Auftraggeber dann auch diesen Blogger bezahlt.
    Deutschland bietet mittlerweile Blogs zu allen moeglichen Themen und soweit ich mich umschaue vermisse ich wenig. Der Vorteil der meisten Blogs hier ist auch der, dass hier viele private Personen sitzen, die eben nicht fuers schreiben bezahlt werden, sondern ganz einfach das Kund tun, was sie denken. Die Deutsche Werbeindustrie hat die Blogs noch nicht erschlossen und somit gibt es hier nur vereinzelt Blogs, die von Firmen betrieben werden… und das ist positiv. Ich lese lieber einen privaten ehrlichen, eventuell in einigen Punkten diskussionswuerdigen Blog, als einen durchchoreografierten Werbeblog wo mir alles gerade so serviert wird wie es mir passt, bzw. wie ich es lesen soll.
    Und ja, ich habe in den USA gelebt, dort auch fleissig Blogs gelesen, die zu lesen sich auch ‘hier’ lohnt.

    tata
    MiMo

  7. kid37 meint:

    I beg to differ, Frau Kaltmamsell. So hieß es bestimmt schon bei den Navajo-Indianern: “Besser die Stirne voller Beulen als die Hände voll Benzin.”

  8. Sebastian meint:

    Ach, was könnte man da jetzt alles schreiben: aus dem ebenso gefüllten Nähkästchen der blogfernen Restaurantkritik, von der Hassliebe der Köche zum Tester, von sternefixierten Gästen und Wirten, von der speziellen Verantwortung des Bloggers, wenn es um wirtschaftliche Themen im Detail geht, ach. Tagesfüllend. Vielleicht nur das: Es gibt immer noch genug selbstbewusste Wirte, Schreiber, Gäste da draußen, die sich leisten, das zu ignorieren und einfach ihr Ding machen, und das sind oft die besten.

    Auch gut möglich, dass das bei uns mehr so ist als in den USA. Doch z. B. bei diesen beiden bundesdeutschen „Blogs” tut es fast schon wieder weh, dass sie uns so offen und ehrlich ohne jede Marektingtricks für nix&dumm kaufen wollen: http://www.feinschmeckerblog.de/ (Abdruck von Pressemeldungen der Genussindustrie, bei einem Blog-Award gemeldet als eine „Institution”, auf einem „inhaltlich unbestritten erfolgreichen Weg: News aus der Gourmet- und Hotel-Szene für exklusvie Genießer.”)
    Ohne Kommentar dies Aktion im Blog von restaurant-kritik.de („hat
    sich zu einem der wenigen seriösen Nachrichtenorgane in der Gastro-Szene
    entwickelt” , so die Anmeldung zum Award): http://www.restaurant-kritik.de/blog/2007/10/08/gutschein-zum-download-15-rabatt-im-gasthaus-ententeich-in-krefeld/

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